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Wer ist überhaupt dieser Sean Penn? Die geleakte Korrespondenz zwischen El Chapo und Kate del Castillo

Der flirtreiche Nachrichtenwechsel zwischen Joaquín Guzmán und der mexikanischen Schauspielerin Kate del Castillo offenbart die Sicherheits- und Wissenslücken des Kartellchefs.
Foto via VICE News

Eine flirtreicher Nachrichtenwechsel zwischen Joaquín „El Chapo" Guzmán und der mexikanischen Schauspielerin Kate del Castillo ist an die Öffentlichkeit gelangt. Darin wirkt der zu diesem Zeitpunkt flüchtige Kartellboss ein wenig nachlässig in puncto Sicherheit und zeigt sich außerdem ziemlich unwissend, was Hollywood-Persönlichkeiten angeht.

Die Nachrichten wurden versendet, bevor El Chapo vergangenen Freitag in einem dramatischen Einsatz nach sechs Monaten Flucht erneut gefasst wurde. Die Korrespondenz fand über einen Zeitraum von mehreren Wochen statt und begann wenige Tage vor dem inzwischen berüchtigten Treffen mit Sean Penn, das Castillo vermittelte und das zu dem kontroversen Rolling Stone-Artikel führte.

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Ein Mitarbeiter der mexikanischen Behörden hat die Echtheit der Nachrichten bestätigt, die ursprünglich an die mexikanische Zeitung Milenio geleakt wurden.

Aus den Nachrichten lässt sich herauslesen, dass der Anführer des größten mexikanischen Drogenimperiums gar nicht so sehr daran interessiert war, mit dem oscargekrönten Schauspieler zu sprechen—von dem er anscheinend auch noch nie gehört hatte—, sondern vielmehr von der Gelegenheit angetan war, Castillo persönlich zu treffen.

„Ich will mich wirklich mit dir treffen und gute Freunde werden. Du bist die Beste auf der ganzen Welt", schrieb er ihr in einer Nachricht vom September, wobei er als Nickname „Papá" verwendete.

Nur drei Monate nach seiner zweiten Flucht aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis drängte Guzmán die Schauspielerin dazu, ihn in seinem Versteck in den Hügeln von Sinaloa zu besuchen.

„Hab Vertrauen darin, dass es dir gut ergehen wird", hieß es in der Nachricht. „Ich werde dich besser hüten als meine eigenen Augen."

Die Schauspielerin, die zusammen mit Sean Penn in die Jagd auf El Chapo verwickelt wurde, sagte, sie fühle sich „zum ersten Mal beschützt".

„Ich bin so gerührt, dass du sagst, dass du auf mich aufpassen wirst. Das hat noch nie jemand getan", schrieb sie in einem Thread vom 25. September. „Danke! Kommendes Wochenende habe ich Zeit!"

Und am folgenden Freitag, den 2. Oktober, sind sie und Penn in das Versteck in Sinaloa gereist, um sich mit Guzmán zu treffen, wie der Hollywood-Schauspieler in seinem blumigen Riesen-Artikel im Rolling Stone beschrieb. Der Artikel ist am 9. Januar erschienen, nur einen Tag nachdem Guzmán in der Küstenstadt Los Mochis gefasst wurde.

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Guzmáns Anwalt Andrés Granados hat diesen ersten Nachrichtenaustausch vermittelt. Als Castillo die Unterhaltung verließ, besprachen der Anwalt und sein Mandant die Option, ihr ein Handy speziell für ihre Kommunikation mit dem Drogenboss zu besorgen.

In der Unterhaltung erörterten El Chapo und Granados ausführlich, welches Handy gekauft werden solle—„das äußerlich Schönste", das es zum besten Preis gebe.

Schließlich entschieden sie sich für ein Blackberry. Doch der Kartellchef—der extra ein Mobiltelefon „in einer Frauenfarbe" verlangte—zeigte sich enttäuscht, als sein Anwalt ihm wiederholt mitteilte, dass dieses Handy nicht in Pink angeboten werde.

In derselben Unterhaltung wirkte Guzmán unsicher, wer Sean Penn ist, nachdem Castillo im sagte, der Schauspieler habe „eine sehr wichtige Nachricht für dich, die er dir persönlich überbringen will".

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Der Anwalt informierte den Kartellboss daraufhin: „Fun Fact: Dieser Schauspieler ist in den USA der bekannteste" und „Er ist derjenige, der völlig darauf versessen ist, hierher zu kommen".

Guzmán fragte mehrmals: „Wie heißt dieser Schauspieler?" Daraufhin listete der Anwalt eine Reihe von Filmtiteln mit Veröffentlichungsjahren auf, doch die schienen an seinem Mandanten vorbeizugehen.

„Lass sie den Schauspieler mitbringen", befahl El Chapo. „Wenn sie mehr Leute mitbringen muss, dann bring die auch mit. Wie sie wünscht."

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Penn schrieb, bei dem Treffen hätten er und Castillo vereinbart, sich acht Tage später ein weiteres Mal mit Guzmán zu treffen. Doch der Plan scheiterte, da nur Tage nach dem geheimen Meeting von der Marine angeführte, großangelegte Einsätze in ganz Sinaloa stattfanden.

Guzmán entkam am 6. Oktober knapp einem Zugriff auf einen Gebirgsweiler, bei dem der Regierung zufolge Helikopter der Marine ihn bereits im Fadenkreuz gehabt hätten, jedoch nicht hätten schießen können, weil er sich in der Nähe einer Frau und eines Kindes aufgehalten habe. Die Operation veranlasste auch Hunderte Anwohner zur Flucht, wonach diese behaupteten, in ihren Häusern beschossen worden zu sein.

Die von Milenio veröffentlichte Korrespondenz zwischen Castillo und Guzmán wurde am 10. Oktober nach einer elftägigen Unterbrechung fortgesetzt.

„Guten Morgen, Amiga", schrieb der Drogenboss. „Verzeihung, ich habe geschlafen."

Nach wochenlangem Nachrichtenaustausch zeigte sich El Chapo in seiner Kommunikation mit Castillo deutlich weniger reserviert. In einer Nachricht von Ende Oktober nannte er sie „die heißeste und schönste Frau der Welt". In einer weiteren heißt es: „Meine Mutter möchte dich kennenlernen. Ich habe ihr von dir erzählt."

Die Textnachrichten bestätigen wiederum außerdem andere Formen der Überwachung, unter der Castillo laut El Universal gestanden haben soll. In einem Artikel der mexikanischen Zeitung vom 11. Januar waren Fotos enthalten, die Castillo am 26. September 2015 bei einem Treffen mit El Chapos Anwälten zeigten, welche ihr ein Handy überreichten. Auch sollen die Fotos sie und Penn am 2. Oktober bei der Ankunft am Flughafen Guadalajara zeigen, bevor sie sich an jenem Abend mit Guzmán trafen.

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Die mexikanische Regierung hat mitgeteilt, Castillos Kontakt mit Guzmán und seinen Anwälten habe den Sicherheitskräften bei der Fahndung geholfen, die für den Chef des Sinaloa-Kartells in demselben Gefängnis endete, aus dem er im Juli entkommen war.

Die letzte Nachricht aus den Leaks schickte Castillo am 9. November.

„[Sean Penn] hat den Artikel bereits geschrieben und das Titelbild garantiert, über das wir gesprochen haben", hieß es darin. „Jetzt musst du nur noch grünes Licht geben, bevor er veröffentlicht wird!"

Castillo hat sich diesen Mittwoch zum ersten Mal zu der Kontroverse um das Penn-Interview und die darauffolgenden Leaks ihrer Korrespondenz mit dem Verbrecherboss geäußert.

„Danke für eure Unterstützung in den letzten Tagen", tweetete sie auf Spanisch und Englisch. „Natürlich haben Viele sich dazu entschlossen, Dinge zu erfinden, die gute Geschichten ergeben und die nicht wahrheitsgemäß sind. Ich freue mich schon darauf, meine Geschichte mit euch zu teilen."

— kate del castillo (@katedelcastillo)January 13, 2016