Das würde passieren, wenn das Militär Donald Trump stürzt
Titelbild: Stephanie Santillan

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Staatsstreich

Das würde passieren, wenn das Militär Donald Trump stürzt

Mithilfe von Experten haben wir das Szenario durchgespielt.

Die politische Führung der Vereinigten Staaten von Amerika wird niemals gestürzt, richtig? Das US-amerikanische Volk würde ja nicht mal im Traum daran denken, den Präsidenten gewaltsam aus dessen Amt zu entheben – so wie es in manch anderen Ländern in der Vergangenheit geschehen ist. OK, einige Banker haben während der Weltwirtschaftskrise in den 20ern zwar davon geredet, Franklin D. Roosevelt abzusetzen, aber dieser Plan verlief sich schnell im Sand.

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Aber betrachten wir den Zustand der USA: Der neue Präsident ist ein launischer und unehrlicher Oligarch, der nach einem erbitterten, kräftezehrenden und eineinhalb Jahre andauernden Wahlkampf einen hauchdünnen Sieg über seine Konkurrentin erlangt hat, obwohl er weniger Stimmen als sie bekommen hat. Dieser Präsident verabscheut alle Medien, die ihn kritisieren, er greift sie per Twitter an, er hetzt seinen Sprecher auf die Korrespondenten des Weißen Hauses. Er erlebt massiven Gegenwind von seinen eigenen Geheimdiensten und eine der größten Protestbewegung der amerikanischen Geschichte stellt Trumps Legitimität in Frage.

Währenddessen hat der US-Präsident direkt mal mit den Konventionen gebrochen und mehrere ehemalige Generäle in die Regierung geholt. Einer dieser Generäle wird von fast allen Medienvertretern unterstützt, die das neue US-Staatsoberhaupt ablehnen. Wenn all diese Faktoren (die Unbeliebtheit, die Unruhen, die Generäle und das Zerwürfnis mit dem Staat im Staate) in einem anderen Land zusammenkommen würden, dann wäre die Frage nach einem anstehenden Staatsstreich angebracht.

Experten, die sich mit Putschen befassen, glauben nicht, dass so etwas in den USA passieren wird. Dr. Natasha Ezrow, Dozentin an der University of Essex und Spezialistin beim Thema Autoritarismus, sagt, dass ein solcher Staatsstreich "komplett unwahrscheinlich" sei. Tom Ginsburg, ein Coup-Forscher und Rechtswissenschaftsprofessor an der University of Chicago, stimmt zu. Er hat Anfang des Monats sogar eine Arbeit zu dem Thema veröffentlicht. Aber er fügt hinzu: "Es ist derzeit trotzdem nicht verkehrt, darüber nachzudenken."

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Ezrow und Ginsburg haben mit uns das Szenario einmal durchgespielt:

Schritt 1: Jeder stellt sich gegen den Präsidenten

Für Joseph Wright, einem Politwissenschaftler an der Pennsylvania State University, ist das ganze Konzept viel zu wahnsinnig, um überhaupt eingehend darüber zu diskutieren. Ihm zufolge müssen für einen erfolgreichen Staatsstreich alle nötigen Schritte als durchführbar und sinnvoll angesehen werden – was bei den Regierungsvertretern in Washington D.C. nicht der Fall ist.  "Die einzige Art Staatsstreich, die ich in Amerika für möglich halte", sagt Ezrow, "läuft hinter den Kulissen ab. Involviert sind Schlüsselfiguren des Militärs und der Republikaner-Elite, die sich darauf einigen, dass Trump nicht mehr im Amt sein darf. Der tritt daraufhin zurück." Ihrer Argumentation nach ist das Militär die treibende Kraft hinter dem Staatsstreich. Vizepräsident Mike Pence hat dann das politische Sagen. Falls der sich aber loyal zu seinem Boss zeigt, dann ist Paul Ryan, der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Nächste in der Reihe.

Was passiert jedoch, wenn man Trump ganz nett um seinen Rücktritt bittet und er sich weigert?

