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Popkultur

Eine Typologie aller Menschen, die dir auf Jodel begegnen

Der Standardjodler, der Tierbesitzer, der Absolvent und wen ihr auf Jodel sonst noch so trefft.

Alle Screenshots von der Autorin

Ihr könnt es ruhig zugeben. Fast jeder von uns hat sich inzwischen Snapchat ergeben—ja, auch die, die es anfangs gehasst haben—, um der Außenwelt (und wahrscheinlich vor allem uns selbst) klar und deutlich zu signalisieren, dass wir mindestens so cool sind wie unsere jüngeren Geschwister.

Im Schatten der Hunde- und Blumenkronen-Filter hat sich aber so ganz nebenbei auch noch eine weitere Anwendung etabliert: Jodel, laut Spiegel eine "Trash Talk"-App für Studenten. Meine Timeline explodiert förmlich vor Screenshots aus der App und ich bin selbst süchtig danach.

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Auf den ersten Blick mag es beim Lesen irritierend scheinen, aber das Schöne an Jodel ist, dass dort alle User völlig anonym bleiben. Normalerweise liefert Anonymität im Internet ja die Grundlage für Hasspostings aller Art, aber auf Jodel werden sexistische oder rassistische Posts von den Usern selbst gedownvotet und dadurch binnen weniger Sekunden gelöscht.

Sämtliche Posts sind übrigens nur im Umkreis von zehn Kilometern vom eigenen Standort sichtbar. Das ist auch der Grund dafür, dass die Qualität der Jodel mit der Bevölkerungsdichte steigt; in Wien ist das Ganze ziemlich witzig, in Hinterstoder oder Windischgarsten eher weniger.

Ich weiß nicht, ob ich Jodel für die Tatsache, dass ich viel mehr wertvolle Lebenszeit damit verschwende, als ich jemals zugeben würde, lieben oder hassen soll, aber mein Karma knackt im Laufe der nächsten Tage wahrscheinlich die 100.000er-Marke. (Für alle Jodel-Newbies: Karma-Punkte bekommt man laut dem Hersteller der App übrigens dann, wenn man "Gutes für die Community getan" hat.) Das zeigt mir, dass ich einerseits wohl endgültig süchtig bin, aber dafür auch extrem witzig—zumindest wenn man den anderen Usern glaubt. Als richtige Veteranin wollte ich euch jedenfalls an meinem Wissen darüber teilhaben lassen, welche unterschiedlichen Typen sich so auf Jodel herumtreiben.

Der Standardjodler

Der Standardjodler bedient sich all jener Jodel-Pointen, von denen er mit Sicherheit weiß, dass sie aufgehen, weil sich alle anderen Jodler gerade mit denselben Themen beschäftigen. Er beklagt sich über die Masse seines Lernstoffes genauso wie über die ach so schreckliche U6, prokrastiniert und liegt den ganzen Tag im Bett—er führt das typische Studentenleben.

Glücklicherweise ist die Phase, in der "Wegcocken?" der Nummer-Eins-Kommentar bei jedem Post war, vorbei und es ist wieder möglich, sich positiv über die Witze dieses Jodeltyps zu äußern. Positiv, weil seine #lernenkannich-Hashtags so wundervoll unnötig sind und es trotzdem schaffen, die Qualität eines Posts bis ins Unendliche zu steigern. Positiv ist auch, dass die meisten seiner Witze hauptsächlich funktionieren, weil sie von Prototyp-Charakteren getragen werden. Fiktive Personen, die so relatable sind, dass sie deine Mitbewohner sein könnten—aber zugegebenermaßen auch alle gängigen Studenten-Klischees ausschlachten.

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(Dieser Post symbolisiert meinen Mitbewohner.)

In Wien gibt es zum Beispiel Oskar-Maximilian, WU-Student, oder Ronja von der Boku. Oskar-Maximilian hat einen Privatjet, Ronja kriegt ECTS fürs Umarmen von Bäumen. Das Gemeinschaftsgefühl, das beim kollektiven Haten dieser Charaktere entsteht, ist schlichtweg überwältigend und sorgt dafür, dass wir alle insgeheim unsere Studienwahl hinterfragen.

Der Tierbesitzer

Es gibt viele Wege, um auf Jodel eine Menge an Karma zu erhalten, aber der einfachste steht wohl stellvertretend für das gesamte Internet: Cat Content. Hin und wieder gehen natürlich auch Fotos von Hunden. Erstere werden liebevoll "Gadsen" genannt und letztere "Bellgadsen". Der gemeine Jodler sieht in jedem Tier ein Gadse und bemüht sich, das auch zum Ausdruck zu bringen, indem er den Namen des besagten Tieres auf seine Weise interpretiert.

Ich habe mich bisher noch nicht getraut, der Jodel-Community mitzuteilen, dass das Wort "Gadse" dort nicht erfunden wurde, sondern so alt ist wie das Internet selbst, aber für sämtliche Abwandlungen kann Jodel ruhig die Credits einheimsen. Von Muhgadsen (Kühe) über Mähgadsen (Ziegen) bis zu Fluggadsen (Vögel) ist fast jedes Tier vertreten. Ich wage zu behaupten, dass die Besitzer dieser besagten Gadsen mindestens doppelt so viel Karma haben wie normale Jodler.

Der Reposter

Reposts sind der Hauptgrund für mein teilweise sehr ambivalentes Verhältnis zu Jodel und ihre Verfasser sind mir ein großer Dorn im Auge. Dank der zahlreichen Best-Of-Jodel-Seiten auf Facebook und Instagram werden laute Jodel, also Jodel mit vielen Upvotes, erst ins Internet geschossen und tausendfach geliket, nur um dann als kläglicher Repost wieder in der App zu landen—so oft, bis sie auch der neueste User 800 Mal gelesen hat.

