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Popkultur

Diese Leute teilen immer noch nervige Kettenbriefe auf WhatsApp

Ja, ja, auch deine Mutter hat vielleicht gerade einen dabbenden Weihnachtsmann als Profilbild auf WhatsApp. Damit ist sie nicht alleine. Leider.
Weihnachtsmänner auf WhatsApp
Collage bestehend aus:  Hand: imago | Revierfoto || Weihnachtsmann: imago | Photocase

Auf WhatsApp geht derzeit ein Kettenbrief in Form eines Rätsels um und das geht so: "Du kommst in ein Zimmer. Auf dem Bett liegen 2 Hunde und 3 Katzen. Der Weihnachtsmann, ein Esel und 5 Rentiere stehen da auch rum. 3 Tauben und eine kleine Ente fliegen durch die Gegend … so! Wie viele Füße stehen im Zimmer?"

Wir spoilern das jetzt schamlos: Die angeblich einzig richtige Antwort lautet: acht. Zwei von dir, zwei vom Weihnachtsmann und vier vom Bett. Rentiere und Esel haben Hufen, logisch.

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Wer das Rätsel falsch löst, muss zur Strafe drei Tage lang ein Bild eines dabbenden Weihnachtsmanns als Profilbild verwenden. Und während du noch amüsiert "Haha, ja klar, wie bescheuert, sowas macht doch eh keiner" denkst, merkst du, dass in deiner WhatsApp-Familiengruppe schon jede Menge Weihnachtsmänner dabben. Beschämt musst du akzeptieren, dass du statt Digital Native eher digital naiv bist: Der WhatsApp-Kettenbrief ist die Hydra des Netz-Humors. Für jeden vernichteten Brief wachsen zwei neue nach.

Aber welche Menschen sind das, die noch immer Kettenbriefe, Rätsel und "lustige Videos" durch die Welt schicken? Wir haben fünf Typen identifiziert.

Die (Schwieger)eltern

Der Klassiker, allein wegen des Alters. Wie wir wissen, stecken viele unserer Eltern in einer anhaltenden digitalen Pubertät. Während wir schon jedes Meme kennen, nach Emojis wieder bei oldschool Zwinker-Smileys angekommen sind, und niemals den WhatsApp-Status aktualisieren, weil wir ja Instagram-Stories haben, nutzen unsere Eltern ihr Smartphone und das Internet noch wie Kinder. Jeder Heimatbesuch fühlt sich deshalb an wie ein Vormittag in der Medienkompetenz-Kita: "Nein Papa, teile das nicht in der Gruppe", "Niemand schreibt mehr 'hdgdl'", "Glaub mir Mama, die Karibikkreuzfahrt für 300 Euro in der Bannerwerbung ist garantiert Betrug." Aber es hilft nichts: Im Internet sind viele Eltern wie Kinder auf dem Jahrmarkt, alles muss mitgenommen werden. Kettenbriefe auf WhatsApp sind für sie wie digitale Zuckerwatte. Sie werden magisch davon angezogen und es stört sie nicht, wenn sie jeden Chat verkleben.

Die Vergesslichen

Ein Wort: Giraffen. Na, klingelt's? Das Weihnachtsmann-Rätsel gab es in fast genau derselben Form schon einmal vor drei Jahren. Damals sollte man statt einem Weihnachtsmann eine Giraffe als Profilbild einrichten. Dass viele Menschen das schlicht vergessen haben und den gleichen Mist jetzt tatsächlich noch einmal mitmachen, lässt sich mit der grassierenden Online-Vergesslichkeit erklären. Wer soll heute noch wissen, was er oder sie vor drei Jahren in eine von dutzenden kurzlebigen WhatsApp-Gruppen gepostet hat, aus der nach und nach alle kommentarlos ausgetreten sind? Zu viele Memes, zu viele Gags, zu viele lustige Videos müssen wir mit unserer immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne bewältigen, da ist es nicht überraschend, dass…. oh, ein dabbender Weihnachtsmann!

Die Influencer

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Influencer und Influencerinnen machen jeden Mist mit. Wirklich jeden. Es ist ja auch ein schwerer Job, die nach Content lechzende Gefolgschaft täglich in der App zu halten. Wenn alle Produkte des Tages platziert wurden, müssen sie gucken, was noch zur Unterhaltung übrig bleibt. Zum Beispiel Kettenbriefe. Am Sonntagabend hat deshalb Julian Claßen, besser bekannt als Julienco, noch besser bekannt als der Ehemann von Deutschlands Super-Influencerin Bianca 'Bibi' Heinicke, das Weihnachtsmann-Rätsel mitgemacht – und das Ganze über eine Instagram-Story an seine 4,6 Millionen Follower verbreitet. "Ein richtiges Scheißspiel", resümiert Julienco. Und filmt noch sein Boxspringbett, um zu zeigen, dass es gar keine Füße hat und die mutmaßlich richtige Antwort deshalb gar nicht stimmen kann. Verbreitet hat er das "Scheißspiel" durch seine Story natürlich trotzdem. Und damit im schlimmsten Fall 4,6 Millionen Menschen mehr beeinflusst. Danke für nix, Julian.

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Die Gruppengezwungenen

Gruppenzwang nervt, das weiß jeder spätestens nach der fünften Pfeffi-Runde auf der WG-Party. Doch während ihr euch noch mit einer erfundenen Pfefferminz-Unverträglichkeit aus der Situation wieseln könnt, haben es eure jüngeren Geschwister oder die Kinder von Bekannten schwieriger. Als Teenager befinden sie sich im täglichen Kampf um Anerkennung und Gleichstellung. Deshalb sind Kettenbriefe und "lustige Memes" so perfide für die jüngeren WhatsApp-Nutzer und -Nutzerinnen: Sobald die ersten Freunde den neuen Fortnite-Tanz feiern, können sie nicht zugeben, immer noch Minecraft zu spielen. Und sobald die ersten Weihnachtsmann-Rätsel die Runde machen, können sie nicht einfach sagen, wie idiotisch sie das finden. Sondern müssen mitmachen. Prost!

Die Ironischen

Die Menschen dieser Gruppe würden niemals einen Kettenbrief auf WhatsApp teilen. Außer ironisch. Sie wissen, wie nervig solche Inhalte sind. Sie wissen, dass ein Bild eines dabbenden Weihnachtsmanns möglicherweise urheberrechtlich geschützt ist und allein deshalb nicht einfach als Profilbild verwendet werden sollte. Wenn sie das Rätsel teilen, dann nur aus Kritik am Verfall des Internethumors, der früher™, als die Memes noch in IRC-Channels geteilt wurden, so viel besser war. Sie dekonstruieren das Weihnachtsmann-Rätsel auf seine Schwachsinnigkeit hin und schreiben anschließend in einen ironischen Tweet, wie peinlich die ganze Sache doch sei. Und verfassen danach vielleicht noch einen Artikel für ein Online-Magazin.

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