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Drogen

Mein Leben als Kokshändlerin

Brandi Davis genoss als Tochter eines Drogenbarons jeden erdenklichen Luxus, dann stieg sie selbst ins Geschäft ein.
Seth Ferranti
aufgeschrieben von Seth Ferranti
Brandi Davis
Links: Brandi Davis bei einem 2017 Fashion-Shoot für ihre Marke "Freeprettygirls" | Foto mit freundlicher Genehmigung von Brandi Davis || Rechts: James Pozarik | The LIFE Images Collection | Getty Images

Brandi Davis, 36, wuchs inmitten des Detroiter Drogenhandels auf. Als Tochter eines hochrangigen Händlers besuchte sie eine Privatschule und fuhr BMW. Zum Studieren zog sie dann nach Atlanta. Während ihrer Collegezeit kam sie mit Deron "Wonnie" Gatling zusammen, einem wichtigen Mitglied der Black Mafia Family (BMF).

Die BMF dealte rund um 2000 quer durch das Land mit Kokain und gehört zu den größten urbanen Drogenimperien der US-amerikanischen Geschichte. Die beiden Anführer, die Brüder Terry "Southwest T" Flenory und Demetrius "Big Meech" Flenory, waren ebenfalls Davis’ Bekannte. Als ihr Freund "Wonnie" 2005 ins Gefängnis kam, traf die jetzt alleinerziehende Mutter eine Entscheidung, die ihr Leben für immer verändern sollte: Sie wurde selbst im Drogengeschäft aktiv.

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Zusammen mit Familie und Freunden begann Davis, 25-Kilo-Lieferungen Kokain von Chicago in ihre Heimatstadt Detroit zu organisieren. 2008 wurden sie und ihr Vater gefasst. Knapp acht Jahre saß sie im Gefängnis. Seit ihrer Freilassung 2016 hat Davis ein Buch über ihre kriminelle Karriere veröffentlicht, The High Price I Had To Pay 4, die Lifestyle-Marke FreeprettyGirls gegründet und ist in Staffel drei der Reality-TV-Serie 'From The Bottom' zu sehen.

VICE hat mit Davis über ihr turbulentes Leben gesprochen.


Auch von VICE: So wurde ich ein internationaler Kokainschmuggler


Ich hatte eine privilegierte Kindheit. Ich bin in Southfield, Michigan, aufgewachsen – einem Vorort von Detroit. Die Tätigkeit meines Vaters, von der ich erst später wirklich erfuhr, ermöglichte mir einen Haufen schöner Dinge. Er überhäufte mich mit Geschenken. Ich besuchte eine Privatschule. Zu unserem 16. Geburtstag bekamen meine Schwester und ich brandneue Autos. Mein Vater kaufte uns Pelzmäntel und Designer-Klamotten. In der zehnten Klasse trug ich meine erste Rolex. Auch wenn ich nicht wusste, womit mein Vater sein Geld verdiente, wusste ich, dass es uns an nichts fehlte.

Meine Mutter hatte vier wunderschöne Schwestern. Auch sie waren alle mit Drogendealern zusammen. Diese Typen überhäuften sie mit üppigen Geschenken und umsorgten sie, wie mein Vater meine Mutter umsorgte. Das war die Norm. Ich dachte, dass alle Männer Frauen so zu behandeln haben, und erwartete das auch von meinen Typen, als ich mit dem Dating anfing. Mein Vater förderte diese Einstellung auch noch. Ich solle nie meine Standards senken, sagte er zu mir. Und wenn ein Mann nicht das für mich tun konnte, was mein Vater für mich tat, gab es keinen Grund für mich, mit ihm zu reden.

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Ich war etwa 16, als ich begriff, womit mein Vater sein Geld machte. Wenn ich als Teenager mit Freunden abhing, hörte ich die Typen über ihn reden. Auf der Straße hatte er einen guten Ruf. Mir fiel auf, wie anders ich behandelt wurde, wenn Leute erkannten, dass ich seine Tochter bin. Das allein schon machte dieses Leben für mich so attraktiv.

Ich hatte nicht das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun

Obwohl meine Schule katholisch und ich in den behüteten Vororten blieb, war ich immer mit Drogendealern zusammen. Wenn jemand mit mir sprechen wollte, musste er wissen wie. Ich erwartete von ihnen, dass sie mich umsorgen und mir Sachen kaufen. Sie verstanden, wer mein Vater war und wie sie mich zu behandeln hatten.

Ich war umgeben von diesen Leuten. Ich wuchs eine Straße entfernt von Marlon Welch auf. Seine Mutter war mit "Southwest T" zusammen – er und sein Bruder "Big Meech" waren die Gründer der Black Mafia Family. Marlons Mutter hatte einen Benz und die waren immer schick angezogen, fuhren neue Autos und führten generell das gleiche Leben wie wir.

Ich kannte Big Meech und Southwest T, seit ich klein war. Aber erst als ich zum Studieren nach Atlanta gegangen war, wurden wir wirklich Freunde. Damals erkannte ich, in was für einer Größenordnung ihre Geschäfte liefen. Das waren Typen, die wirklich dafür sorgten, dass reichlich Geld reinkam. In Detroit war ich solche Leute gewohnt. Auch wenn Meech und seine Crew das auf einem ganz anderen Level machten, fühlte es sich immer noch irgendwie normal an. Alle sahen in ihnen diese krassen Drogenbosse, für mich waren das einfach meine Homies.

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Zu der Zeit habe ich keine Drogen verkauft, aber ich half dabei, Geld zu zählen und zu verteilen. Es war nichts Ungewöhnliches. So bin ich halt aufgewachsen. Ich wurde für meine Arbeit wie jeder andere bezahlt. Niemand hat etwas gegen ein bisschen Cash.

Ich war schwanger und der Vater meines Sohnes kam für viele Jahre ins Gefängnis.

Den Vater meines Sohnes lernte ich 2000 um Thanksgiving herum kennen. "Pig" Triplett, ein BMF-Member, den ich noch von zu Hause kannte, rief mich abends an und sagte: "Komm mit, Schwester, wir gehen ins Magic City." Auf unserem Weg zum Club sagte Pig zu mir, dass wir noch einen seiner Kumpels einsammeln. So lernte ich Wonnie kennen. Wir verstanden uns super und hatten den ganzen Abend Spaß miteinander. Am Ende fragte er nach meiner Nummer, von da an waren wir unzertrennlich.

Wonnie führte mich zum Essen in schicke Restaurants aus und überhäufte mich mit Geschenken, wie ich es von meinem Vater gewohnt war. Als es ernster wurde, begann er, meine Rechnungen zu zahlen. Er kaufte mir einen Porsche und quartierte mich in einem 500.000-Dollar-Haus in Atlanta ein. Wir reisten. Ich hatte massig Geld zur freien Verfügung. Ich war erst 20 und es war eine stürmische Romanze – im besten aller Sinne. So sollte es aber nicht bleiben.


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2004 wurde Wonnie von einem Gericht in St. Louis angeklagt und floh. Im Mai 2005 kam er nach Atlanta, obwohl ich ihm davon abriet. Er war einfach nicht sicher in der Stadt. Aber ich war im dritten Monat schwanger und er wollte ein paar Freunde sehen. Eines frühen Nachmittags, wir lagen beide schlafend im Bett, tauchten US Marshals in meinem Vorgarten auf. Wonnie versteckte sich auf dem Dachboden, während ich im Haus rumrannte und versuchte, den ganzen Schmuck aus dem Sichtfeld zu schaffen.

Meine Nerven lagen blank, meine Gedanken rasten. Ich wusste, dass das hier das Ende sein würde. Wonnie erwarteten 20 Jahre Gefängnis. Ich schaute ihn einfach nur an. Muss das alles wirklich so enden? Ich kann unsere Blicke in diesem Moment gar nicht beschreiben.

Schließlich rannten die Marshals zum Haus, die Pistolen im Anschlag. Ich riss meine Arme nach oben und sagte, dass ich schwanger sei. Sie fragen nach Wonnie. Ich antwortete: "Ich bin gerade aufgewacht. Ich weiß nicht, wo irgendjemand ist."

Sie brachten mich raus und legten mir Handschellen um. Während ich wartend dasaß, durchsuchten sie das Haus. Plötzlich hörte ich Schüsse. Ich war mir sicher, dass sie Wonnie gefunden und getötet hatten. Mein Herz zerbrach. Ich dachte, er sei tot. Dann allerdings sausten Kugeln in unsere Richtung, ich warf mich auf den Boden. Ein SWAT-Team tauchte auf und Helikopter kreisten in der Luft. Sie führten Wonnie aus dem Haus, die Hände über dem Kopf.

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Immer wieder fragten sie uns, wen wir angerufen hätten. Wonnie hatte nicht auf sie geschossen. Aber vom Schützen fehlte weiterhin jede Spur. Sie bedrohten uns. Wir würden für versuchten Mord eines Bundesagenten in den Knast kommen. Wonnie wurde abgeführt. Mich verhafteten sie für das Marihuana, das sie in meinem Haus gefunden hatten. Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich war schwanger und der Vater meines Sohnes kam für viele Jahre ins Gefängnis.

