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​Kranker Scheiß aus dem Leben einer Rezeptionistin

Eine nackte Frau im Hotel, die verloren geht, Araber, die Pinguine kaufen wollen, und ein Nachbar, der wegen eines Apfelstrudels Anzeige erstattet – was man als Rezeptionistin so erlebt.
Illustration von Elisabeth Haider

Wir haben an dieser Stelle ja schon viel kranken Scheiß aus den unterschiedlichsten Berufsalltagen gehört: aus dem eines Zahnarztes, einer Kosmetikern oder einer Sex-Shop-Mitarbeiterin. Dieses Mal beschäftigen wir uns mit den Erlebnissen einer Rezeptionistin. Sie erzählt, was sie zwischen Louis-Vuitton-Koffer und Bussi-Bussi-Gesellschaft so erlebt hat. Da wird schnell klar, dass das Arbeiten in einem Luxushotel nicht glamourös ist und dass es auch in sehr teuren Hotels nicht immer gediegen zugeht.

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Die Nackte, Teil 1

Es war 3:00 Uhr und ich hatte Nachtdienst im Hotel. Meistens passiert da gar nichts. Irgendwann schläft auch die letzte Person, die sich mitten in der Nacht noch einen Lachstoast einbildet, und dann gibt es für mich nichts mehr zu tun. Ich muss einfach nur da sein, für den Fall, dass ein Notfall eintritt—24 Stunden Room-Service nennt sich das bei uns. Meistens habe ich im Nachtdienst also nicht wirklich etwas zu tun und schaue dann Serien oder lerne—ich suche mir halt irgendeine Beschäftigung, um nicht einzupennen. So war es auch an diesem Abend und ich versuchte, endlich für die Uni zu lernen.

Plötzlich sah ich einen Schatten an der Bar. In mir stieg Panik hoch. Schon mehrmals hatte ich darüber nachgedacht, dass mich eigentlich ganz easy jemand im Nachdienst ermorden könnte und es niemand bemerken würde, bis am Morgen dann die Kollegen den nächsten Dienst beginnen. Hotels in der Nacht sind leer und gruselig—das habe ich nicht nur im vereinsamten Hotel in The Shining beobachtet.

Dann hörte ich Schritte. Ich ging zum Telefon und dachte mir: So kann ich wenigstens noch versuchen, die Polizei zu rufen, wenn mich jetzt jemand umbringen will. Ich nahm den Hörer ab und hörte wieder Schritte. Ich drehte mich um und legte den Hörer nieder.

Da wurde mir klar, dass ich hier ein ganz anderes Problem hatte. Vor mir stand eine Frau. Sie war splitterfasernackt—kein Höschen, kein BH, kein Bademantel, kein noch so winziges Handtuch—nichts. Ich starrte auf ihre Schamhaare und zwang mich, den Blick auf ihr Gesicht zu richten. Du musst jetzt professionell sein, dachte ich mir. Wie man mit so etwas umgeht, haben wir in keiner Schulung gelernt.
„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", stotterte ich.
„Ja, also ja ich hab mich ausgesperrt", antwortete sie. Ihr Blick war ganz schön druff —außerdem wirkte sie total besoffen. Ich setzte mein Der-Gast-ist-immer-König-Lächeln auf und antwortete: „Das ist kein Problem, Madame. Ich hole Ihnen nur schnell einen Bademantel und dann bringe ich Sie auf Ihr Zimmer." Ich wartete auf eine Reaktion—nichts. Sie starrte mich nur an, als wäre ich gar nicht da.

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Ich ging in den Keller, um ihr einen Bademantel zu holen und dachte mir, dass ich ihr den sofort überwerfen müsse, damit kein anderer Gast etwas davon mitbekam—sonst würden wir am nächsten Tag vermutlich als das „Porno-Hotel" in den Boulevardzeitungen stehen. Ich nahm einen Bademantel und weiße Stoffschlappen von dem Stapel, der gestern von der Wäscherei geliefert wurde und lief die Stufen wieder rauf. Die Nackte war einfach verschwunden.

DIE NACKTE, TEIL 2

Ich suchte sie überall im Umkreis der Rezeption. Auch das Restaurant war leer. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie sie es in ihrem Zustand noch irgendwo hin geschafft haben konnte.

„Madame?" rief ich. Keine Antwort.

Ich ging die Stufen rauf in den ersten Stock. Der Flur war dunkel und leer. Dann lief ich in den zweiten rauf. Meine Hände waren ganz nass. Auch hier war alles leer. Ein nackter Gast kann doch nicht so einfach verschwinden, dachte ich mir. Mein Herz raste vom Treppensteigen. Ich sollte wohl endlich mit dem Rauchen aufhören. Ich dachte darüber nach, ob ich den Direktor anrufen würde, wenn ich sie nicht mehr finden könnte. Ich fragte mich, was ich ihm wohl sagen könnte: „Ein nackter Gast war da—und ich hab ihn verloren" klingt ganz schön bescheuert.

Da sah ich sie, wie sie bei der Wand hockte und seelenruhig auf den Boden pisste.