Danke, ich weiß mittlerweile auch, dass ein Professor am Juridicum einmal gesagt hat, dass "mit dem was Sie nicht wissen, noch 20 weitere Studenten durchfallen könnten." Es gilt übrigens auch als Repost, wenn man den lauten Jodel aus Wien einfach in Salzburg nochmal postet. Reposts. Sind. Nicht. Cool. Sie sind sogar so uncool, dass Jodel erst kürzlich die Guidelines geändert hat und man Reposts jetzt melden kann. Danke, Internet.

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Der Reisende

Der Reisende ist mir persönlich ein kleines Mysterium. Im Hinterkopf verdächtige ich diesen Jodler nämlich, nur ein besonders gewieftes Exemplar von Karma-Farmer zu sein, der hofft, dass er für seine guten Worte eine Menge Upvotes erhält. Der Reisende ist zumeist auf Kurztrip in Wien, singt aber vom ersten Moment an Lobeshymnen über unsere wunderschöne Hauptstadt und erwägt häufig einen sofortigen Umzug. Er liebt die Wiener Architektur genauso wie unser einheimisches Jodel und schafft es, dass sich die Community mit Genugtuung zurücklehnt und selbst auf die Schulter klopft, weil wieder einmal bewiesen wurde, dass Wien die beste Stadt der Welt ist.

Der Beziehungsproblemjodler

Unter dem Deckmantel der Anonymität trauen sich Leute ja bekanntlich all das fragen, was ihnen im echten Leben unangenehm ist. Paradebeispiel hierfür sind jene armen Seelen, die ihre Beziehungs- und Gspusiprobleme mit der Jodel-Community teilen. Männer wie Frauen suchen auf Jodel Tipps fürs erste Date, genauso wie Lösungsvorschläge für Probleme in Langzeitbeziehungen. Jodel reagiert dann entweder überraschend einfühlsam ("Rede doch einfach mit ihm/ihr und sag, was du dir denkst. Das wird wieder :* :*") oder vernichtend ("Oida, wieso bist du überhaupt mit so wem zusammen? Sofort schlussmachen.").

Ersteres ist zwar um einiges häufiger, aber da die Gefahr von Reaktion Nummer zwei wie ein Damoklesschwert über einem jeden Beziehungspost schwebt, ist es vielleicht ratsamer für Beziehungsproblemjodler, nicht jedes Problem mit dem Internet zu teilen. Außerdem sollte man wohl kaum auf die Expertise anonymer Jodel-User vertrauen, wie dieser Screenshot zeigt:

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Der Typ, der Jodel mit Google verwechselt

Diesem Jodler begegnet man fast täglich und jedes Mal zolle ich ihm höchste Bewunderung: Dieser Typ versucht, auf Jodel Auskunft über ein bestimmtes Thema zu erhalten. Glaubt mir, es funktioniert nicht und es wird niemals funktionieren, egal, ob der #jhj-Hashtag (Jodler helfen Jodlern) gesetzt wird oder nicht.

Jodel sagt dir nicht, wo du den besten Burger Wiens findest und genauso wenig wird dir auf wundersame Weise dein Prüfungsstoff offenbart. Die einzige Information, die aus einem Jodel-Rezensionspost hervorgeht, ist beispielsweise, dass die einen Lokale wie das Phil lieben und die anderen es als "beschissenen Hipsterladen" bezeichnen. Aber um das herauszufinden, braucht man wohl kaum eine App. Außerdem gibt es Unigruppen für solche Anliegen—und dann wäre da noch Google. Tut euch einen Gefallen und versucht es nicht dort.

Die Person, die Jodel mit Tinder verwechselt und Fotos von ihren Brüsten postet

Wenn die Turmuhr abends zehn schlägt, betritt man ein neues Jodel-Universum. Ich weiß nicht, wer diese geheime Sperrfrist erfunden hat, aber von einem Schlag auf den anderen besteht Jodel zu gefühlt 90 Prozent aus traurigen Singles, die sich gegenseitig via Kik kennenlernen wollen. ("Ich finde Fußball echt cool, W24" "OMG, TRAUMFRAU. Kik? Tom_mhm.")

Auf Anfrage laden auch manche Frauen Fotos von ihren Brüsten hoch. Einer dieser Posts bekam innerhalb von fünf Minuten unglaublich viele Upvotes und die Verfasserin erhielt, dank der Mineralwasserflasche im Vordergrund des Bildes, den liebevollen Namen "Vöslauer-Girl". Auf Nachfrage, warum die Userin ihre Brüste auf Jodel stellt, sagt sie: "Weil ich sie geil finde und es mir Selbstbewusstsein gibt." Fair enough.

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Es war und wird mir immer ein Rätsel bleiben, wieso Personen wie m19 nicht Tinder für ihre nächtliche Geilheit verwenden. Aber wozu auch eine App nützen, die prädestiniert für die Partnersuche ist, wenn man auch auf Jodel möglicherweise an den Kik-Namen eines x-beliebigen Mädchens geraten kann?

Der Absolvent

Die Existenz des Absolventen auf Jodel ist schwer umstritten und sagenumwoben, aber ich entschließe mich an dieser Stelle, seinen Posts zu vertrauen und an ihn zu glauben, denn das würde heißen, dass es sie tatsächlich gibt: Menschen, die ihr Studium trotz Jodel abschließen.

Sollte dieser Tag, an dem auch ich mich zu den mysteriösen Absolventen zählen kann, bei mir irgendwann wahrhaftig eintreten, gelobe ich hiermit feierlich, Jodel sofort zu deinstallieren. Vielleicht sollte ich das zum Wohle meines Studiums aber auch schon etwas früher machen.