Heulsuse der Woche

Heulsuse der Woche: Ex-Bundespräsident Gauck vs. ängstlicher Rottweiler

Joachim Gauck zieht eine Grenze, wenn es um Burger geht, und ein Rottweiler springt aus dem Fenster, weil sein Besitzer staubsaugt.
Ex-Bundespräsident Joachim Gauck vs. ängstlicher Rottweiler
Gauck: imago images | CTK Photo || Rottweiler: imago images | Nature Picture Library || Burger: Pixnio

Diese Woche sehen sich unsere Kandidaten nicht nur ähnlicher als gedacht, sie hatten auch beide Angst.

Heulsuse #1: Ex-Bundespräsident Joachim Gauck

Der Vorfall: Ex-Bundespräsident Joachim Gauck isst gerne Pellkartoffeln mit Quark, Bratkartoffeln mit Hering, Grützwurst oder Blutwurst. Burger hingegen seien ihm fremd, verriet er am Dienstagabend in Berlin: "Ich habe ja bis heute noch keinen Burger gegessen, viele Döner, aber noch keinen Burger."

Die angemessene Reaktion: Geschichtsunterricht! Ja, die Burgerschwemme, die sich derzeit durch die Fußgängerzonen aller deutschen Großstädte spült und nichts als Fettgriffel und leerstehende Restaurants im Industrial-Chic hinterlässt, nervt. Aber, lieber Joachim Gauck, der erste Burger wurde um 1900 von einem deutschen Auswanderer namens Louis Lassen in New Haven, Connecticut, gebraten. So lautet zumindest eine von einem halben Dutzend Schöpfungsmythen des Burgers. Nennen Sie es Bulette, gebratenen Hackepeter oder meinetwegen auch Frikadelle im Brötchen. Plötzlich ist der Burger urdeutsch! Schmeckt's so besser?

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Auch bei VICE: So machst du einen blutroten Veggie-Burger.


Die tatsächliche Reaktion: Grenzziehung. Gauck selbst käme ja aus Mecklenburg, sagt er, und sei erst nach dem Mauerfall nach Berlin gezogen. "Nun kommst Du hierher – alles voller Dönerbuden. Was ist das, Döner?" Die esse er ja mittlerweile, fügt er hinzu, und er sei sogar schon mal "beim Ägypter" gewesen, aber: "Irgendwo muss eine Grenze sein."

Ach, ja? Joachim Gauck, 79 Jahre alt, kriegt das mit den Grenzen einfach nicht aus sich raus. 2015 hat er sich in einer Rede bei den vielen Freiwilligen bedankt, die Geflüchtete unterstützen, und sagte: "Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich." Mit seinem Magen scheint es ihm ähnlich zu gehen. Schade. Schwach. Denn: Warum eigentlich? Man kann doch wirklich alles mal probieren. Es spricht nichts dagegen, mehr als einem Menschen zu helfen und es spricht auch nichts dagegen, alles zu probieren, was einem zwischen die Zähne kommt, außer es ist ein Fliegenpilz.

Vielleicht liegt es am Alter. Man muss das mal so sehen: Wer schon eine zeitlang lebt, der hat schon viel geschmeckt. Suppina-Suppen in den 50ern, Wackelpudding in den 60ern, Falscher Hase in den 80ern. Irgendwann weiß man, was man mag, und worauf man verzichten kann. Da will man einfach nicht mehr kosten, da will man es einfach einfach haben.

Gauck hat in seinem Leben viel Gutes getan. Die Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Akten wurde sogar nach ihm benannt, "Gauck-Behörde", und er war ein okayer Bundespräsident. So lange, bis er eben nicht mehr wollte. Auch hier: einfach mal ne Grenze ziehen.

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"Fremdheitsgefühle seien eigentlich normal", hat Gauck am Dienstag noch gesagt. Man dürfe das Fremde nur nicht gleich hassen und ablehnen. Solltest du ein Burgerrestaurant besitzen und das hier lesen, melde dich doch bei VICE. Vielleicht probiert er ja doch noch, und dann wären wir gern dabei.

Heulsuse #2: Der verängstigte Rottweiler von Zellerau

Der Vorfall: Ein Rottweiler ist aus dem Fenster einer Dachgeschosswohnung gesprungen, weil sein Besitzer, ein zwölfjähriger Schüler aus Zellerau bei Würzburg, den Staubsauger angeschmissen hat.

Die angemessene Reaktion: Vorweg: Es soll hier um den Hund gehen, nicht um den Jungen. Der Schüler ist nämlich todesmutig hinterher gesprungen, um seinen Panikbello zu beruhigen. Was aber hätten wir von dem Rottweiler erwartet? Keinen Sprung aus dem Fenster, nein, sondern Angriff. Zerbissenes Plastik, Staubsaugerbeutel in Fetzen, kissenschlachtartiges Chaos unterm Dach.

Die tatsächliche Reaktion: Ein rettender Hechtsprung aufs Vordach. Mensch und Tier warteten dort, bis Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst mit Großaufgebot und Sprungtuch auf der Straße standen. Eine junge Polizeianwärterin rettete den Hund, indem sie auf eine Drehleiter stieg, ihm eine Leine umlegte und das Tier zurück in die Wohnung gezuppelt werden konnte.

Ungewöhnlich für einen Rottweiler, wird sein Wesen in seiner Rassebeschreibung doch als "selbstsicher, nervenfest und unerschrocken" dargestellt. Aber: Wieso sollte ein jeder Rottweiler zurückkläffen, wenn er von einem Staubsauger angeheult wird? Das Recht auf Angst ist jedem Lebewesen vorbehalten, ob Chihuahua oder Rottweiler. Letztlich ist das doch bloß eine Fabel auf Klischees. Jeder Hund ist anders und hinter festen Muskeln verbirgt sich eben oft ein weiches Herz. Also, heul ruhig, Rotti. Wein dich mal so richtig aus.

Und jetzt seid ihr dran: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*

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