Bei der Basler LARP-Gruppe, die in Ungarn einen Fantasy-Park eröffnen will

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Bei der Basler LARP-Gruppe, die in Ungarn einen Fantasy-Park eröffnen will

Wer tief in die Tasche greift, kann im Fantasy-Park sogar als König regieren. Wir haben die Cosplayer und Rollenspieler aus der Region Basel getroffen.

Alle Fotos von Gabriel Hill In Hobbit-Höhlen wohnen oder hoch zu Ross und mit selbstgebauter Rüstung in den Kampf ziehen. All das soll schon bald auf vier Quadratkilometern zum Alltag gehören. Auf einem Stück Land im Süden Ungarns sollen künftig Zwerge, Zauberer und Ritter das Sagen haben. Hier geht's nicht etwa um einen Pfadi-Nachmittag, sondern um etwas Permanentes. Das verspricht die Website von "Park of Fantasy" aus Basel, die seit anfangs Jahr im Handelsregister steht. Das Ziel des Unternehmens: Eine Welt wie aus Herr der Ringe und Game of Thrones. Ich habe mit den Machern ein Treffen beim Thomasturm vereinbart, einer alten Befestigungsanlage in Basel. Die Kulisse passt also zu einem Fantasy-Szenario: Urchiges Gemäuer im Hintergrund und über uns lärmt erst noch ein Krähenschwarm. Eine Amazone mit Lederkorsett und Bogen, die sich sommerlich bekleidet in der Kälte hinauswagt, begrüsst mich begleitet von einem Recken mit Kettenhemd und Schwert. Hinzu kommen zwei viktorianisch Kostümierte mit Zylinder, Fliegerbrille und Drillingsrevolver: Steampunks, die Szene der Retrofuturisten.

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"Wir meinen es ernst", betont Gabor Hajnal gleich zu Beginn. Der 53-jährige Elektronikverkäufer kommt in zivil. Die geheimnisvolle und elegante Aura des ehemaligen Vampir-Darstellers passt aber hervorragend zu seinen kostümierten Kollegen. Er ist einer der Köpfe hinter dem Park of Fantasy. Zusammen mit seiner Freundin Emilia Forestier und dem Arbeitskollegen Mike Häring hat er bereits ein Konzept für den Abenteuerpark ausgearbeitet. Schützenhilfe erhält das Trio von weiteren eingefleischten Fantasy-Fans aus der Cosplay- und Rollenspielszene der Region Basel und Südbadens.

Was ihnen vorschwebt, ist eine Neuheit: Im geplanten Park of Fantasy sind sowohl Gäste wie auch Angestellte rund um die Uhr verkleidet. Essen gibt's in Holzschalen, Plastikkram ist tabu. Zwar gibt es in Deutschland grosse Festivals dieser Art wie das "Conquest". Die sind aber zeitlich beschränkt. Im ungarischen Gelände sollen jedoch das ganze Jahr über Orks und Zwerge durch die Gegend trollen. Der Plan des Teams ist ehrgeizig: Bereits im Sommer 2017 sollen die ersten Zeltpflöcke eingeschlagen werden. 2020 müssten auch die Häuser stehen, womit dann der Park mehr als ein Camping-Plausch, sondern auch Winter bewohnbar sein wird.

Gabor hat selbst ungarische Wurzeln – seine Eltern kamen nach dem Aufstand von 1956 in die Schweiz. Die Idee einer Abenteuerwelt entstand vor anderthalb Jahren: Beim Besuch bei Bekannten in Ungarn fiel ihm auf, wie einfach dort ganze Landstriche zu haben sind. Sein Park of Fantasy soll auf einem Areal mit Wald und künstlichem See aus der Taufe gehoben werden. Umso besser, wenn dort gerade auch eine Burgruine steht. "Ungarn ist eh viel lockerer mit den Vorschriften", erklärt Gabor. Es soll aber mehr werden als einfach ein Ferienressort für Kostümierte: Ein Bereich ist ganz dem "Live Action Role Playing" (LARP) gewidmet. Dort können also Elben und Orks ihre Schlachten austragen. Ein anderer Bereich soll dann ein mittelalterliches Dorf nachstellen.

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Die wohl ausgefallenste Idee der Macher: Wenn sich ein Gönner finden lässt, der 1.5 Millionen für einen Königspalast springen lässt, darf er gleich selbst drin wohnen. Als Monarch nimmt er dann während drei Jahren das Zepter in die Hand. Das Team hofft, dass sich irgendein extravaganter Reicher finden lässt, der lieber König als Ferrari-Sammler spielen will. Alle anderen LARPer, spielen mit ihrem selbst entwickelten Charakter oder beginnen als einfache Bauern. In verschiedenen Quests können sie sich dann hocharbeiten – wie bei World of Warcraft.

