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Unsterblichkeit gegen Bares

Wenn du dich nach dem Tod einfrieren lässt, hast du immer noch bessere Chancen auf ewiges Leben, als wenn du begraben oder verbrannt wirst, sagt Hausmeister Andy. Er hat uns durch das Cryonics Institute in Michigan geführt.

Fotos von Roc Morin

Am Eingang zum Cryonics Institute schauten sie aus ihren hölzernen Rahmen auf uns herab: zwei regelmäßige Reihen von Fotografien. Viele der Älteren hatten Bilder aus der Blüte ihres Lebens gewählt—so, wie sie in Erinnerung bleiben wollten. Die NASA hat etwas ganz ähnliches in ihrem Hauptquartier—eine Porträtwand zu Ehren ihrer Astronauten. Die Menschen in den Porträts des Instituts sind aber keine Astronauten. Sie sind Zeitreisende.

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Vom Traum von der Unsterblichkeit beseelt, rief der Mathematikprofessor Robert Ettinger Cryonics Institute 1976 ins Leben. In einem unauffälligen Gebäude in Clinton Township in Michigan liegen die Toten, eingefroren in flüssigen Wasserstoff, bis zukünftige Generation die Technologie entwickeln, um sie wieder zu beleben.

Ich besuchte das Institut mit meiner Schwester (und Gesundheitsbeauftragten), um die Möglichkeit zu erkunden, sich kurz nach dem Tod einfrieren zu lassen. Ich hatte schon immer die Zukunft sehen wollen, und ich war immer ein Spieler gewesen.

Der Verwalter, Andy Zawaki, begrüßte uns am Eingang und führte uns herum. Er zeigte auf eines der Porträts. „Die Dame ist Herr Ettingers Mutter“, verkündete er. „Sie war die erste Patientin. Die zweite war Herr Ettingers Frau.“ Ettinger selbst wurde erst vor drei Jahren Patient 106, im Alter von sechsundneunzig Jahren. „Er ist krank geworden“, erklärte Andy. „Er baute einfach ab. Man stellte Schwestern an, die rund um die Uhr bei ihm sassen, damit wir sofort wissen, wenn er stirbt und wir das Kühlen anfangen müssen.“

Außer den Ettingers gab es noch andere Familien, sogar deren Haustiere: Hunde, Katzen, Papageien, ein Hamster namens Leapy. In einem anderen Teil der Anlage standen feuerfeste Aktenschränke, gefüllt mit den Besitztümern der Patienten. Wie die Pharaonen in ihren großzügig ausgestatteten Grabkammern hatte hier jeder vor, sein Leben genau da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte.

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„Die Leute reden immer vom Ende der Welt, weisst du“, sagte Andy. „Naja, das Ende der Welt kommt täglich, für die Leute die sterben. Denn wenn man stirbt, ist alles egal. Dann ist Game Over. Ein Freund ist jetzt eingefroren, der hatte einen Schlaganfall. Er war erst 77. Er sagte immer, wenn du beerdigt wirst, weisst du, dass du verfaulst, und wenn du verbrannt wirst, dann wirst du zu Asche, aber wenn du dich einfrieren lässt, was dann? Es ist eben ein winziger Hoffnungsschimmer, und für meinen Freund hat das ganz neue Perspektiven eröffnet.“

Für 28,000 Dollar kann man einen Platz in einem der massiven, Cryostats genannten Metallbottiche erstehen. Jeder Cryostat beherbergt sechs Patienten, kopfüber, eingewickelt in Schlafsäcke. Umschlossen von weissem Dämmstoff sehen die Cryostats aus wie die Stiele von Pilzen, die aus dem nackten Beton wachsen. Daneben stehen kleine Fächer, in denen Angehörige Blumen hinterlassen können.

