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Popkultur

Fragen, die der Mannheimer Pinguin-Diebstahl aufwirft

Hat das was mit dem Valentinstag zu tun? Ist der IS involviert? Wie schmeckt Pinguin?

Foto: Wilfried Wittkowsky | WikimediaCC BY-SA 3.0

Die Welt im Februar 2017 ist ein verwirrender, ein unheimlicher, ein dunkler Ort. Von allen Seiten prasseln Hiobsbotschaften auf uns ein, in England werden die Lücken in der Toblerone größer, die AfD spaltet sich schon wieder, nichts hat Bestand. Und als ob das nicht genug wäre, erreicht uns jetzt auch noch die Nachricht, dass Unbekannte einen Humboldt-Pinguin aus dem Mannheimer Zoo geklaut haben. Quo vadis, Europa? Quid est veritas? Cui bono?

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Aufgefallen ist der Diebstahl schon am Samstag, als die circa 20 Pinguine des Luisenparks durchgezählt wurden. "Die Untersuchung des Geländes hat ergeben, dass der Vogel nicht weggelaufen oder von einem Raubtier verschleppt worden sein kann", hat die Sprecherin des Luisenparks am Montag bekannt gegeben. Die Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Und wir stehen sprachlos da, und wir haben viele Fragen. Fragen wie:

Wie sind die überhaupt auf die Idee gekommen?

Also, Hand aufs Herz: Wir alle standen schonmal an einem Pinguin-Gehege und haben uns gedacht: "Wie wahnsinnig putzig wäre es, so einen gut angezogenen Vogel zu Hause zu haben! Morgens könnte er uns die Zeitung bringen, und Abends könnte er wie ein Concierge die Besucher ansagen, Cosmopolitans mixen und sie mit vornehmer Zurückhaltung der Gesellschaft auf einem schwarzen Lacktablett servieren!"

Aber – und hier ist der wichtige Unterschied – keiner von uns wäre je auf die Idee gekommen, die dafür nötigen Schritte wirklich zu unternehmen. Ich meine, wer klettert tatsächlich rüber und greift sich so einen stinkenden, glibschigen Vogel? War das eine spontane Idee von jemandem, der sein eigenes Leben mit einem schlechten Adam-Sandler-Film – ja, das ist eine Tautologie – verwechselt hat? Oder hat womöglich eine Gruppe hartgesottener südafrikanischer Söldner diese Pinguin-Entführung von langer Hand und in allen Details geplant? Und vor allen Dingen:

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Wie konnte jemand einfach mit einem Pinguin unter dem Arm aus dem Zoo spazieren?

Laut der Zoo-Sprecherin – die auf faz.net zumindest nicht beim Namen genannt wird, und dafür sollte sie der Redaktion von faz.net wirklich dankbar sein, weil: Welche Zoo-Sprecherin taucht schon gerne zum ersten Mal in der deutschen Öffentlichkeit damit auf, dass sie einen ganzen Humboldt-Pinguin verloren hat? – , laut der Zoo-Sprecherin jedenfalls wiegt der fehlende Pinguin an die 5 Kilo und ist "50 bis 60 Zentimeter groß". Außerdem, das kennt man ja von Tieren, hatte der Pinguin bestimmt keinen Bock, sich von fremden Menschen einfach so mitnehmen zu lassen.

Wenn sie ihn nicht vorher betäubt haben, wird dieser große Vogel also so ziemlich alle Register gestressten Tierverhaltens gezogen haben, um sich gegen die Entführung zur Wehr zu setzen: schreien, schnattern, wie bekloppt mit den Flügeln um sich schlagen, aufgeregt furzen, Augen aushacken, sich winden und mit den Krallen kratzen. Sowas steckt man sich doch nicht einfach unter den Mantel und geht dann etwas steif lächelnd zum Ausgang? Hatten der oder die Täter einen speziellen Pinguin-Entführungsrucksack dabei? Ist das überhaupt der Grund, warum so viele Deutsche diese völlig übertriebenen Arktis-Expeditions-Rucksäcke auch im Frühling in Großstädten mit sich herumschleppen – weil sie ständig hoffen, vielleicht irgendwo einen Pinguin entführen zu können?

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Wer zur Hölle will einen Pinguin zu Hause haben?

Noch einmal müssen wir die Sprecherin des Mannheimer Luisenparks bemühen, denn sie hat dem Entführer auch noch eine ziemlich deutliche Warnung mit auf den Weg gegeben: "Wer glaubt, er könne den Vogel als Haustier halten, ist jenseits von Gut und Böse", wird sie von mehreren Zeitungen zitiert. Damit hat sie vollkommen Recht, denn am putzigen Bild des watschelnden Butlers, das wir in der ersten Frage gezeichnet haben, ist so gut wie gar nichts wahr.

