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Essen

Job oder Sklaverei? US-Häftlinge produzieren Essen für ihre freien Mitbürger

In keinem Land gibt es mehr Häftlinge als in den USA, der Anteil der Afroamerikaner ist überproportional. Jetzt arbeiten viele von ihnen auf den Feldern, wo einst Südstaatenplantagen standen.

Fotocollage von Kitron Neuschatz

Aus der They Come Out at Night Issue

Die USA sind bekanntlich unter den weltweiten Spitzenreitern, was die Anzahl inhaftierter Bürger angeht—und da Müßiggang aller Laster Anfang ist, brauchen die Häftlinge natürlich was zu tun. So erfreuen sich US-Amerikaner inzwischen regelmäßig an Käse oder Wein aus Gefängnisproduktion—ohne es zu wissen.

Eine Rekordmenge an Produkten wird heute in US-Gefängnissen produziert, da­runter Essen und Wein. Aktivisten brachten letztes Jahr die Biosupermarktkette Whole Foods dazu, Ziegenkäse und Fisch aus dem Sortiment zu nehmen; Gefängnisarbeit passe nicht in das faire Firmenimage. Doch Häftlinge produzieren weiterhin viele Lebensmittel, ohne dass dies auf der Verpackung vermerkt wäre. Jeff Stultz von der Kellerei der Holy-Cross-Abtei in Ohio verkündet allerdings stolz, die Weintrauben unter anderem von der staatlichen Justizvollzugs-Organisation Colorado Correctional Industries zu kaufen.

Die Geister scheiden sich an der Frage, ob die profitorientierte Häftlingsarbeit die Wiedereingliederung fördert oder eine Form moderner Sklaverei darstellt. Zu den Kritikern gehört Michael Allen von End Mass Incarceration Houston. "Es geht nur um Rasse … die Ausbeutung entrechteter Bevölkerungsgruppen. Am Ende denken sie nur ans Geld." Professor Erran Carmel von der American University hat eine Studie zu Häftlingsarbeit geleitet und widerspricht: "Die [Häftlinge] lernen, was es bedeutet, morgens aufzustehen und arbeiten zu gehen. Das ist wichtig." Studien zeigen, dass Teilnehmer des 1979 vom US-Kongress eingeführten Prison Industry Enhancement Certification Program weniger häufig rück­fällig werden, doch manche sagen, es handele sich um Selbstselektion, wählten doch eher gebildete Häftlinge die Teilnahme.

Häftlinge verdienen oft weit unter dem Mindestlohn und haben nicht das Recht, sich zu organisieren wie andere Arbeiter in den USA. Ein weiteres ethisches Problem ist der überproportionale Anteil schwarzer Inhaftierter. Alex Friedmann, stellvertretender Direktor des Human Rights Defense Center und leitender Redakteur der Prison Legal News, sagt mir gegenüber: "In den Südstaaten gibt es häufiger landwirtschaftliche Arbeit. In manchen Fällen wurden die Gefängnisse direkt auf ehemalige Plantagen gebaut." Ava DuVernay bezeichnet in ihrer neuen Doku 13TH Gefängnisse als die neuen Plantagen.

Friedmann sagt, niemand überschaue, wie viele Häftlinge Lebensmittel herstellen, doch die Hauptprodukte seien landwirtschaftlicher Art. Das meiste davon dient den Häftlingen selbst als Nahrung, doch Äpfel (Washington) oder Fleisch (Florida) aus Häftlingshand erreichen zum Beispiel auch Verbraucher.

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