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Eine Tour durch die schlimmsten Restaurants von Zürich

Rosso, Lee's Take Away und wo ihr sonst niemals essen solltet.
Foto von Daniel Kissling

Ich hätte es wissen sollen. Natürlich war es eine Fangfrage, als Vice Switzerland-Chefredaktor Till Rippmann an der monatlichen Text-Sitzung in die Runde fragte: „Wer geht gern gratis essen?" Spätestens bei dem sadistischen Grinsen, als ich mich nichts Böses denkend meldete, hätte ich es wissen müssen. Doch mein Magen war schneller als mein Verstand und so fiel sie mir zu, die stolze Aufgabe: Der von Fett, Ekel und selbstzufriedenen Kellnern gesäumte Gang durch die grässlichsten Restaurants Zürichs.

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„Na gut, so schlimm wird das wohl nicht sein", machte ich mir Mut und betrachtete meine Route, die aus dem Fachwissen indigener Zürcher (Es gibt sie wirklich!), Facebook-Kommentaren und Trip-Advisor-Recherche zusammengestellt wurde.

Foto von Benjamin von Wyl

Lange Wartezeiten, versnobbte Bedienungen und teure Preise, vor allem darüber schien man sich in Downtown Switzerland zu enervieren. Um ehrlich zu sein, dachte ich, das alles gehöre eigentlich sowieso schon zu Zürich. Und wenn das alles Schreckliche sein soll, was mich in diesen Mischmasch-Asiaten, Hipster-Italienern und Eidgenoss-Spunten erwartet, dann würde das doch eine ganz gemütliche Unternehmung werden, denn hey! Gratis-Essen! Doch ich hatte mich getäuscht. Es gibt in Zürich auch richtig beschissenes Essen.

New Point

Dieses und alle weiteren Fotos von Daniel Kissling

Wie bereits gesagt: Ich weiss, dass in Zürich alles ein wenig teurer ist als im Rest der Schweiz. Doch ein Kebap ist einfach ein Kebap ist ein Kebap. Oder doch nicht? Als „Ristoranti Pizzerie" bewirbt sich der New Point an der Sihlpost im Internet, doch auf die quietschbunten Bildchen der Gerichte in Leuchtkästen über der Theke will man dann doch nicht verzichten. Schliesslich soll der Kunde auch sicher sein, dass im Falafel-Teller für 19.50 CHF (!) und im Iskender für 29.50 CHF (!!!) auch genügend Farbstoff für den Preis drinsteckt.

So sitze ich als einziger Gast an einem der, gefühlt, 40 leeren Tische, stochere in meinen nur teilweise garen, vor allem nach Bratfett schmeckenden Şiş Kebap-Stückchen herum und versuche herauszufinden, ob nun die in Leder geschlagene Speisekarte oder die unsicher lächelnde Dame, die mir mein Fanta aus der 5dl-PET-Flasche ins verkalkte Glas schenkt, den absurd hohen Preis rechtfertigt.

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Zeughauskeller

Ich muss zugeben: Nur schon die Adresse (Paradeplatz) ruft bei mir Übelkeit hervor. Vis-à-vis von UBS und Credit Suisse, zwischen Gucci, Mont Blanc und Louis Vuitton treffen sich im Zeughauskeller Investmentbanker und Pauschaltouristen in getrennten Gruppen zu Zürcher Geschnetzeltem, Bratwurst mit Rösti und ziemlich schalem Bier (Mein 4dl-Amber schmeckt, als hätte es schon zwei Stunden im Glas auf mich gewartet), um sich gegenseitig zu versichern, wie toll die Eidgenossenschaft doch sei.

Ich bestelle Wurst, die Wurst des Monats aus dem Engadin und zwar mit dem „legendären" (O-Ton Speisekarte) Kartoffelsalat. Der ist auch legendär und zwar legendär schlecht, ein wenig so, als hätte man zum Fertig-Stocki von Knorr Essig statt Muskatnuss hinzugefügt, doch wenigstens kostet er nicht 3.50.- Aufschlag wie alle anderen Beilagen (Dagegen ist das wahrscheinlich schon seit dem Morgen im Körbchen liegende Brötchen für 1.50 fast ein Schnäppchen). Ich schiebe den Teller weg und entschuldige mich in Gedanken bei einer asiatischen Reisegruppe, die gerade die Karabiner, Hellebarden und Ski-Helme an den Wänden bestaunt.

Meine Entschuldigung ist 1. Dafür, dass sie für höchstens mässiges Essen einen übermässig hohen Preis zahlen werden, 2. Dafür, dass ihnen hier das Bild einer Schweiz vorgegaukelt wird, die längst untergegangen ist, sollte sie je existiert haben. 3. Und am meisten dafür, dass viele Schweizer selbst dieses Bild für wahr halten.

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Suan Long

Ich habe keine echten Beweise , doch ich glaube langsam, dass Suan Long—wenn nicht gerade die Weltherrschaft—dann doch die Macht über Zürich (und den Aargau) an sich reissen will. Niemand kann den in Soja und Fett getränkten Fängen von einer der ältesten Asia-Ketten der Stadt entkommen, weder der Börsenmakler an der Selnau-Strasse, noch die gestresste Pendlerin am HB oder der bärtige Grafiker an der Langstrasse.