Das Labor wirkt ein bisschen wie das Ergebnis einer Schüler-Projektwoche. Alles wurde mit der Hand zusammengebaut. „Viele Leute kommen hier rein“, erklärt Andy, „und sagen, sie hätten Lichter und Anzeigen und Beobachter erwartet. Aber wir wollten es so einfach wie möglich, weil wir nicht von dem ganzen Zeug abhängig sein wollen.“

Andy lebt in dem Institut, er schläft auf einem alten Ausziehsofa. Manchmal kommt seine Freundin ihn aus dem Nachbarort besuchen. „Es macht nicht ungeheuer viel Spaß, hier 24 Stunden zu sein“, zuckt er mit den Schultern. „Aber in Notfällen ist es praktisch. Die Leute reden von Geistern und allsowas, aber ich habe hier drin noch nie ein komisches Gefühl gehabt. ‘Hast du keine Angst vor toten Menschen?’, fragen mich die Leute. Ich sage immer, ‘Ich hab Angst vor denen, die am Leben sind.’ Lebende Menschen können einem was antun. Wir bekommen hier manchmal Drohungen. Die Leute sagen ‘Ihr spielt Gott.’ Ich sag einfach, ‘Jedes Mal, wenn ihr euch für Krebs behandeln lasst, spielt ihr Gott.’ Ich glaube nicht, dass wir Gott spielen. Es ist nur eine Erweiterung der Medizin. Leute, die für zwei Minuten auf einem Operationstisch sterben, oder für eine Stunde ertrinken, oder sich tausend Jahre einfrieren lassen—was Gott angeht, gibt es da kein Zeitlimit. Ist ja die Ewigkeit.“

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„Bist Du religiös?”, fragte ich.

„Ich wurde als Katholik erzogen“, antwortete er. „Ich gehe immer noch in die Kirche. Persönlich glaube ich, dass der Papst sich dafür entscheiden müsste, wenn er mal ernsthaft über Cryonics nachdenken würde. Katholiken sind für das Leben. Wenn bewiesen wird, dass Cryonics Leben wieder herstellen kann, dann beweist das auch, dass du nie wirklich tot warst. Also wäre es fast eine Sünde, es nicht zu tun. Es gibt darüber Cartoons. Der heilige Petrus tippt einem kleinen Engelchen auf die Schulter und sagt ‘Du musst zurück. Die haben dich grade aufgetaut.’ Und der Typ schaut ihn an, er hat grade Golfschläger oder so in der Hand, weil er eben irgendwie Golf spielt—er will nicht zurück.“

Als ich ihn fragte, warum er sich einfrieren lassen will, sagte Andy nur: „Ich will nicht sterben.“ Über die Zukunft, die er sich nach dem Aufwachen erhofft, konnte er eigentlich nur sagen, dass er hoffte, dass sie gut wird.

„Ich kann mich erinnern, wie ich das erste Mal vom Sterben gehört habe,“ sinniert Andy. „Wir hatten eine Collie-Hündin, die vom Schulbus erwischt wurde—der ist aufm Eis gerutscht und hat sie getötet. Also heulen wir. Ich war im Kindergarten, mein Bruder in der ersten Klasse. Es ist schon ziemlich lange her. Ich kann mich erinnern, das mein Vater sie auf dem Schlitten hatte. Wir dachten nur: stell sie wieder hin, dann läuft sie; stell sie hin, dann läuft sie. Sie lag auf der Seite, tot, aber äußerlich war nichts … kein Blut an der Schnauze. Sie war nicht zerquetscht. Wir konnten meinen Vater aber nicht überzeugen, er muss sie nur hinstellen, damit sie läuft. Und er tat’s einfach nicht! Sie hinstellen und festhalten. Aber wir waren uns so sicher. Ich konnte das einfach nicht verstehen. Wir waren uns sicher, sie lebte noch, oder würde wieder leben wenn man sie nur hinstellen würde.“

Roc’s neues Buch, And, ist vor kurzem herausgekommen. Auf seiner Webseite findet ihr mehr Informationen.