Diese Persönlichkeitszüge machen dich vielleicht böse
Serienmörder Ted Bundy wird aus dem Gerichtsgebäude gebracht | Foto: Ross Dolan | Glenwood Springs Post Independent via AP 

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Verbrechen

Diese Persönlichkeitszüge machen dich vielleicht böse

Die schlimmsten Verbrecher aller Zeiten haben gewisse Charaktereigenschaften gemeinsam. Michael H. Stone, der Autor des Buchs 'The Anatomy of Evil', erklärt uns welche.

Eine Skala des Bösen mit 22 Abstufungen. Als die New York Times 2005 über dieses Modell berichtete, wurde dessen Verfasser Michael H. Stone schlagartig berühmt. Der Professor der klinischen Psychiatrie interviewte als Moderator der TV-Serie Most Evil Massenmörder und andere Schwerverbrecher, 2009 veröffentlichte er sein erstes Buch The Anatomy of Evil, das gerade neu aufgelegt wird. Darin beschäftigt er sich mit dem Wesen des Bösen und untersucht, welche Gemeinsamkeiten einige der schlimmsten Menschen der Geschichte haben.

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Stone ist Spezialist für Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Er wurde schon häufig als Experte bei Gerichtsverhandlungen befragt und kennt das gesamte Spektrum: von "lediglich" antisozialen Personen bis hin zu kompletten Psychopathen. Menschen, die die Gesellschaft als böse abstempelt, weil sie trotz der Abscheulichkeit ihrer Taten kaum Reue zeigen.

Stone ist fasziniert von starken Persönlichkeitsabweichungen, die zu unvorstellbarer Grausamkeit führen, Narzissmus und Aggression macht er als die beiden Hauptcharakterzüge aus, die das Böse definieren. Irgendwann begann er dann damit, die allgemeinen Urformen des Bösen zu einer Skala zusammenzufassen. Anlässlich der Neuauflage des Buches wollten wir von ihm wissen: Werden Menschen böse geboren? Wer ist der böseste Mensch, mit dem er sich je beschäftigt hat? Und wie könnte es das Justizsystem beeinflussen, wenn wir die Ursachen des vermeintlich Bösen besser verstehen?


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VICE: Werden manche Menschen einfach böse geboren?
Michael H. Stone: Ich glaube, dass manche Menschen mit einer Tendenz geboren werden, Böses zu tun. Als "böse geboren" würde ich das jedoch nicht bezeichnen, sie sind ja nicht dazu bestimmt. Es gibt jedoch Menschen – mehr Männer als Frauen – ohne Mitgefühl und Erbarmen. Sie können keine Liebe empfinden oder tiefe Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen. Sie sind kaltherzig, tun schlimme Dinge und haben keine Gewissensbisse. Sie weisen psychopathische Züge auf. Bei solchen Menschen ist es wahrscheinlicher, dass sie etwas machen, das wir als böse ansehen.

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Welche Gemeinsamkeiten haben solche Menschen?
Viele der Männer und Frauen, die Böses tun, sind in schwierigen und gewalttätigen Verhältnissen aufgewachsen. Sie wurden vielleicht nicht mit der Tendenz geboren, psychopathisch und kaltherzig zu sein. Aber das ganze Leid ihrer Kindheit und Jugend hat das Gute in ihnen vernichtet.

Ian Brady und Myra Hindley, die "Moor-Mörder" | Foto: Press Association via AP Images

Wieso haben sie Ihre Skala des Bösen entwickelt?
1987 sagte ich als Experte bei der Gerichtsverhandlung von Jeffrey MacDonald aus. Er hatte seine Frau und seine Kinder ermordet und ich sollte sein Verbrechen für die Geschworenen in ein Spektrum einordnen. So begann ich mit der Einteilung.

MacDonalds Tat war viel schlimmer als zum Beispiel die von Jean Harris. Als diese herausfand, dass ihr Mann sie betrogen hatte, wurde sie sehr depressiv und wütend und erschoss ihn – ein Verbrechen aus Leidenschaft. Die sind noch am wenigsten böse.

Am anderen Ende des Spektrums stehen die Taten des Schotten Ian Brady: Zusammen mit seiner Freundin Myra Hindley lockte er ab 1963 fünf Kinder und Jugendliche an verlassene Orte und erwürgte sie. Dabei nahm er ihre Schreie auf Kassetten auf, um sie später beim Sex als Turn-On anzuhören. Damals waren das die schlimmsten Verbrechen, von denen ich je gehört hatte. Deshalb ordnete ich es auch dementsprechend ein. Gewaltverbrechen sind immer schlimm, aber es gibt Abstufungen. Daher entwickelte ich die sogenannte "Gradations of Evil"-Skala.

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David Parker Ray bei seiner Gerichtsverhandlung im Jahr 1999 | Foto: AP Photo/Adolphe Pierre-Louis, Pool

Für Ihr Buch haben Sie sich mit mehr als 600 Gewaltverbrechern beschäftigt. Wer war dabei der böseste Mensch?
Wohl David Parker Ray. Er hat einen großen Autoanhänger in eine Folterkammer umgebaut. Darin fesselte er Frauen und las ihnen anschließend ein 17-seitiges Dokument vor, in dem alle schrecklichen Dinge standen, die er ihnen dann wirklich antat. Aber auch John Ray Weber aus Wisconsin war extrem grausam: Er hat bei seinen schrecklichen Verbrechen zum Beispiel die Geschlechtsteile seiner Opfer zerstückelt.

Was Bosheit und Brutalität angeht, die man anderen Menschen antun kann, sind mir diese beiden Männer besonders stark im Gedächtnis hängengeblieben. Im neuen Epilog meines Buchs schreibe ich auch über Verbrechen, die so vorher noch nie passiert sind. Seit 1987 gab es beispielsweise ungefähr 21 Frauen, die Hochschwangere getötet und dann die lebenden Babys aus deren Bäuchen rausgeschnitten haben. Vor 1987 hatte es meinen Recherchen nach keinen einzigen solchen Fall gegeben. Das Ganze ist eine neue Form des Bösen.

Wo auf der Skala liegen berüchtigte Mörder wie Charles Manson oder der "Killer-Clown" John Wayne Gacy?
Manson würde ich eher weiter unten einordnen, weil er "nur" andere Menschen zum Töten animiert hat. OK, ein oder zwei Morde gehen auch auf sein Konto, aber er war dennoch mehr eine Inspiration für die Anhänger seiner Sekte, die die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate mit den Worten "Stirb, Schlampe!" umbrachten. Diese Tat ist schon sehr böse und fällt auch ans extreme Ende der Skala. Manson selbst zeigte nie so viel Herzlosigkeit und Hang zur Folter. Es war gar nicht so einfach, ihn einzuordnen.

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Gacy entführte mindestens 33 Jungen und junge Männer, vergewaltigte und tötete sie bei sich zu Hause und versteckte die Leichen dann unter seiner Veranda. Mörder wie Gacy sind auf der Skala schon weit oben anzusiedeln, aber nicht ganz so weit oben wie beispielsweise David Parker Ray. Der baute ja extra eine Folterkammer, fügte seinen Opfern unvorstellbare Schmerzen zu und ging in der Folter richtig auf.

Ein Diagramm aus The Anatomy of Evil | Bild: bereitgestellt von Prometheus Books

Welche Auswirkungen hätte es auf das Justizsystem, wenn wir die Ursachen des Bösen besser verstehen würden?
Man muss sich erstmal 100-prozentig sicher sein, dass der Täter auch wirklich der Täter ist. Ich finde, bei Menschen mit extremem Hang zur Folter – wie David Parker Ray – ist eine lebenslange Haftstrafe oder gar die Todesstrafe schon angebracht. In den vergangenen 30 oder 40 Jahren ist aber ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Selbst bei vergleichbar grausamen Verbrechen fordert man solche Höchststrafen immer seltener. Dem Justizsystem sind unsere Diagnosen leider relativ egal.

Wie steht es um Menschen, die schon in jungen Jahren zum Bösen tendieren?
Richter sind oft der Meinung, dass Jugendliche niemals viele Jahre oder gar ihr ganzes Leben hinter Gittern verbringen sollten. Sie können sich ja noch bessern. Das trifft jedoch nicht immer zu, es gibt auch Kinder, die abgestumpft und emotionslos sind. Diese Kinder sind fähig, anderen Menschen unglaublich schlimme Dinge anzutun. Wenn sie 17, 18 oder Anfang 20 sind, entwickeln sie sich zu Psychopathen – ohne Chance auf Besserung. Diese Tatsache sollten Richter berücksichtigen.

Was bedeutet das für die Verurteilung und Behandlung von jungen Straftätern?
Wir sollten solche Kinder strenger bestrafen. Bei jungen Straftätern, die wirklich eine Chance auf Besserung haben, kann man ruhig milder vorgehen, aber nicht bei denen, die kaltherzig und mit psychopathischen Tendenzen schlimme Dinge tun. Man muss psychiatrischen Diagnosen mehr Beachtung schenken, nicht nur dem Alter.

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