Ich ging zu ihr hin und legte ihr den Bademantel um. „Ich bringe Sie jetzt auf Ihr Zimmer", sagte ich und deutete auf die Karte für das Zimmer 421. Da wurde sie wütend und fauchte mich an: „Danke, gehen kann ich alleine." Sie riss mir die Karte aus der Hand und machte sich auf den Weg zum Lift. Ich ging ihr nach und beobachtete die Lichter. Die 4 leuchtete—sie fuhr also in den vierten Stock. Alles gut, dachte ich mir, die Zimmertür würde sie ja wohl allein aufkriegen.

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Ich ging die Stufen runter zur Rezeption und packte mein Leben nicht mehr. Ich konnte nur daran denken, wie die Frau aussah, als ich sie am Tag zuvor eincheckte. Ihr gesamtes Gepäck war von Louis Vuitton, sie trug Perlen und einen unglaublich gut sitzenden Hosenanzug—eine Business-Frau wie aus dem Buche.

Das Telefon an der Rezeption läutete. Es war erstaunlicherweise kein von Heißhunger-Attacken getriebener Gast, sondern das ältere Ehepaar aus Zimmer 438. Sie waren ziemlich aufgebracht und nach einigen Sekunden verstand ich auch ihren Ärger: Sie beklagten sich nämlich über eine nackte Frau vor ihrer Zimmertür, die immer wieder dagegen schlug und herumschrie.

Am nächsten Tag stand diese Frau dann vor meiner Kollegin—wieder in Hosenanzug und Highheels und mit ihrer überdimensionalen Prada-Sonnenbrille, wie sie mir später erzählte. Von der Dame kam kein „Danke für gestern Nacht" oder „Sorry, das war peinlich"—nein, sie beschwerte sich über den schlechten Service des Hotels und bestand sogar darauf, ihre Rechnung nicht zu bezahlen.

Anzeige wegen Apfelstrudel

Illustration von Elisabeth Haider

Es sind aber nicht nur die Gäste in Hotels, die sich manchmal verrückt benehmen, sondern auch Menschen aus anderen Dienstleistungssektoren, die glauben, dass man als Rezeptionist plötzlich für alles zuständig wäre.

In einem Café in der Nähe unseres Hotels waren Gäste angeblich Apfelstrudel essen. Laut dem Besitzer zahlten sie nicht und dieser stürmte danach total wütend zu uns ins Hotel. Er erklärte mir, dass ich ihm sofort die Kontaktdaten aller Gäste geben müsse. Ich erklärte ihm, dass ich das nicht dürfte und fragte ihn, warum er sich so sicher sei, dass es unsere Gäste waren. Er antwortete: „Das weiß ich einfach." Da er ziemlich neben der Spur zu sein schien, antwortete ich ihm: „Ich liefere unsere Gäste sicher nicht aus." Daraufhin erklärte er mir, dass er mich auch bei der Polizei anzeigen würde.

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Eine Stunden später kam er dann mit zwei Polizisten zurück und sie eruierten die Namen der besagten Schwerverbrecher. Lange Rede kurzer Sinn, es endete alles damit, dass die Gäste, die schon wieder in Deutschland waren, wegen 7 Euro zurückkommen mussten, um die Apfelstrudel zu bezahlen. Der Kellner zog die Anzeige gegen mich anschließend wieder zurück.

EINEN PINGUIN, BITTE!

lllustration von Elisabeth Haider

Ich hatte schon von Kollegen aus anderen Hotels viele Gerüchte über reiche arabische Gäste gehört. Es wurde sogar über ein Hotel getuschelt, in dem anscheinend Araber ein Tier am Zimmer geschlachtet haben sollen und auch von komplett zerstörten Zimmern wird immer wieder geredet. Ich stempelte das alles immer als Klischees und Gossip ab—zumindest bis ich meine ganz eigene Araber-Story erlebte.

An einem Nachmittag stand auf einmal ein kleiner Junge vor mir. In seinen Händen hatte er mehrere Hundert Euro Scheine. Ich starrte ihn zuerst einmal nur an. Dann ging ich in die Knie und fragte ihn: „What du you want? Can I help you?" Er sprach eine Mischung aus Arabisch und Englisch. Ich verstand nur: „Please, buy penguin".

Ich wählte die Durchwahl des Zimmers seiner Eltern und fragte nach. Der Vater erklärte mir am Telefon, dass sie heute im Tierpark Schönbrunn gewesen wären und sich sein Sohn dort in die Pinguine verliebt hätte. Jetzt wolle er eben selbst auch einen, darum habe er ihn runtergeschickt—um einen kaufen zu lassen. Ich sagte zuerst einmal gar nichts. Ich dachte kurz an einen Telefonstreich. Und wenn nicht der Junge mit dem Geld vor mir gestanden hätte, wäre ich wahrscheinlich immer noch davon überzeugt.

Nach einigen Sekunden Stille fragte mich der Vater, ob er denn seinem Jungen zu wenig Geld mitgegeben hätte. Ich verneinte und lege auf und schicke den Jungen wieder rauf. Am nächsten Tag schenkte das Hotel dem Jungen einen Plüsch-Pinguin als Ersatz und wir versuchten erneut, der Familie zu erklären, dass man Pinguine hier nicht einfach so kaufen könne.

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