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War Strache tatsächlich in der Gruft?

Die FPÖ hat in den vergangenen Jahren nicht zum Ausbau der Angebote für Obdachlose beigetragen. Im Gegenteil.

Foto: Screenshot via ORF III

Mitte November lud die Caritas die Verhandler der Mindestsicherung in die Gruft ein. Unter regem Medieninteresse begleitete Bundeskanzler Christian Kern die Besuchergruppe. Seither erzählt er oft von den Gesprächen dort und dass er Politik für die nachkommende Generation machen möchte.

Das tat er auch im Gespräch mit Heinz-Christian Strache beim "Klartext-Spezial" des ORF im Radiokulturhaus. "Und, weil die Gruft angesprochen wurde: Die habe ich mehrfach besucht—ohne medialer Begleitung", sagte Strache Richtung Kern.

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Viele hat diese Aussage verwundert—auch Caritas Wien Generalsekretär Klaus Schwertner, der die die Gruft-Leiterin, die seit Anfang an dabei war, kontaktierte. Demnach wurde Strache noch nie in der Notschlafstelle gesehen. "Weder von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den freiwilligen Helferinnen und Helfern, den Spenderinnen und Spendern, noch von den obdachlosen Menschen", so Schwertner.

Ganz stimmt das allerdings nicht, wie eine Presseaussendung belegt, die die FPÖ-Pressestelle der Caritas weiterleitete. 2003 besuchte der FPÖ-Sozialminister Herbert Haupt die Gruft. Im Schlepptau nahm er den FPÖ-Chef Hilmar Kabas plus seine Stellvertreter namens Karin Landauer und Heinz-Christian Strache mit. Der Besuch vor 13 Jahren passierte allerdings in Begleitung "zahlreicher Pressefotografen und eines Kamerateams", wie die FPÖ schrieb.

Die FPÖ hat in den vergangenen Jahren nicht zum Ausbau der Angebote für Obdachlose beigetragen. Im Gegenteil.

Auch, wenn sich Schwertner zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, macht das Straches Aussage nicht wahrer. Strache hat nämlich behauptet, dass er a) mehrfach und b) ohne Medien dort war. Beides trifft nicht zu.

Bei der Caritas hält man dies für ziemlich unwahrscheinlich. Caritas Wien Sprecher Martin Gantner: "Das deckt sich nicht mit unserer Wahrnehmung. Jedenfalls kann sich langjährige Mitarbeiter aus der Gruft an keinen solchen Besuch erinnern."

Die FPÖ-Pressestelle schweigt gegenüber VICE dazu. Sowohl die Anfrage per Mail als auch zwei Anrufe blieben unbeantwortet. Die Aussage Straches dürfte damit ziemlich sicher unwahr sein.

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Die Geschichte ist aber nicht nur deshalb interessant. Straches Rede über Obdachlose ging nämlich weiter. Es sei wichtig, diesen Menschen zu helfen, "aber es hat mich immer erschüttert, dass es keine Wiedereingliederungsprogramme für Obdachlose in unserer Gesellschaft gibt. Das ist ein—ich sag' mal—völlig asozialer Zugang." Weiter: "Es fehlen konkrete Maßnahmen, nämlich Wiedereingleiderungsprozesse, damit diese Menschen zurückfinden in die Gesellschaft. Das ist etwas, dass ich seit Jahren bekritelt habe."

Die Gruft, aus einem Screenshot der VICE-Doku "Armut in Wien".

Bei der Caritas verweist man in dem Zusammenhang an die zuständigen Stellen der Stadt, betont aber, dass sich in dem Bereich in den vergangenen Jahren bereits sehr viel getan habe. Und zudem sei es nicht richtig, dass es "keine" solche Programme gebe oder dass sie "fehlen" würden. "Es gibt sogar zahlreiche Wiedereingliederungsprogramme", erklärt Gantner, "wie zum Beispiel die Projekte Housing First, Street Work und psychologische Begleitung der Betroffenen". Es brauche eben beides: Akute Notschlafstellen und Angebote, die die Leute wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft bringen. Sobald die Obdachlosen aber einmal in der Gruft angedockt haben, ist ein erster wichtiger Schritt geschafft und die Bereitschaft, weitere Angebote und Beratungen anzunehmen, steigt.

Die FPÖ hat in den vergangenen Jahren nicht zum Ausbau der Angebote für Obdachlose beigetragen. Im Gegenteil. Die FPÖ Wien mobilisierte 2013 "gegen das Sandlerquartier", wie der Bezirksobmann die Caritas-Notschlafstelle nennt. An anderer Stelle setzt er "Notschlafstelle" unter Anführungszeichen und spekuliert, dass es sich bei Obdachlosen um gefährliche Schmarotzer aus dem Ausland handle. Ebenfalls 2013 kritisierte die FPÖ Wien die Eröffnung der 2. Gruft. Der "Unruheherd" von "obdachlosen Ausländern" könne "keinesfalls auf der Wiedner Haupstraße bleiben".

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Der Blogger Lagushkin hat sich darüber hinaus 2014 die Mühe gemacht, die Aussendungen der FPÖ zum Thema Obdachlosigkeit zu durchforsten. Ein Auszug:

  • FPÖ Parlamentsklub: "Die Josefststadt ist mit Einrichtungen für Obdachlose und Kriminelle überstrapaziert."
  • FPÖ Wien: "Rumänische Obdachlose terrorisieren Passanten"
  • FPÖ Wien: "Empört reagierte der Obmann der FPÖ-Josefstadt auf die für August vorgesehene Wiedereröffnung des Obdachlosen-Tageszentrums JOSI im 8. Bezirk"
  • FPÖ Parlamentsklub: "Häupl lässt Sandler aus ganz Wien bitten!"
  • FPÖ Wien: "Auf Grund von Raufereien und Randalen im Umkreis des Notquartiers für hauptsächlich aus Rumänien und Bulgarien stammende obdachlose Zuwanderer, zunehmenden Diebstählen in der Nachbarschaft und aggressive Bettelei (…), ist eine Schließung des Polizeipostens Schulgasse ein sicherheitspolitischer Horror."

An die Spitze dürfte es aber die FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel getrieben haben. Als Bezirksvorsteherin machte sie sich für das Bettelverbot stark: "Jemand mit einer rahmenlosen Brille und Handy, der plötzlich Leiden vortäuscht, das unterstütze ich nicht." Im Wahlkampf 2015 spendete sie für die Gruft. Sie musste allerdings mit Scheck und Reportern auf Bitten der Caritas draußen bleiben, offiziell um den Wahlkampf nicht in die Einrichtung zu tragen.

Es ist eine Sache, sich mit sozialem Engagement zu schmücken und viel medialen Wirbel darum zu machen. Aber es ist schon nochmal etwas anderes, wenn man das zum einen mit unwahren Behauptungen und zum anderen mit einer der Aussagen entgegensetzten Politik tut. Es ist zynisch, jahrelang gegen "Sandler" zu hetzen und dann Engagement vorzutäuschen, sobald es opportun ist.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner