So fährt der erste weibliche Fahrradclub Saudi-Arabiens gegen das Patriarchat an
Foto: bereitgestellt von Nadima Abul-Enein

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Frauenrechte

So fährt der erste weibliche Fahrradclub Saudi-Arabiens gegen das Patriarchat an

Eine 18-Jährige fing damit an, im konservativsten Land der Welt. Inzwischen hat sie prominente Anhänger.

Vor fünf Jahren hat die saudi-arabische Behörde für die Verbreitung von Tugendhaftigkeit und Verhinderung von Lastern – auch als Religionspolizei bekannt – eine Fatwa erlassen, durch die Frauen unter bestimmten Bedingungen Fahrrad fahren dürfen. Dieser Schritt hatte allerdings kaum Auswirkungen darauf, wie die saudi-arabische Gesellschaft Frauen behandelt, die durch die Gegend radeln.

In ihrem Film Das Mädchen Wadjda erzählt die saudi-arabische Autorin und Regisseurin Haifaa al-Mansour die Geschichte von einem jungen Mädchen, das davon träumt, ein Fahrrad zu besitzen. Alle um sie herum sagen dem Mädchen jedoch ständig, dass Fahrradfahren nur etwas für Jungs sei und unfruchtbar mache.

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Drei Frauen fahren Fahrrad in Saudi-Arabien

Nadima (links) mit zwei anderen Mitgliedern des Bisklita-Fahrradclubs | Alle Fotos: bereitgestellt von Nadima Abul-Enein

Nadima Abul-Enein ist in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda großgeworden und hat früher immer die gleichen entmutigenden Geschichten gehört wie Wadjda, wenn sie das Thema Fahrradfahren ansprach. Mit der Unterstützung ihrer Familie hat die inzwischen 18-Jährige aber nicht nur ein Fahrrad bekommen, sondern mit Bisklita auch den ersten saudi-arabischen Fahrradclub nur für Frauen gegründet.

"Als Kind bin ich mit meinem Fahrrad immer durch die Nachbarschaft gefahren. Mit der Zeit hörte wegen des gesellschaftlichen Drucks aber auf", erzählt Nadima. "Meine Mutter und meine Schwestern ermutigten mich dann, mein Fahrrad wieder aus dem Keller zu holen. Ich fing an, Bilder meiner Ausflüge bei Instagram zu posten, und war dann richtig überrascht, weil mich so viele saudi-arabische Frauen kontaktierten und zusammen mit mir Fahrrad fahren wollten. Deswegen auch meine Entscheidung, einen Fahrradclub nur für Frauen ins Leben zu rufen."

Seit der Gründung 2015 wächst Bisklita stetig. "Anfangs waren wir nur sechs Mitglieder – meine Mutter, vier Freundinnen und ich", sagt Nadima. "Jetzt sind wir über 500 Radlerinnen aller Altersklassen." Sie hofft, den Fahrradclub in Zukunft auf weitere Städte in Saudi-Arabien auszuweiten und irgendwann sogar bei internationalen Wettbewerben anzutreten.


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Laut der Fatwa von 2013 dürfen Frauen Fahrrad und Motorrad fahren, wo sie wollen – solange sie "züchtig gekleidet" sind und das Ganze nicht als Vorwand nehmen, um ihre Abayas auszuziehen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles islamisches Kleid, das arabische Frauen oft über der normalen Kleidung tragen. Die saudi-arabische Regierung empfiehlt zudem, dass Frauen nur in Begleitung ihrer Ehemänner, Väter oder Brüder Fahrrad fahren und dabei gewisse Gegenden meiden, um nicht belästigt zu werden.

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Die saudi-arabische Regierung empfiehlt Frauen, nur in Begleitung von Männern Fahrrad zu fahren

Verständlicherweise wurde diese Empfehlung nicht gerade positiv aufgenommen: Frauen aus ganz Saudi-Arabien machten ihrem Unmut in den sozialen Medien Luft. Der Grafikdesigner Mohammad Sharaf illustrierte die Unsinnigkeit des Ratschlags in seinem Bild Not Against the Law:

Ein Bild gegen den Vorschlag der saudi-arabischen Regierung, Frauen sollen nur in Begleitung von Männern Fahrrad fahren

Not Against the Law von Mohammad Sharaf

Bei Bisklita gibt es keine männliche Begleitung. "Als wir in unseren Anfangstagen durch Dschidda geradelt sind, trauten die Leute ihren Augen kaum", erinnert sich Nadima. "Aber ganz ehrlich, anfangs war es noch richtig frustrierend. Fremde Menschen beleidigten uns und bewarfen uns mit Gegenstände. Inzwischen haben sich die Einwohner der Stadt aber an uns gewöhnt."

Polizisten verlangten eine Erlaubnis fürs Fahrradfahren von ihr – obwohl das Gesetz das gar nicht vorschreibt

Trotz dieser positiven Entwicklung sieht sich der Fahrradclub manchmal noch mit unerwarteten Hürden konfrontiert. "Vor Kurzem wurden wir von der Polizei angehalten und die Beamten sagten uns, dass wir eine Erlaubnis bräuchten. Dabei schreibt das Gesetz das überhaupt nicht vor", erzählt Nadima. "Deswegen habe ich jetzt einen Antrag darauf gestellt, dass Bisklita offiziell ein Teil des saudi-arabischen Radsportverbands wird."

Für dieses Vorhaben hat sich Nadima schon eine wichtige Befürworterin ins Boot geholt: Prinzessin Reema Bint Bandar Al Saud, die Vorsitzende des saudi-arabischen Frauensportverbands. Die spricht sich immer deutlich dafür aus, wie wichtig es ist, dass Frauen in Saudi-Arabien Sport machen können. Außerdem hat die Prinzessin Nadimas Fahrradclub schon einmal weitergeholfen.

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"Als wir wegen der nicht vorhandenen Erlaubnis nicht mehr durch bestimmte Gegenden geradelt sind, haben wir Prinzessin Reema um Hilfe gebeten. Und sie hat uns direkt einen wöchentlichen Trainingsslot im König-Abdullah-Stadion organisiert", sagt Nadima. "So haben wir immer einen Ort zum Fahrradfahren, während wir darauf warten, dass die Behörden unserem Antrag stattgeben."

Innerhalb des Stadions betreibt Nadima sogar ihr eigenes kleines Geschäft, in dem sie Abayas verkauft, die extra fürs Fahrradfahren gemacht sind. "Wir treffen uns jetzt zweimal pro Woche im Stadion – am Sonntag die Anfängerinnen, am Dienstag die Fortgeschrittenen", sagt die junge Saudi-Arabierin. "Und uns wurde zugesichert, dass wir wirklich überall Fahrrad fahren dürfen, sobald unser Antrag durch ist."

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