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Pro-Skateboarder Tas Pappas spricht über seine Zeit im Gefängnis

Der Australier musste hinter Gitter, weil er versucht hatte, ein Kilogramm Kokain zwischen einem Stapel Longboards in sein Heimatland zu schmuggeln.
Tas Pappas bei sich zu Hause im australischen Thornbury

Tas Pappas hat etwas von einem typischen australischen Rowdy und erinnert doch ein wenig an „Crocodile Dundee" Paul Hogan—bloß eben als Skateboard-Version. Diesen Eindruck hat er zum Teil auch selbst gefestigt, aber trotzdem ist er dazu auch noch ein geborener Geschichtenerzähler und Charmeur. Dieses Kompliment mache ich ihm auch, als wir uns auf seine Wohnzimmer-Couch niederlassen, um über seine Zeit im Gefängnis zu reden. „Du bist aber auch nicht schlecht, Alter", antwortet er augenzwinkernd und ohne Umschweife.

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Für alle, die nicht Bescheid wissen: Bei Tas Pappas handelt es sich um einen unglaublich guten Vert-Skateboarder aus einem Vorort von Melbourne. Zusammen mit seinem Bruder Ben erlangte er Mitte der 90er Jahre internationale Berühmtheit, verkackte dann allerdings irgendwie alles und landete schließlich im Knast, weil er versucht hatte, ein Kilogramm Kokain von Argentinien nach Australien zu schmuggeln—versteckt zwischen einem Stapel Longboards. Wenn du jetzt mehr über Tas' Hintergrundgeschichte erfahren willst, dann kann ich dir nur Eddie Martins Dokumentation All This Mayhem ans Herz legen. Hier folgen nun ein paar schräge Anekdoten aus der Gefängniszeit des Skateboarders.

Tas füllt einen Müllbeutel mit Wasser, um sich ein DIY-Trainingsgerät zu bauen.

„Ein amerikanisches Gefängnis habe ich 2006 zum ersten Mal von innen gesehen. Ich war einer von zwei Weißen in einem Flügel voller Hardcore-Gangmitglieder aus L.A., die nur darauf warteten, wieder zurück nach Mexiko, El Salvador oder Kolumbien geschickt zu werden. Das war richtig heikel, aber ich habe mich in amerikanischen Gefängnissen immer sicherer gefühlt als in australischen.

Bevor ich in den USA in den Knast kam, meinte ein Kumpel zu mir, dass ich dort direkt nachfragen sollte, wer das weiße Oberhaupt sei, um mich bei ihm vorzustellen. Im Gefängnis musst du nämlich einer Gang angehören. Da drin herrscht folgende Regel: Wenn ein Typ kämpft, dann müssen alle kämpfen. Wenn die Wachen dann nämlich die Aufnahmen der Überwachungskameras anschauen, können sie das Ganze nicht nur auf eine Person schieben. Ich habe das Oberhaupt schließlich gefunden und meinte: ‚Bitte verlang nur nicht von mir, irgendjemanden abzustechen. Draußen wartet meine Familie auf mich und ich darf hier nicht länger drin bleiben als nötig. Wenn ihr aber kämpft, dann stehe ich definitiv auf eurer Seite.' So läuft das da drin ab.

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Manchmal war es auch richtig komisch, zum Beispiel wenn ich mit irgendwelchen schwarzen Typen geredet habe, die auch Skateboarder waren. Damit haben wir nämlich ziemlich viel Aufmerksamkeit auf uns gezogen und mussten deswegen erstmal auf Abstand gehen. Das war schon merkwürdig, aber eben auch der normale Gefängnisalltag. Man hält sich da drin besser an die Regeln, denn Helden sind im Knast auf jeden Fall fehl am Platz. Dort lautet die Devise: Je größer die Gruppe, desto stärker. Wer aufmuckt, der kassiert.

In Australien musste ich im November 2008 für drei Jahre hinter Gitter. Als ich dort fragte, wer das weiße Oberhaupt wäre, wurde ich nur schräg angeschaut und gefragt, von was ich da reden würde. Es gibt eigentlich nur zwei Gangs, nämlich die Koori und die Libanesen. Die Australier und die ‚Wogs' sind nur Fähnchen im Wind und bilden keine eigenen Gruppen wie in den USA. Wenn dich ein Typ umhauen will, dann macht er das einfach. Wenn man nicht die richtigen Leute kennt, dann hat man dort auch nicht den Rückhalt einer Gang.

Häftlinge sind nicht dumm. Es geht eigentlich immer nur darum, die Lage richtig einzuschätzen. Wenn man wegschaut, ist man dann ein nur ein Feigling oder doch ein Spitzel? Das finden die sofort heraus und konfrontierten dich damit. Wenn du allerdings etwas Rückgrat beweist und ehrlich bist, dann wird dir auch nichts passieren. Das Gefängnis war für mich die ultimative Rehabilitation. Genau das habe ich damals gebraucht."

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„Als ich in Long Bay in der Nähe von Sydney einsaß, hatten mich die Drogen noch voll im Griff. Ich habe auch mit mir selbst geredet—total durchgeknallt. Eines Tages sah ich die riesige Gefängnismauer im Hof und stellte mir vor, dass es sich dabei um eine Mega Ramp handeln würde. Ich bin dann hingegangen und habe angefangen, 1080°s zu machen und ein imaginäres Board zu flippen und zu grabben. Dann landete ich einen Trick und ging weiter. Da die anderen Häftlinge keine Ahnung vom Skateboarden hatten, dachten sie einfach, dass ich irgendein Spinner wäre, der sich im Innenhof um die eigene Achse dreht und dabei komische Sachen mit seinen Händen und Füßen macht. Wirklich jeder starrte mich an.

Damals dachte ich, dass das Speed für meinen Verfolgungswahn verantwortlich wäre, aber dann wurde bei mir eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Ich wurde früher von meiner Babysitterin geschlagen und als Kind sexuell missbraucht. Mein Arzt schätzt, dass das Ganze dadurch ausgelöst wurde. Wie dem auch sei, wenn sich in mir Paranoia breitmacht, dann werde ich richtig wütend. Im Gefängnis haben mich mein Training und das Herumspringen ordentlich fertig gemacht und deswegen kam ich gar nicht erst auf irgendwelche dummen Gedanken. Dadurch wurde ich zwar körperlich total fit, befand mich gleichzeitig aber auch im totalen Psycho-Modus. Ich war auch oft damit beschäftigt, die Tische im Gefängnishof hoch- und runterzuspringen, und manchmal stieß ich mir dabei auch die Zehen an oder riss mir die Schienbeine auf. Die anderen Häftlinge sahen in mir einen Verrückten, der mit blutigen Füßen und Hosen herumspringt, aber ich stellte mir immer vor, frei und nur mit dem Skateboard hingefallen zu sein. Für mich war das wie jeder andere Tag, an dem ich Skateboarden ging."

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„Einfach fest zuknoten … "

„In meiner Zelle habe ich mir schließlich ein DIY-Fitnessstudio eingerichtet. Ich schnitt den Saum von drei oder vier Bettbezügen ab und habe das Ganze so zusammengeflochten, dass ich ein Springseil hatte. Ich führte das Seil durch die Gitterstäbe meines Betts, dann durch die Gitterstäbe vor dem Fenster oben an der Decke und schließlich an der Wand runter. Ich besorgte mir außerdem noch einen Stapel Müllsäcke und befüllte jeden mit acht Liter Wasser. Dann verknotete ich das Ganze und hatte meine Hanteln. Schließlich hing ich noch ungefähr 20 Liter an die Seile und ZACK, schon war mein Fitnessstudio fertig. Das Ganze habe ich mir ganz alleine ausgedacht. Mir ist auch nie zu Ohren gekommen, dass irgendjemand anderes diesen ganzen Scheiß durchgezogen hat.

Versteh mich nicht falsch, natürlich gab es im Gefängnis auch einen normalen Fitnessbereich. Tagsüber benutzte ich den auch, aber von 15:00 Uhr bis 07:00 Uhr war man trotzdem in seiner Zelle eingesperrt. Was hätte ich denn sonst machen sollen? Mich zu Tode langweilen?"

„Es gibt nichts Schlimmeres, als einen Zellenkumpanen zu haben, der Folgendes zu dir meint: ‚Dreh dich mal zur Wand, ich will mir einen runterholen.' Jesus Christus! Darauf antwortet man dann irgendetwas nach dem Motto ‚Scheiße, OK, hau rein', wartet einen Minute und sagt schließlich wie aus dem Nichts: ‚Wie fühlt es sich an, das Ganze zum Klang einer Männerstimme zu machen?' Dann kommt eigentlich immer ein ‚HALT'S MAUL!', aber so hat man da drin immerhin mal etwas zu lachen, verstehst du?

