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Sexuelle Belästigung ist ein viel größeres Problem als ihr glaubt

Das Ansprechen von sexueller Gewalt gegen Frauen darf kein Tabu sein. Deswegen wollen wir #NichtMehrWegschauen.

v.l.n.r.: Ingrid Thurnher (ORF), Corinna Milborn (Puls4), Barbara Kaufmann (freie Journalistin), und Hanna Herbst (Vice). Foto: Falter

Im Falter dieser Woche berichten vier bekannte Journalistinnen über die sexualisierte Gewalt, die sie tagtäglich im Netz für ihre Arbeit erfahren. Während Hasspostings von männlichen Kollegen thematisiert würden, würden Frauen über die Gewalt schweigen, meint Corinna Milborn in ihrem Text: "Sie gehören quasi zum Job. Wir ignorieren sie oder lachen sie weg. (…) Wer darüber spricht, mindert sein eigenes Ansehen." Der wenig hilfreiche Rat "If you can't stand the heat, get out of the the kitchen" dürfe in diesem Fall nicht als Argument gelten, erklärt Barbara Kaufmann in ihrem Beitrag.

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Würde man das ernst nehmen, müssten wohl alle Journalistinnen den Beruf wechseln, weil "Vergewaltigungsdrohungen gehören mittlerweile zum Job dazu". Kaufmann schreibt weiter: "Es ist an der Zeit, sich zu fragen, ob man die Bedrohung von Kolleginnen weiterhin als Teil des Jobs akzeptiert oder ob man sich zusammenschließt und ein kritisches Bewusstsein für einen eigentlich unhaltbaren Zustand schafft, um tatsächlich bei Behörden und Politik eine Veränderung zu bewirken."

Die Anfeindungen gegen und der Text von Hanna Herbst über rechte Vergewaltigungswünsche war Ausgangspunkt für eine Diskussion auf Twitter.

Dieser Zusammenschluss scheint nun gefunden. Nach der Falter-Titelgeschichte entflammte dank der Aktions-Plattform #Aufstehn ein #solidaritystorm für die vier Kolleginnen. Fast 10.000 Menschen haben die Petition bisher unterschrieben. "Es ist wichtig und richtig, über dieses Thema, das viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat, zu sprechen und so eine Bagatellisierung zu verhindern", meint Maria Mayrhofer von #Aufstehn zu VICE, "wir wollen den Betroffenen zeigen, dass wir ganz, ganz viele sind, die hinter euch stehen. Lasst euch nicht unterkriegen!" Unterstützung bekommt sie von der designierten Frauenministerin Sabine Oberhauser (SPÖ), die die mediale Thematisierung begrüßt. Denn: "Das größte Problem bei Gewalt im Netz ist, dass Frauen sich zum Teil genieren und nicht offen darüber zu sprechen trauen."

Ein Grund dafür ist wohl, dass Opfer von sexueller Belästigung oft nicht ernstgenommen werden. Die Gewalt wird somit verharmlost. "Das sind die Meinungen", schreibt unsere Hanna in ihrem Beitrag für den Falter, "die dafür sorgen, dass ich mich manchmal ergebe." In der Redaktion sind wir uns schon länger einig, dass das nicht sein sollte.

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Vor zwei Wochen entschlossen wir uns daher, sexuelle Belästigung zu einem Schwerpunkt-Thema unserer Berichterstattung zu machen. Mit der Hashtag-Aktion #NichtMehrWegschauen wollten wir die nötige öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Dass es dank dem Falter nun gelungen ist, das Thema breit zu diskutieren, freut uns sehr.

Bei sexueller Belästigung darf nicht mehr weggeschaut werden! — Vice Austria (@ViceAustria)6. Juni 2016

Gleichzeitig möchten wir die Debatte um eine Sache ergänzen. Es war gut und wichtig, dass vier prominente Journalistinnen das Thema auf die Agenda brachten. Der #solidaritystorm sollte aber auch alle nicht prominenten Opfer zu Gute kommen. Opfer von sexueller Belästigung sollen sich nicht allein gelassen fühlen. Das Thematisieren soll kein Tabu sein.Es ist deshalb an der Zeit, das Schweigen zu brechen und breit Solidarität zu zeigen, um nachhaltig etwas zu ändern.

Daher, liebe Leser, helft uns dabei, dieses Thema bestmöglich abzubilden, indem ihr unsere eure Erfahrungen mit sexueller Belästigung im öffentlichen Raum vertraulich per Mail (NichtMehrWegschauen@vice.at) erzählt oder ihr euch öffentlich mit der Sache solidarisiert. Jeder Übergriff, jede Belästigung hat Aufmerksamkeit verdient. Wir sollten #NichtMehrWegschauen.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner