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Wir waren mit Alexander Van der Bellen am Kirtag in Altaussee

Was sagen die Leute zu einem Professor in Tracht? Und wie gut klappt das mit der Tuchfühlung?

Wenn sich ein Bundespräsidentschaftskandidat Van der Bellen in Tracht auf einen Kirtag begibt, ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Immerhin sollten Politiker aktiv auf Menschen zugehen, auch im Wahlkampf, und Hemmschwellen abbauen oder sich auf Augenhöhe mit den Wählern begeben.

Ich begebe mich als Journalist ja auch auf Augenhöhe mit den Menschen, um zu erfahren, was sie denken, ungeachtet wie sie sich anziehen oder reden. Insofern habe ich mich auf den Termin mit Van der Bellen beim Kirtag gefreut.

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Zum einen, weil ich wissen wollte, was an Van der Bellen dran ist—abgesehen davon, dass er kein Hofer ist. Zum anderen, weil Volksfeste etwas Ehrliches, ja fast Antikapitalistisches haben: Es gibt keine neuen Trends und eine Tracht muss man nicht jedes Jahr neu kaufen.

Das Ganze wäre auch der perfekte Anlass für Van der Bellen gewesen, um über Themen wie regionale Landwirtschaft, die EU als (vermeintlichen) Garant für Arbeitsplätze, sowie über faire Produktionsbedingungen statt Dumpingpreisen und über die Einhaltung von gewissen Standards (wie dem Käfighaltungsverbot für Hendl in der ganzen EU) zu reden. Auch Heimatliebe als wahres grünes Kernthema hätte gut gepasst.

Aber irgendwie geschah das alles nicht. Während man an den Bierbänken Geschichten über Altaussees rote Vergangenheit diskutierte (wegen der Salz-Bergwerke) oder über den Wert des Menschseins sinnierte, versuchte VdB sich stattdessen auszuruhen oder im Fame des alten Bundesministers und Feschaks Hannes Androsch zu sonnen.

Das ist als PR-Strategie nicht ganz so abwegig; ein paar ältere Besucher bewunderten Hannes Androsch, der mit seiner coolen, vollverspiegelten Sonnenbrille und seiner stylischen Tracht durchaus das Zeug zum Mitglied in einer Senioren-Boyband hätte. Er verkörperte so etwas wie "die gute alte Zeit" und "die große Politik." Aber genau dessen Fans musste Van der Bellen ja nicht überzeugen, sondern eben jene, für die er zu „elitär" oder „viel zu grün" war.

Abgesehen von kurzen Selfie-Stopps gab es keine echte Interaktion. Auch wir durften Van der Bellen nicht beim Essen oder in der Pause filmen.

Wie gesagt gab es aber abgesehen von kurzen Selfie-Stopps keine echte Überzeugungsarbeit oder Interaktion. Van der Bellens Frau wirkte offen und strahlte für mich Freude und Energie aus. Der Rest des Teams wirkte hingegen eher nervös, als ob sie wirklich den "Heimatbegriff den Nationalen überlassen" hätten (Zitat VdB) und sich sogar damit abfinden wollen.

Auch ich war dem Team anscheinend suspekt und so durften wir VdB nicht beim Essen oder in der Pause filmen. Auch das Verkabeln des Kandidaten mit einem Mikro war ein kritischer Punkt, den der Pressesprecher bis auf eine Ausnahme ablehnte. Demzufolge war es dann schwierig, auf einen Kandidaten in einem alltäglichen, entspannten Rahmen zu treffen.

Zugegeben, man muss als Politiker auch man selbst bleiben dürfen—und VdB ist eben kein Showmaster. Aber wenigstens sein Team hätte abgesehen von den Fotos für den virtuellen Wahlkampf und dem YouTube-Video auch einen Rahmen schaffen können, damit die Leute irgendwie besser an den Professor rankommen hätten können.