Die Welt hat das in ihrem hilfreichen Artikel "Warum es dumm ist, einen Pinguin zu stehlen" ganz gut zusammengefasst: Pinguine stinken, scheißen permanent überall hin und sind wahnsinnig mitteilungsbedürftig – sie halten so gut wie nie den Schnabel. Außerdem ernähren sie sich von Unmengen von stinkigen Fischen, die man auch erstmal besorgen und dann auch noch fachgerecht lagern muss. Wer tut sich sowas an? Warum nicht einfach ein Wellensittich? Oder eine Planet Earth-DVD-Box?

Ist der IS involviert?

Es gibt dafür so gut wie gar keine Anhaltspunkte. Nichts in der Propaganda-Literatur des Islamischen Staates und nichts in den Reden seiner wichtigsten Anführer wie Abu Bakr al-Baghdadi oder Mohammed al-Adnani weist darauf hin, dass die Terrormiliz es für eine besonders effektive Methode zur moralischen Aushöhlung des Westens hält, die Pinguin-Bestände in unseren Zoos zu reduzieren. Seit Hasan al-Banna 1928 im ägyptischen Ismailia die Muslimbruderschaft gründete, deutet in der gesamten dschihadistischen Literatur nichts daraufhin, dass die Entführung von Pinguinen aus westlichen Zoos als ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des großen Satans gilt. Und trotzdem: In diesen Zeiten müssen wir uns das fragen. Was verschweigt uns Thomas de Maizière?

Hat das was mit dem Valentinstag zu tun?

Eine Option wäre natürlich auch, dass irgendein besonders romantischer Mensch es für eine gute Idee hielt, seine/n Partner/in mit einem lebenden Antarktisvogel zu beglücken. Im Prinzip auch wirklich keine schlechte Idee, denn jeder weiß, dass die Geschenke die besten sind, die man nicht kaufen kann. Wer am Valentinstag erzählen kann, dass sein Lover ihm einen lebenden Pinguin aus dem Zoo geklaut und mit einer Schleife dekoriert vors Bett geführt hat, der bringt den ganzen Friseursalon zum Verstummen. Nur: Die Idee ist dann eben doch unendlich viel romantischer als die Realität. Denn wie gesagt, Pinguine stinken nach Fisch.

Wie schmeckt eigentlich Pinguin?

Ich will jetzt hier nicht den Teufel an die Wand malen, aber die Möglichkeit besteht immerhin: Was wäre, wenn der Dieb den armen Pinguin gar nicht am Leben erhalten wollte? Wenn er zum Beispiel im Auftrag eines exzentrischen Mannheimer Millionärs unterwegs war, der schon immer mal die verbotene Frucht des Humboldt-Pinguins kosten wollte (damit meine ich sein Fleisch, ihr Säue)? Und wenn ja, warum? Schmeckt Pinguin besonders gut? Das muss gegoogelt werden!

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Entsetzen! Nicht nur, dass jemand sich überhaupt schon diese Frage gestellt hat – es scheint ein echter Dauerbrenner auf Google zu sein! Wer sind diese Menschen? Ich würde unter Eid schwören, bis zum heutigen Tag noch nie in meinem Leben über den Geschmack von Pinguinen nachgedacht zu haben. Warum tun diese Leute das alle?

Interessanterweise erklärt der Spiegel-Artikel nicht, wie Pinguine schmecken, sondern nur, wie sie schmecken – also wie Pinguine Geschmack wahrnehmen. Interessant, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit (also wirklich nicht, ich sollte mit diesem Artikel schon vor einer halben Stunde fertig gewesen sein). Den Geschmack der Pinguine habe ich aber trotzdem herausgefunden, und zwar auf helpster.de:

"Pinguine haben eine bis zu 3 Zentimetern dicke Speckschicht. Das Muskelfleisch ist mit dicken Fettadern durchzogen. Der Kaloriengehalt dieser Seevögel liegt ungefähr doppelt so hoch wie der Energiegehalt von Gänsen. 100 Gramm Gänsefleisch enthalten durchschnittlich 279 Kcal. Somit kann so ein Pinguin gut 550 Kcal je 100 Gramm Fleisch liefern. Derart fettiges Fleisch wird heutzutage von fast keinem Gaumen mehr als schmackhaft empfunden."

Hast du das gehört, du fresssüchtiger Geldsack? Gib ihn sofort zurück, er wird dir eh nicht schmecken!

Was ist das für eine Welt, in der wir leben?

Aber echt mal! Südafrikanische Pinguin-Schlepper-Gangs, durchgedrehte Mannheimer Plutokraten, völlig maßlose Romantiker, mordlüsterne IS-Terroristen – wie soll ein Pinguin in dieser Welt überhaupt überleben?

Wir wünschen dem kleinen Vogel auf jeden Fall sehr viel Glück, und dass er bald wieder in den Schoß seines Schwarmes zurückkehren kann. Um ihm (und euch) Mut zu machen, hier nochmal das inspirierendste Pinguin-Video aller Zeiten:

Zeugen, die verdächtige Wahrnehmungen gemacht haben oder sachdienliche Hinweise zum Aufenthaltsort des Pinguins geben können, werden gebeten, sich beim Polizeirevier MA-Oststadt, Tel.: 0621/174-3310 zu melden.