Schritt 2: Alle alternativen Möglichkeiten sind ausgeschöpft

Der Kongress, der sich in unserem Szenario mit dem Militär verbündet, hat natürlich noch andere Handlungsmöglichkeiten – zum Beispiel ein (langsames und unzuverlässiges) Amtsenthebungsverfahren oder eine Erklärung, dass der Präsidenten nach dem 25. Verfassungszusatz nicht dazu in der Lage ist, die ihm auferlegten Pflichten zu erfüllen. Ein Staatsstreich muss demnach sinnvoller wirken als diese Optionen. Dafür muss der Präsident etwa signalisieren, dass er auch dann nicht zurücktritt, wenn man ihn dazu auffordert.

Es ist also gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass man Trump auch ohne einen Coup aus dem Amt treiben kann. Der Geheimdienst wird sich wohl auch auf die Seite des Militärs schlagen, wenn der US-Präsident unbeliebt genug ist, um für eine solche Unruhe zu sorgen. Trump muss in einem solchen Fall eine loyale und vor allem private Präsidentengarde anstellen (bei seinen Auftritten nach dem Wahlsieg hat er übrigens genau das gemacht).

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"Zusammen können das Militär und der Kongress schalten und walten, wie sie wollen", meint Ginsburg. Sobald der genaue Plan zum Sturz des Präsidenten steht, sei dennoch ein Notfall globalen Ausmaßes nötig, um die die Aussetzung der Demokratie rechtfertigen zu können.

Schritt 3: Das Militär teilt Trump mit, dass er kein Präsident mehr ist

Trump muss etwas tun, das die Menschheit ernsthaft gefährdet, um einen Aufstand zu beschleunigen. "Beispielsweise einen Atomkrieg mit China auslösen", sagt Ginsburg – also einen Weltkrieg, den niemand will. Der Staatsstreich ist dann ein Versuch, der Welt zu zeigen, dass er nicht mehr der richtige Mann ist.

Das bedeutet, dass die Drahtzieher hinter dem Putsch zeigen müssen, w sie im Vergleich zu Trump viel vernünftiger und logischer agieren. Sie müssen Stabilität und Ordnung repräsentieren, denn die US-Bürger sind sehr verunsichert – verständlich bei einem Weltkrieg.

Schritt 4: Die Putschplaner erklären ihr Vorhaben

Ginsburg zufolge versprechen Putschanführer – zumindest anfangs – immer eine schnelle Rückkehr zur Demokratie. "Die amerikanische Verfassung genießt so viel Ansehen, dass der leitende General dem Volk mitteilen muss, dass es sich nur um ein Übergangsregime handle, das alles wieder in Ordnung bringt",  erklärt er. "In anderen Ländern führen Staatsstreiche oftmals zur Aufhebung oder Veränderung der Verfassung. Ein Anführer, der sich für die Aussetzung der amerikanischen Verfassung einsetzt, stößt jedoch mit Sicherheit auf nicht viel Gegenliebe."

"Am Tag des Putsches müssen die Drahtzieher zuerst die Kontrolle über die Kommunikationsmittel erlangen und dem Volk per Radio und Fernsehen klar und deutlich mitteilen, dass ein Staatsstreich im Gange ist", sagt Ezrow.

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Während die Amerikaner mit dem Gedanken an einen Coup warmwerden, kann es zu einer Mediensperrung kommen. Dabei überprüft das Militär die Kommunikation noch offensichtlicher als es das ohnehin bereits tut. Im Internet macht das Militär keinen Hehl um seine Präsenz, aber ganz abgeschaltet wird das Netz wohl nicht. So meint Ginsburg: "Das Internet hilft ihnen natürlich weiter, weil sie durch die Überwachung des Traffics herausfinden können, wer ihr Gegenspieler ist."

Schritt 5: Die Trump-Unterstützer gehen auf die Barrikaden

Wir haben jetzt die ganze Zeit von einem Unterfangen gesprochen, das von der großen Mehrheit gebilligt wird (denkt dran, der Präsident ist komplett durchgedreht). Ein Regimewechsel geht jedoch niemals so reibungslos vonstatten und viele Menschen sehen einen solchen Putsch als unrechtmäßige Machtergreifung an (was ja auch der Wahrheit entspricht). Manche Leute finden Staatsstreiche per se schlecht und andere bleiben dem Präsidenten gegenüber loyal, weil sie ihn einfach gut finden. "Bei unsicheren und gewalttätigen Coups kann es zu Gerichtsverfahren gegen sowie zu Exekutionen von Verbündeten kommen", sagt Ezrow.

Laut Ginsburg muss das Militär das Justizsystem in allen möglichen Bereichen auf seine Seite ziehen. "Irgendein Bundesrichter entscheidet aufgrund eines Haftprüfungsantrags vielleicht, dass der Präsident aus dem Gefängnis entlassen wird. Und schon ist die Konkurrenz wieder da." Außerdem betont er: "Es gibt Zehntausende Polizeibehörden, die Gewalt anwenden dürfen, und 50 verschiedene Bundesstaatsregierungen, die die Polizisten genau dazu anweisen können." So lange sich die Gerichte hinter den Staatsstreich stellen, haben Trump-Unterstützer, die auf die Straße gehen und den zweiten Verfassungszusatz (die Bildung einer Miliz gegen Regierungswillkür) sehr wörtlich nehmen, keine wirkliche Chance. Die US-Regierung geht normalerweise nicht übertrieben hart gegen bewaffnete Gruppierungen wie etwa die Bundys vor, aber diese Gruppierungen stellen auch nie eine ernsthafte Bedrohung für das dominante Regime dar. "Falls es sich um eine Situation handelt, in der viel auf dem Spiel steht und sich das Regime in Gefahr sieht, dann werden diese Leute nicht lange durchhalten", erklärt Ginsburg.

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Schritt 6: Trump inszeniert seinen letzten Akt des Widerstands

Donald Trump ist reich genug, um in einem solchen Szenario Söldner für sich kämpfen zu lassen. Außerdem hat er in den Reihen des Militärs viele Unterstützer. Das deutet darauf hin, dass sich wohl einige Soldaten auf seine Seite schlagen und gegen den Staatsstreich ankämpfen. Wenn sich die hochrangigen Militärs der USA jedoch gegen Trump verbünden, dann werden sich dessen Truppen irgendwann ergeben müssen.

"Wenn sich das politische Oberhaupt an seine Macht klammert, dann wird es normalerweise getötet", erklärt Ezrow. "Und wenn es nicht zu einer Ermordung kommt, dann stellt man im Allgemeinen ein Ultimatum: Wenn die betroffene Person ohne Gegenwehr zurücktritt, dann darf sie ausreisen und ein Leben im Exil leben."

In Bezug auf das Exil ist Ginsburg anderer Meinung: "Bei einem Coup ist es auf jeden Fall das Ziel, das politische Oberhaupt zu isolieren und nach der eigenen Pfeife tanzen zu lassen. Für mich gibt es keinen Grund, diese Person ins Exil zu schicken. Stattdessen wird man ihr wohl diverse Verbrechen anhängen und sie ins Gefängnis stecken."

Schritt 7: Das neue Regime regiert über das Land

Laut Ezrows Forschungen hat es auf dem gesamten amerikanischen Kontinent schon 145 Staatsstreiche gegeben. Die Erfolgsquote liegt dort bei 48,3 Prozent. Weltweit waren rund 50 Prozent der Staatsstreiche erfolgreich. Nur in Europa ledigkeich 33,3 Prozent aller Staatsstreiche zum Ziel. "Ein Putsch in einem Land, in dem es noch nie einen Putsch gegeben hat, führt wahrscheinlich zu einer großen Instabilität sowie zu Protesten gegen die Drahtzieher", meint die Expertin.

Ihr zufolge bildet sich im Falle einer erfolgreichen Durchführung eine funktionsfähige Regierung. Dieser Vorhang dauert im Normalfall allerdings mehrere Wochen.

Diese Wochen des Chaos plus das schockierende Bild eines verbannten, eingesperrten oder getöteten Präsidenten, plus die Unterbindung der Kommunikation, plus der Bruch mit der schon 200 Jahre andauernden Tradition von friedlichen Machtübergaben ,plus die Auseinandersetzung zwischen Coup-Unterstützern und -Gegnern im eigenen Land, wären für die USA wohl desaströs. Unterm Strich lässt sich sagen, dass dieses Szenario wahrscheinlich schlimmer ist als alles, was der Präsident jemals anstellen könnte. Zum Glück wird so etwas nie passieren.

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