Ich zog zurück nach Detroit zu meinen Eltern. Ein gutes Jahr später starb Wonnie bei einem Asthma-Anfall in der Haft. Mein Sohn war zu dem Zeitpunkt neun Monate alt. Ich versank in tiefe Depressionen und fing an, meine mütterlichen Pflichten zu vernachlässigen. Ich ging jede Nacht feiern. Schließlich nahm meine Mutter mich zur Seite und sagte: "Schau mal, Mädchen, du hast einen Sohn. Ich weiß, was du gerade durchmachst, aber du kannst so nicht weiter leben." Sie hatte absolut Recht, also riss ich mich zusammen.

Selbst wenn sie uns erwischen, kriegen es nur die Männer ab. Die Frau geht nie in den Knast.

Ich kam mit diesem Typen aus Chicago zusammen, Justin Turner. Ich kannte ihn noch von früher und ich fand ihn einfach umwerfend. Ich war verletzlich. Ich vermisste es, von einem Mann umsorgt zu werden.

Justin bemerkte, mit was für Leuten ich verkehrte, und fragte mich eines Tages: "Ich habe eine Lieferung Koks, die hierher gebracht wird. Kannst du damit was anfangen?"

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"Ja, ich denke schon", sagte ich.

So schnell war ich im Geschäft.

Jemand lieferte mir etwa 30 Kilogramm Kokain und ein paar Tage später hatte ich alles verteilt. Es wurde zu einem Routineding. Wir brachten jede Woche 60 Kilogramm in Umlauf. Ich holte noch meinen Vater und meinen Stiefbruder mit an Bord und dann lief das Geschäft richtig. Mein Vater versuchte noch, mich von diesem Leben abzubringen. Er wollte nicht, dass ich diesen Weg einschlage. Ich wollte aber nicht auf ihn hören.

Ich hatte auch nicht das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Ich sammelte das Geld ein und brachte Leute in Kontakt mit anderen Leuten. Es war nicht, als würde ich an der Ecke stehen und Crack verkaufen. Ich redete mir ein, dass alles gut gehen würde. Selbst wenn sie uns erwischen, kriegen es nur die Männer ab. Die Frau geht nie in den Knast.

Ich schaue meinen Sohn an und sehe das, was ich ihm angetan habe. Er hat all die Jahre weder eine Mutter noch einen Vater gehabt.

Es war eine meiner Fahrerinnen, über die sie uns auf die Schliche kamen. Auf dem Weg von Chicago nach Detroit war sie mit 27 Kilogramm erwischt worden und hatte uns verpfiffen. Ich wollte gerade eine Fünf-Kilo-Lieferung abholen. Bevor ich den Zündschlüssel umdrehen konnte, war mein Wagen von Polizisten umstellt.

Während ich mich wegen Drogenbesitzes vor Gericht verantwortete, geriet auch Justin in Probleme und verriet meinen Vater und mich an die Bundespolizei. Meine Probleme wurden entsprechend größer. Am Ende waren wir beide geständig und ich bekam zehn Jahre.

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Am schmerzvollsten an der ganzen Sache war, dass mein Vater und ich am selben Tag verurteilt wurden. Die Richterin sagte in ihrem Urteilsspruch, dass dies ein trauriger Tag für unsere Familie sei. Nicht nur verliere meine Mutter ihren Mann an ein Gefängnis, sondern sie verliere auch eine Tochter. Es nahm mich schrecklich mit, meine Mutter derartig aufgelöst zu sehen.

Mein Vater wurde zu acht Jahren verurteilt. Während der Haft wurde er schwer krank und kurz vor seinem Tod vorzeitig entlassen. Ich selbst saß siebeneinhalb Jahre meiner Strafe ab.

Ich bereue zutiefst, was passiert ist. Ich schaue mir meine alten College-Freunde an und sehe erfolgreiche Karrieren und Familien mit Kindern. Auch ich hätte das haben können, aber stattdessen habe ich die Straße gewählt. Ich habe einen wichtigen Teil meines jungen Lebens im Gefängnis verpasst – den Großteil meiner 20er, den Anfang meiner 30er. Ich denke an den Schmerz und das Leid, die ich meiner Familie beschert habe. Ich schaue meinen Sohn und sehe das, was ich ihm angetan habe. Er hat all die Jahre weder eine Mutter noch einen Vater gehabt. Daran denke ich jeden Tag.

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