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Als ich endlich in den Bereich mit minimaler Sicherheitsstufe verlegt wurde, fand ich auch heraus, wie ich meine Zelle quasi die ganze Zeit für mich allein hatte. Immer wenn eine Busladung neuer Häftlinge ankam, kaufte ich mir Eiscreme, Schokolade, Thunfisch sowie Kohl und aß dann immer die abgefahrensten Mahlzeiten. Wenn dann schließlich irgendein Typ zu mir in die Zelle kommen sollte, sagte ich immer: ‚Hör mir mal zu, du scheinst zwar ganz nett zu sein, aber jeder, der zu mir in die Zelle kommt, will sich irgendwann mit mir anlegen. Du musst wissen, dass ich an schlimmen Blähungen leide. Ich kann nichts dagegen machen, ich furze einfach wie verrückt und damit kommt niemand klar.' In der Nacht haute ich dann richtig tödliche Fürze raus, die sogar mich selbst fast kotzen ließen. Meine Zellengenossen meinten daraufhin immer: ‚ Scheiße, du bist eigentlich echt in Ordnung, aber das ist echt krank.' So verlangten sie bei den Wachen schließlich, in eine andere Zelle verlegt zu werden, und ich war wieder allein. Stark!"

Improvisierte Gefängnis-Curls

„Asics ist die Schuhmarke, die in den Gefängnissen ausgegeben wird. Wenn man im Hof mit einem Paar brandneuer Asics auftaucht, dann ist man wer! Das erzählte ich meiner Frau Helen und als sie mich in Long Bay besuchte, brachte sie meinen Stiefsohn Nick mit, der ein Paar frische Asics trug—und zwar die richtig geilen, nicht den billigen Scheiß, den man im Gefängnis kaufen kann. Ich empfing die beiden in meinen abgelatschten Tretern und Nick tauschte dann mit mir schnell die Schuhe. Nach dem Besuch wurde ich durchsucht: Der Wärter zog meine Schuhe aus und auf einem Sticker stand noch sowas wie ‚Footlocker, 200 Dollar' oder so. Nick, der Idiot, hatte natürlich vergessen, alle Aufkleber von der Innensohle zu entfernen. Die Wache und ich sahen uns an und er meinte nur, dass ich gehen sollte. Ich hatte echt verdammtes Glück. Viele Typen schmuggeln so nämlich Drogen ins Gefängnis. Auf diesem Weg bin ich aber an ein Paar geile Asics gekommen. Heißer Scheiß!"

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„Wenn man nur noch der minimalen Sicherheitsstufe unterliegt, dann bekommt man öfters auch mal einen Tag Freigang, damit der Übergang in die Gesellschaft reibungslos verläuft und man wieder zu einem normalen Menschen wird. Helen fand eine Halfpipe in Albury und als sie mich abholte, nahmen wir uns dort ein Hotel und ich konnte endlich wieder skateboarden. Ich habe meinem Sohn Billy das Skateboarden beigebracht, als er eineinhalb Jahre alt war. Nachdem ich dreieinhalb Jahre eingesperrt war, habe ich in dieser Halfpipe dann einen Varial 540° gestanden. Das habe ich Gott und viel Training zu verdanken.

Wenn sich der Freigang dem Ende zuneigte, wurde Billy klar, dass ich nicht bei ihm bleiben konnte. Das machte ihn total wütend. Da war es dann immer richtig schwer, wieder zurück in den Gefängnis-Modus zu kommen. Einige Häftlinge waren auch richtig neidisch darauf, dass ich Zeit mit meiner Familie verbringen durfte—vor allem die älteren Inhaftierten, die schon 10 oder 20 Jahre hinter Gittern verbracht hatten. Das Gefängnis ist wirklich ein verdammt einsamer und trauriger Ort. Die Typen dort versuchen, dir einzureden, dass du da drin richtig fertiggemacht wirst, weil es ihnen auch so ergangen ist. Das war eine schwere mentale Prüfung, aber zum Glück hat Helen die ganze Scheiße mitgemacht und wir sind heute immer noch zusammen. Das Ganze ist jetzt auch schon wieder acht Jahre her."