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Die bizarren Verbrechen des Leichenhändlers von Detroit

Arthur Rathburn wird vorgeworfen, Leichen mit einer Kettensäge zerstückelt und erkrankte Körperteile an Medizinerkonferenzen verkauft zu haben—und das ist bloß ein Beispiel für die zwielichtigen Vorgänge in der Industrie.

Foto: Amadalvarez | Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0

Als das FBI im Dezember 2013 das Lager von Arthur Rathburn durchsuchte und dabei mehrere Dinge beschlagnahmte, war der bereits seit Jahren als Leichenhändler tätig gewesen. Für das FBI war es kein Problem, dass Rathburn mit den Körperteilen von Toten Geschäfte machte, denn—so grausam es auch klingen mag—Leichenhandel ist in den USA nichts Illegales. Stattdessen wurde gegen den Mann ermittelt, weil er wissentlich mit erkrankten Leichen Profit machte. Letzten Monat wurden Rathburn und seine Noch-Ehefrau Elizabeth schließlich für den landesweiten Verkauf dieser Teile von erkrankten Leichen angeklagt.

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In der Anklageschrift ist davon die Rede, dass Rathburn im März 2011 einen mit Hepatitis B infizierten Kopf erst an ein Dental-Seminar in Massachusetts und einige Monate später noch an einen Lehrgang für Knochentransplantation in San Diego ausgeliehen hat. 2012 folgten dann acht menschliche Köpfe (eine Leiche starb an einer Blutvergiftung sowie Aspirationspneumonie), die in Mülltüten eingewickelt in Camping-Kühlboxen transportiert wurden. Und noch im gleichen Jahr verkaufte er eine mit Hepatitis B und HIV infizierte Leiche für über 55.000 Dollar an eine Narkologie-Konferenz in Washington, D.C.

Die Behörden behaupten, dass Rathburn diese erkrankten Leichname zu vergünstigten Preisen eingekauft hat und dann bei der Weitergabe für medizinische Trainingszwecke keine Angaben über die Krankheiten machte. Dieses Vorgehen stellt eine „Verletzung der industriellen Hygienestandards" dar. In der Anklageschrift heißt es außerdem, dass Rathburn erkrankte Körperteile zusammen mit nicht erkrankten Körperteilen lagerte und dazu noch unsteriles Werkzeug benutzte.

„Anstelle des in der Industrie üblichen, sterilen Autopsie-Equipments", so die Anklageschrift, „nutzte Arthur Rathburn eine Kettensäge, eine Bandsäge sowie eine Stichsäge zur Zerteilung der Leichen, ohne vorher die nötigen hygienischen Vorkehrungen zu treffen."

Leichenteile wie die, die von Rathburn feilgeboten wurden, sind in der medizinischen Welt sehr gefragt: Hauttransplantationen können Verbrennungsopfern weiterhelfen, Knochentransplantate können in orthopädischen und oralen Operationen verwendet werden und menschliches Gewebe kann sich bei der medizinischen Ausbildung als extrem nützlich erweisen. In der US-Leichenhandel-Industrie gibt es jedoch nur wenige Vorschriften—somit besteht auch viel Spielraum für zwielichtige Geschäfte. 2006 wurden in mehreren Sammelklagen 16.800 Familien vertreten, die behaupteten, dass Körperteile von verstorbenen Verwandten aus Bestattungsinstituten, Krankenhaus-Leichenkammern und selbst aus Altenheimen entwendet und dann illegalerweise weiterverkauft wurden—der Gewinn soll dabei 6 Millionen Dollar überschritten haben.

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„Es gibt einfach keine gesetzlichen Strukturen, mit denen sichergestellt wird, dass das Zerteilen von Leichen auf eine sichere und ethisch vertretbare Art und Weise geschieht", erklärte mir Annie Cheney, die Autorin des Buchs Body Brokers: Inside America's Underground Trade in Human Remains.

Das Buch, in dem übrigens auch Rathburn Erwähnung findet, handelt von der bizarren Welt des Leichenhandels und den Möglichkeiten, die wenigen bestehenden Vorschriften zu umgehen. Es gibt zum Beispiel Körperspenden-Programme, die mit einer „kostenlose Einäscherung" locken und dann vor der Verbrennung der Leiche noch schnell einige Körperteile entfernen. Zwar kostet es ein paar Hundert Dollar, die Leiche zu verbrennen, aber das machen Tausende Dollar Profit beim Verkauf der Körperteile wieder wett. Es wurden aber auch schon Krematoriumsbetreiber dabei erwischt, wie sie Körperteile von zahlenden Kunden entfernten oder Zustimmungserklärungen von den nächsten Angehörigen fälschten, um einen nur schwer nachzuvollziehenden Papierberg zu verursachen.

Die medizinischen Forscher, die die Körperteile dann kaufen, wollen oft gar nicht wissen, wo diese überhaupt herkommen—das liegt zum Teil auch daran, dass die Nachfrage nach Leichen höher ist als die Zahl der Leute, die ihren Körper später mal der Wissenschaft zur Verfügung stellen. „In einem solchen Umfeld passiert es schnell, dass man lieber keine Fragen stellt", meinte Cheney.

Und dennoch geht die Autorin davon aus, dass sich in der Industrie wohl einiges ändern wird. Als sie 2006 ihr Buch geschrieben hat, war vielen zum Beispiel noch überhaupt nicht klar, was bei Gewebebanken überhaupt passiert. „Als ich mit den Gesundheitsbehörden über diese Einrichtungen reden wollte, wussten die nicht wirklich, was ich überhaupt meinte", erzählte sie mir. „Und niemand konnte sich vorstellen, dass man in normalen Hotels Konferenzen mit Leichen abhält."

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Zusätzlich zu den Ermittlungen gegen Rathburn hat das FBI auch noch Leichenhändler aus Arizona und Illinois sowie ein medizinisches Forschungszentrum in Oregon unter die Lupe genommen.

Trotz der ganzen bizarren Geschichten sollte man Cheney zufolge trotzdem nicht zögern und seinen Körper später mal der Wissenschaft zur Verfügung stellen. „Ich halte das für extrem wichtig und lebensnotwendig", meinte sie. „Man muss jedoch sicherstellen, dass man seinen Körper einer seriösen Organisation überlässt. Deshalb ist es unumgänglich, das Kleingedruckte zu lesen und genau zu wissen, auf was man sich da einlässt."