Gabor schätzt die Investition für Vorhaben auf 320.000 Euro. Die tiefen Mieten und Löhne in Ungarn sollen es möglich machen. "In der Schweiz oder in Deutschland könnten wir das glatt vergessen." Dabei rühren die Fantasy-Fans schon mal in der Szene die Werbetrommel für ein Crowdfunding.

Die Strippenzieher hinter dem Mammutvorhaben haben unterschiedliche Wurzeln. Gabor war etwa schon als Hansdampf in allen Gassen unterwegs: Der gelernte Elektriker und spätere Versicherungsberater rutschte in den 90er-Jahren in die Showszene. Damals stand er als Tänzer einer bekannten Striptease-Gruppe auf der Bühne. Als Vampir schlüpfte er dabei jeweils aus dem Sarg, um sich dann allmählich zu entkleiden. Seine ungarische Freundin Emilia Forestier ist als Porzellanmalerin für das Künstlerische in der Gruppe zuständig. Der Detailhandelsfachmann Mike ist erst seit anderthalb Jahren in der Szene unterwegs – irgendwo zwischen Mittelalterfesten, Cosplay und LARP.

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Wenn es dann soweit ist, möchten ein paar vom Team auch tatsächlich im "Königreich" wohnen und arbeiten. So etwa die Amazone und Logistikmitarbeiterin Kinga. Wie es sich für diesen Charakter gehört, kann sie gut mit Pferden und Pfeilbogen umgehen. Im Park möchte sie daher Reitlektionen geben.

Auch der Elektroinstallateur Danny Klawitter würde liebend gerne dort Wurzeln schlagen. Er sieht sich als Animator und Schwertkampftrainer. Als Recke macht er sich gut: Seit zwanzig Jahren spielt er bereits LARP. Eigentlich hat er den Ritter in sich schon mit der Muttermilch aufgesogen: Seine Eltern nahmen ihn an den ersten Mittelaltermarkt mit – und setzten ihn schon von Klein an auf ein Ross. Weniger aus der Rollenspiel-, sondern mehr aus der Cosplay-Szene kommt Enie. Wenn die Juristin nicht gerade für die Anwaltsprüfung büffelt, ist sie zum Beispiel als Steampunk oder Harley Quinn unterwegs.

Solch unterschiedliche Figuren sollen also ihren Platz im Park finden. Ein Bereich ist für LARP reserviert, wo dann etwa auch Polsterwaffen und "Archery-Attack-Pfeile" für die unblutigen Schlachten ausgeliehen werden. Im zweiten Bereich soll hingegen mit ganzen Gebäuden das Mittelalter auferstehen, dort aber ohne Fantasy-Zusatz.

Nun, wie kam die Idee bei den Fantasy- und Mittelalter-Aficionados an? Wie Gabor erklärt, sei die Begeisterung gross, doch es gebe vereinzelt auch kritische Stimmen. "Manche LARPer wollen etwa nicht mit Steampunks in einen Topf geworfen werden", erklärt Gabor. "Es gibt in jeder Szene ein paar Extremisten", fügt Danny lachend hinzu. Meist etwas ältere Vertreter des Reenactment, die historische Szenarien ohne Fantasy-Brimborium nachspielen, schauten besonders genau hin: "Die drehen durch, wenn eine Aufmachung nicht genau in ihr Jahrhundert passt". Cosplay, LARP und Steampunk liessen sich hingegen gut kombinieren. "Einzig Endzeitrollenspiele mit Zombies passen wohl nicht so gut zur mittelalterlichen Kulisse", erklärt Gabor.

Noch ist es ein steiler Weg, bis die Steampunks, Ritter und Amazonen auch wirklich durch die ungarischen Wälder schleichen können. Bis jetzt harzt es ein wenig mit dem Crowdfunding. Zudem ist die Rechnung noch ohne den Transport der Abenteuergäste gemacht. Wie Gabor erklärt, müsse man noch Busverbindungen nach Ungarn aufgleisen.

Chancen rechnet sich die bunte Truppe aus der Region Basel aber dennoch aus: Mit dem Fantasy-Hype sei das Interesse schliesslich gross. Festivals wie das Mittelalterlich Phantasie Spectaculum (MPS) räumen in Deutschland locker ab. Auch ausserhalb der Szene komme das Ganze gut: "Bin ich in den Ritterklamotten unterwegs, wollen gleich alle Fotos machen", erzählt Danny. Ausgelutschte Nerd-Klischees über die Szene beeindrucken die Macher des Parks hingegen längst nicht mehr. "Wir sitzen schliesslich nicht vor dem Computer, sondern wollen live etwas erleben", sagt Gabor. Die Begegnung in Basel zeigt auch mir, dass er recht hat: Was man sieht, sind Leute, die sich guter Laune in handgefertigten Verkleidung ins Freie wagen – das aber keineswegs allein, sondern in einer grossen Familie aus verschiedenen Subkulturen. Ob es ihnen auch gelingen wird, das alles in einem ungarischen Freizeitpark zu verewigen, bleibt abzuwarten. VICE auf Facebook.