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Betrug

Der neue Bericht der Welt-Anti-Doping-Behörde zeigt, wie Fußballer dopen

Was Spieler nehmen, um bessere Leistungen zu bringen, und welche großen Fußballnationen beim Kampf gegen Doping Nachholbedarf haben.
Die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland begleitet den Ex-Bremer Thomas Delaney zum Doping-Test || Foto: imago | Joachim Sielski

Es ist Halbzeit beim Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 2018, Gastgeber Russland spielt gegen Kroatien, die beiden Mannschaften kommen gerade aus der Kabine, es steht 1:1, die Spieler starren gedankenversunken geradeaus. Die TV-Kameras aber fangen eine merkwürdige Szene ein: Mehrere Russen schnüffeln an weißen Wattebällchen. Später bestätigt ein Sprecher ihres Verbands: Die Bällchen waren mit Ammoniak getränkt. Die chemische Verbindung macht wacher. Doping vor laufender Kamera also? Nein, denn Ammoniak ist beim Fußball nicht verboten. Am Ende wird es keinen einzigen dokumentierten Doping-Fall bei dem Turnier geben. Dabei dopen Fußballer so wie Tour-de-France-Radler und 100-Meter-Sprinterinnen auch. Und selbst viele große Fußballnationen kontrollieren nur sehr ungenügend. Das zeigt der Doping-Report 2017 der Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA), den diese am Montag veröffentlichte.

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Fußballspieler dopen laut der WADA-Zahlen vor allem mit Anabolika – Substanzen, die den Aufbau von Muskeln verstärken. Oder sie nehmen Stimulanzien, also Aufputschmittel, unter die auch Drogen wie Speed und Crystal Meth fallen. Mit denen bleibt man länger wach, der Körper wandelt aufgenommene Nährstoffe schneller in Energie. Aber auch THC und andere Cannabinoide stehen auf der Liste der verbotenen Substanzen, Kiffen ist Doping. Die WADA dokumentiert 175 Fälle von Substanzmissbrauch im Weltfußball für 2017 in ihrem Bericht, zwölf davon durch Cannabinoide. Dopingkontrollen sollen die Sportler beim Regelbruch überführen, doch für die sind beim Fußball eine Vielzahl unterschiedlicher Institutionen zuständig.


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Der WADA-Bericht listet insgesamt 119 nationale und internationale Anti-Doping-Behörden, Fußballverbände und Gesundheitsministerien. Einige von ihnen kontrollieren nur den Clubfußball, andere auch Turniere von Nationalmannschaften wie die WM oder EM. Wie oft die Organisationen Fußballer testeten, unterschied sich innerhalb der Länder erheblich. Während die britische und die brasilianische Anti-Doping-Behörde in ihren Ligen je mehr als 4.000 Proben nahmen, kamen die mexikanischen und argentinischen Kontrollen nicht mal auf ein Fünftel dieser Zahlen. Deutschland gehört mit Platz vier international zu den Ländern, die ihre Sportler am häufigsten überprüfen. Insgesamt hat die deutsche Anti-Doping-Behörde NADA mehr als 2.000 Proben gesichert. Dem gegenüber stehen mehr als 1.500 Profispieler, die zwischen Bundesliga und 3. Liga ihr Geld verdienen.

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Kontrolleure können Doping im Blut länger und leichter nachweisen als im Urin. Jahre danach können sie Sportler des Betrugs überführen.

Doch es gibt erhebliche Unterschiede darin, was getestet wird, Blut oder Urin. Kontrolleure können Doping im Blut länger und leichter nachweisen als im Urin. Jahre danach können sie Sportler des Betrugs überführen. In Deutschland waren 2017 nur elf Prozent aller Proben Blutproben. Aber nicht alle Organisationen prüfen überhaupt Blut: Laut dem Bericht haben die zuständigen Stellen in Argentinien und Portugal keinen einzigen Bluttest durchgeführt. Das fällt besonders auf, wenn es um die Zahl der Fälle geht, bei denen es ein sogenanntes Adverse Analytical Finding gab, einen positiven Befund. Dazu kam es in beiden Ländern je dreimal.

Bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland konnten Kontrolleure keine gedopten Fußballer finden || Foto: imago | Valery Sharifulin

Ein solcher Befund zeigt das Vorhandensein einer verbotenen Substanz an, als Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln wird er allerdings nicht automatisch gewertet.

Unter den Ländern mit mehr als einem positiven Befund liegen Institutionen aus zwei mittelamerikanischen und einem arabischen Staat ganz vorne: 4,2 Prozent aller Proben des guatemalischen Fußballverbands stellten sich als positiv heraus, 3,3 Prozent waren es beim WM-Teilnehmer Mexiko. Die Anti-Dopingkommission von Katar kam auf 3,1 Prozent. Katar richtet 2022 die nächste Weltmeisterschaft aus. In Russland, wo in den Vorjahren Proben nicht vollständig getestet und Kontrollergebnisse falsch an die WADA gemeldet worden sein sollen, gab es offiziell keinen einzigen positiven Befund. Die drei positiven Befunde in Deutschland entsprechen 0,1 Prozent aller Proben. Bei der Frage, ob bei der Fußball-WM 2018 gedopt wurde, dürften Zahlen wie die des Reports Doping-Expertinnen und -Experten allerdings nicht beruhigen.

Die Journalistin Grit Hartmann und ihr Kollege Jonathan Sachse kritisieren etwa, dass Kontrollen nicht unabhängig durchgeführt würden, Proben lange zwischen Entnahmestelle und Labor unterwegs seien und auf viele Substanzen nicht getestet werde. Der Ex-Fußballprofi Lotfi El Bousidi veröffentlichte vor zwei Jahren seine Diplomarbeit über Doping im Fußball. Dafür befragte er seine ehemaligen Kollegen. Viele Spieler hätten zugegeben, dass sie dopen, schreibt er dort. Im Juni diesen Jahres sagte Bousidi zu VICE: "Bei großen Turnieren, egal ob Champions League oder WM, ist der Wettkampf noch härter als im Ligabetrieb. Außerdem wollen auch Mannschaften, deren Spieler sonst nicht auf Top-Niveau spielen, bei der WM alles geben." Er könne sich deswegen nicht vorstellen, dass nicht auch bei der WM in Russland gedopt werde. Ein positiver Befund wurde während des Turniers jedoch nicht vermeldet.

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