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Justizvollzug

In bayerischen Gefängnissen begingen 2017 mehr Häftlinge Suizid als je zuvor

Das dortige Justizministerium findet aber, die Präventionsarbeit sei ausreichend.
Foto: imago/Jürgen Ritter

Gefängnisse sind Blackboxes: Was innerhalb ihrer Mauern passiert, wird nur selten öffentlich kommuniziert. Die bayerische SPD wollte aber wissen, wie oft in den vergangenen Jahren Häftlinge Suizid begangen haben. Die Antwort des bayerischen Justizministeriums auf die Anfrage zeigt: 2017 kam es in bayerischen Gefängnissen zu 14 Selbsttötungen – und somit zu mehr als in allen Jahren zuvor.

Durchschnittlich waren die Häftlinge vor ihrem Suizid ein halbes Jahr inhaftiert. In fünf Fällen wurde der Suizid im ersten Haftmonat begangen, in zwei Fällen nach nur sieben Tagen im Vollzug.

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Die Hälfte der 14 Suizide begingen zudem Häftlinge, die sich noch
in Untersuchungshaft befanden. In drei Fällen stand das Strafende in
den kommenden sechs Monaten bevor. In einem Fall beging ein iranischer Häftling in Abschiebungshaft Suizid. Er sollte nach Bulgarien ausgewiesen werden.


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Insgesamt kam es in den vergangenen fünf Jahren zu 56 Selbsttötungen in bayerischen Gefängnissen. "Die Zahl der Suizide […] unterliegt nicht unerheblichen jährlichen Schwankungen", heißt es in der Antwort des bayerischen Justizministeriums. Die Zahl der Selbsttötungen sei seit 1991 "tendenziell rückläufig". Wahr ist aber auch: Sie hat sich seit 2013 mehr als verdoppelt. Nachdem sich 2013 sechs Inhaftierte selbst töteten, waren es 2014 zehn, 2015 dreizehn, 2016 zwölf – und 2017 schließlich vierzehn, die Höchstmarke.

Die Präventionsarbeit findet das Justizministerium ausreichend

Zudem räumt das Justizministerium ein, dass die 37 bayerischen Gefängnisse oftmals Schwierigkeiten dabei hätten, die Beweggründe für den Suizid zu ermitteln. Diese seien "vielschichtig" und "vom individuellen Einzelfall abhängig". Zudem könnten oftmals keine belastbaren Feststellungen zu Suizidmotiven getroffen werden, wenn "Erkenntnisquellen wie ein Abschiedsbrief nicht vorhanden sind".

Der bayerische SPD-Fraktionschef, Markus Rinderspacher, sagte der dpa, dass Suizide zwar nicht auszuschließen seien, forderte aber "eine psychologische und psychiatrische Betreuung in den Anstalten" und "Konzepte und Maßnahmen zur Suizidprävention". Zudem bräuchte es regelmäßige Schulungen der Vollzugsbeamten. Suizidgefährdete Häftlinge sollen Rinderspacher zufolge gerade am Anfang der Haft besonders betreut werden.

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Bessere Prävention und frühere Betreuung? Darauf erwiderte das CSU-geführte Justizministerium: "Das Suizidpräventionskonzept des bayerischen Justizvollzugs wird […] im Hinblick auf Aktualität und Optimierungsmöglichkeiten überprüft." Die Präventionsarbeit habe in bayerischen Justizvollzugsanstalten seit jeher einen "enorm hohen Stellenwert".

Man halte die derzeitige Präventionsarbeit aber für ausreichend. Zu der gestiegenen Zahl von Suiziden äußerte sich das Justizministerium in seiner Antwort nicht.

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