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Drogen

Die unheiligste Messe des Jahres: Mary Jane Berlin

Cannabis bleibt verboten, aber auf der neuesten Berliner Hanf-Messe kann man sich schonmal auf die Zeiten nach der Legalisierung vorbereiten.
Symbolbild: Soweit wir wissen, hat niemand der Abgebildeten etwas mit Hanf, Cannabis oder eine Hanf-Messe zu tun | Foto: imago | epd

Symbolbild: Soweit wir wissen, hat niemand der Abgebildeten etwas mit Hanf, Cannabis oder einer Hanf-Messe zu tun | Foto: imago | epd

Zur Zeit sind die Plakate zur "Mary Jane Berlin", die mit einem großen Hanf-Blatt zur ersten deutschen Cannabis-Fachmesse seit 13 Jahren in die Hauptstadt laden, in Berlin kaum zu übersehen. Wer noch nie auf einer der mittlerweile zahlreichen Hanf-Messen in Spanien, Österreich, Tschechien oder Italien war, könnte sich fragen, was denn dort angesichts der Illegalität von Cannabis überhaupt angeboten wird. Denn Stände, an denen man die neuesten Sorten aus den Niederlanden oder Marokko testen kann, wird es am letzten Maiwochenende im Berliner Postbahnhof definitiv nicht geben. Im Prinzip ist so eine Weed-Messe ein Stelldichein der Grow- und Headshopszene, umrahmt von ein paar verstreuten Nutzhanf-Produkten zum Essen, Dämmen und Anziehen, zahlreichen NGOs auf der Ausstellerseite sowie Cannabis-Patienten, einer Menge Kiffer und Grower im Publikum.

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Anders als bei anderen Fachmessen gibt es auf Hanf-Messen keinen Tag, der nur für Händler reserviert ist, weil es auch darum geht, Publikum und Öffentlichkeit für eine Normalisierung zu gewinnen und durch Evidenz basierte Information und ein professionelles Auftritt dem Kiffer-Klischee etwas entgegenzusetzen. So tummeln sich neben den üblichen Verdächtigen mittlerweile immer mehr Menschen auf Europas Cannabis-Messen, die vorher wenig mit Gras anfangen konnten und die so gar nicht mehr ins ohnehin überholte Bild des typischen Stoners passen.

Das Cannabis-Verbot gibt es ja auch noch

Durch den ganzen Weed-Hype der letzten Monate muss man trotzdem daran denken, dass sich die Messe um den Anbau und den Konsum eines eigentlich noch verbotenen Produkts dreht. Deshalb sind auch alle ausgestellten Pfeifen offiziell nur für Tabakrauchende oder Cannabis-Patienten gedacht, die Growlampen, -zelte und Spezialdünger dienen der Indoor-Zucht eben jener Heilkräuter, die auf den Werbeplakaten neben Cannabis eine kleine Erwähnung finden. Will man vom Aussteller wissen, wie man denn mit dem Kram am besten Gras anbauen könnte, wird der entsetzt schauen und antworten, der Anbau von Weed und eine theoretische Beratung dazu seien illegal.

Denn in Deutschland versucht man seit nunmehr 20 Jahren, die stetig wachsende Zahl von Hobbygärtnern mit dem Strafgesetzbuch einzuschüchtern: Nachdem die ersten Shops Mitte der 1990er Jahre das in den Niederlanden entstandene Geschäftskonzept erfolgreich kopiert hatten, wurden die bis dahin legalen Grassamen mit grüner Unterstützung aus dem Bundesrat in einem Handstreich verboten. Weil das Saatgut jedoch in allen Nachbarländern weiterhin legal war, wurden die verbotenen Samen fortan versandkostenfrei übers Netz bestellt. Die bis dahin in Deutschland ansässigen Firmen zogen nach Spanien. Viele Grower sind dann von der Zucht aus Samen auf Mutterpflanzen und Ableger umgestiegen und haben so dank des Samenverbots ihre Technik verbessert und die Erträge gesteigert. Die auch hierfür notwendigen Samen gab und gibt es weiterhin problemlos online oder im Spanien-, Polen- oder Belgien-Urlaub.

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Damals gab es mit der „Cannabusiness" die

erste Hanf-Fachmesse in Deutschland

, die im Jahr 2003 sogar Konkurrenz von der Berliner „Interhanf" bekommen hatte. Doch wie bei so manchem Boom waren zwei Messen zu viel des Guten und beide gingen am mangelnden Publikums- und Händlerinteresse bankrott. Zudem hatte Deutschland durch das Hanf-Samenverbot einen Standortnachteil, denn ohne die einzigen finanzstarken Global Player der Szene, den großen Samenhändlern wie Sensi Seeds oder Greenhouse Seeds, war es damals kaum möglich, eine solche Veranstaltung auch wirtschaftlich zu stemmen. Die Lücke einer deutschsprachigen Messe wurde kurz darauf

von der Wiener Cultiva perfekt gefüllt

, sind doch in Österreich nicht nur Samen, sondern auch

nicht blühende Hanf-Pflanzen legal

, aus den man richtiges Gras züchten könnte.

Fast zur gleichen Zeit hatte die Staatsanwaltschaft Aachen die Aktion "Sativa" ins Leben gerufen, in deren Rahmen bei über 300 Hobbygrowern, die im EU-Ausland Samen bestellt hatten, Hausdurchsuchungen stattfanden. Die Ausbeute damals war lächerlich und Deutschlands Grower und Growshops waren lediglich kurz geschockt, bevor es wie gewohnt weiterging. Der letzte Versuch, die Szene massiv einzuschüchtern, liegt erst zwei Jahre zurück. Damals gerieten zahlreiche Shops in Bremen und Hannover sowie deren Angestellte und Kunden ins Visier von Staatsanwaltschaft und Polizei. Inhaber und Angestellte sollen einige Kunden direkt zum Anbau von Cannabis beraten haben. Die Prozesse laufen bis heute, die Shops sind weiterhin geöffnet und Bremen will Cannabis zum Eigenbedarf auch zum Anbau legalisieren, während Bremer Growshopbesitzer gerade um ihre Existenz kämpfen.

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Doch all die kläglichen Versuche, den Grasanbau in Deutschland zu verhindern oder gar einzudämmen, werden durch die wachsende Zahl an Shops und Kunden konterkariert, was sich wunderbar an der Statistik zu hochgenommenen Hobbygrowern ablesen lässt.

Anders als noch vor 20 Jahren sind Hanf-Messen heute keine überdimensionalen Kiffertreffen mehr, sondern seltene Auftritte einer aufstrebenden Branche, der nicht nur aufgrund der Entwicklung in den USA und der Aussicht auf die ersten legalen Blüten aus deutschen Landen eine blühende Zukunft vorausgesagt wird.

Ich habe mich mit dem Schöpfer der Mary Jane Berlin in einem Café getroffen. Duc ist Ende 20 und hatte bisher noch nie was mit Gras zu tun. Zumindest beruflich, wie er beim Warm-up für unser kurzes Interview beteuert.

VICE: Wie bist du auf die Idee gekommen, in Berlin eine Cannabis-Fachmesse ins Leben zu rufen?
Duc: Ich habe eine Weile in Seattle gelebt. Da ist Gras legal und Hanf-Messen sind ganz gewöhnliche Businessveranstaltungen. Das war schon vor der Legalisierung von Weed dort so, denn Cannabis als Medizin ist in Washington State schon länger legal. Ich habe mir gedacht, dass der Markt mit den höchsten Wachstumsquoten in den USA auch hier eine Chance haben sollte.

Hat deine Entscheidung auch etwas mit der momentanen, Pro-Cannabis-Stimmung oder der Gesetzesänderung zu medizinischem Cannabis zu tun?
Ersteres ja, denn ich habe durch die Medien gemerkt, dass Cannabis auch hier ein heißes Thema wird, ohne mich vorher irgendwie mit de Hanf-Szene beschäftigt zu haben. Die Gesetzesänderung zur medizinischen Verwendung kam ja erst während unserer Messevorbereitungen im Dezember. Die hat nichts damit zu tun. Aber natürlich werden wir zahlreiche Stände, Experten und Vorträge vor Ort haben, die sich dem Thema ausführlich widmen.

Wird es echte Pflanzen oder Samen geben?
Natürlich nicht, das ist in Deutschland nicht erlaubt. Trotzdem kommen auch viele Seedbanks, um ihre Strains [Sorten] zu präsentieren. Gras, Pflanzen oder Samen gibt es leider nur auf Fotos.

Darf gekifft werden?
Nein, denn die gesamte Halle wird komplett rauchfrei sein, aber: Wir erwarten auch zahlreiche Cannabis-Patienten, die dürfen natürlich vaporisieren und draußen im Raucherberich auch kiffen. Zum Thema Vaporisieren wird es auch einen Workshop mit Cannabis-Patienten geben [Anm.d.R: den Michael Knodt, der Autor dieses Textes, leiten wird].