Die Frage, die ich mir stelle, nachdem mich eine Kellnerin zum dritten Mal wortwörtlich von oben herab anstarrt, ohne mich zu bedienen: Wie machen die das? Wie schaffen die es, mit höchstens durchschnittlichem Essen und einem Service, der unter aller Sau ist, immer noch jede Filiale am Mittag so voll zu bekommen? Einen Vorteil erkenne ich: Trotz der ausufernden Speisekarte muss man sich nicht lange mit der Entscheidung rumschlagen, denn irgendwie schmeckt sowieso alles ziemlich gleich.

Rosso

Kaum ein anderes Restaurant wurde in den Kommentarspalten zu unserem Aufruf so oft erwähnt wie das Rosso, der hippe Italiener im Schatten von Prime Tower und Hardbrücke, zwischen Techno-Schuppen und Start-ups.

Über den schlechten Service, die langen Wartezeiten und die Pizza meckern die User auf den gängigen Bewertungsseiten. Also wissen wir, worauf wir achten sollen, als Benjamin von Wyl, Vice-Redakteur, sowie Event-Masochist aus Leidenschaft und ich in die alte, gut gefüllte Werkhalle eintreten.

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Sofort werden wir von einer netten Kellnerin begrüsst, die uns überhaupt nicht hochnäsig (wirklich nicht!) darauf hinweist, dass wir nur noch 10 Minuten bestellen können (es ist 21 Uhr). Als wir so dasitzen, mit unserem Bier, das ebenfalls nicht lange auf sich warten liess und die Karte studieren, bekommen wir langsam das Gefühl, dass die Kommentare übertrieben waren. Gut, die Preise sind happig, meine Pizza Bianco mit Salsiccia kostet 27 Franken und dass die Zutaten nur auf italienisch abgedruckt sind, ist zwar authentisch, aber nicht gerade hilfreich. Alles in allem ist es aber ganz nett hier.

Doch dann kommt das Essen. Während Benj sich über seine eher mickrige Portion Ravioli beschwert, beschaue ich meine Pizza. Pinkige Fleischhäufchen liegen zwischen schlappen Spinatfäden auf weissem Käse und ich brauche eine Weile, um zu verstehen, dass diese Klümpchen, die ausschauen, als hätte sie vor mir schon jemand zu sich genommen und dann wieder ausgekotzt, die Salsiccias sein sollen.

Konsequenterweise schmeckt das Ganze dann auch genau so. Grässlich. Nicht misslungen, zu wenig oder zu viel gewürzt, sondern aus tiefstem Herzen grässlich. Nicht wie eine durchschnittliche Pizza, sondern wie ein ausgetüfteltes Konzept-Gericht, dessen Konzept vollkommen danebenging. Bis zum kommenden Nachmittag konnten wir nichts zu uns nehmen. Das steinharte Parfait und die Rotwein-Birne, die schmeckt, als hätte man die Luft in einem Reformhaus in ein Gericht verwandelt, ist danach nur noch das Tüpfelchen auf dem I in Igittigitt!

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Lee's Take Away

Was ich in meinem kulinarischen Leben unter anderem gelernt habe: Gerade die kleinen, etwas schäbig wirkenden Imbisse in einer Seitenstrasse können leckeres Essen machen, ja sind sterilen Ketten oft vorzuziehen. Leider ist das bei Lee's Take Away im Niederdorf, gleich um die Ecke vom Saufladen Double-U, nicht der Fall. Von den unzähligen, vergilbten A4-Zetteln auf buntem Papier, auf welchem die Gerichte in bester Word-Art-Gestaltung prangen und von denen jedes zweite behauptet, es sei der „HIT!", wähle ich die knusprige Ente mit Jasminreis.

Schnell, zu schnell, steht dann der Teller, über dessen Rand die braune Sauce schwappt, vor mir und als ich zur Küche aufschaue, wischt der Koch bereits mit einem Haushaltspapier den einzigen Wok, den ich in der Küche entdecken kann, aus. Dann schmeisst er die nächste Bestellung rein. Vielleicht liegt es daran, dass die nicht wirklich knusprige Ente, das verdächtig gleichmässig geraspelte Gemüse und der Klumpen Reis auf dem überfüllten Teller nach Fisch schmecken.

Als dann ein edel gekleidetes asiatisches Pärchen in den Imbiss tritt, entscheide ich mich zu gehen. Ich hätte es nicht ertragen können, ihre Enttäuschung darüber wie in der Schweiz ihre Esskultur vergewaltigt wird, mitzuerleben. Es wäre zu viel für mich und meinen Magen, in dem die paar Happen Ente schwer obenauf schwimmt.

Fazit
Ich bin kein Edel-Gourmet. Von gebratener Entenleber bekommt mein Magen zwar einen multiplen Orgasmus, aber den bekommt er auch von einer Findus-Tiefkühl-Lasagne. Aber ich kann es nicht ändern: Mein Magen hasst jetzt Zürich. Teuer und versnobbt—das gängiste Zürcher Klischee—wird von den schlimmsten Gaststuben der Stadt bestätigt. Überrascht hat mich das nicht.

Aber dass sie auch wirklich übles Essen servieren, hat mich schockiert. Was ich nicht verstehe: Wieso laufen die meisten dieser Restaurants so gut? So bewundere ich die Betreiber dieser Lokale fast. Sie können das, was sie machen, nicht, geben sich zum Teil nicht einmal Mühe und verdienen trotzdem Geld damit. Qualität setzt sich durch? Ich habe meine Zweifel.

Kissi auf Twitter: @kissi_dk

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland