10 Fragen an einen Barkeeper, die du dich niemals trauen würdest zu stellen
Alle Fotos: Eva L. Hoppe 

FYI.

This story is over 5 years old.

Bars und Kneipen

10 Fragen an einen Barkeeper, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wie bekommt man Drinks aufs Haus? Welche Gäste nerven am meisten? Handelst du mit Drogen?

Menschen wie Hannes arbeiten, wenn wir feiern. Er ist Barkeeper – und Bierbringer, Toilettenpapierauffüller und manchmal auch Seelsorger. So finanziert der 28-Jährige sein Studium der Kommunikationswissenschaften. Wir treffen ihn kurz vor Schichtbeginn in einer Bar, die aussieht wie jede zweite in Berlin: Durch den Putz an den Wänden lugen Backsteine, auf den Tischen stehen vom Kerzenwachs vollgeträufelte Whiskyflaschen und die Stühle scheint jemand wahllos auf dem Flohmarkt zusammengesucht zu haben. Hannes im weißen Basic-Shirt, mit Dutt und lässiger Selbstverständlichkeit beim Zapfen fügt sich nahtlos ins Inventar ein.

Anzeige

"Ohne die ungefähr 80 Euro Trinkgeld pro Schicht würde ich das niemals machen", sagt Hannes, während er zwei Shots Wodka auf den Tresen stellt: "Geht auf mich." Mit 8,84 Euro pro Stunde verdient er den gesetzlichen Mindestlohn. Trotzdem mag er den Job. "Ich verdiene seit 16 Jahren Geld, während alle anderen es ausgeben", sagt er. "Und da steckt ja viel mehr hinter, als nur Cocktails zu mixen." Wir haben Fragen.

VICE: Welche Gäste nerven dich am meisten?
Hannes: Kreischende Mädchengangs, die ihren 21. Geburtstag feiern, oder Menschen, die sich ständig Lieder an der Bar wünschen. Es kotzt mich auch an, wenn Leute Tee oder Kaffee bestellen. Wir sind eine Bar und kein Café. Was mich aber gar nicht nervt, sind Kunden, die sagen, dass ihnen der Longdrink nicht stark genug sei. Wenn ich selbst in Bars gehe, frage ich auch öfters nochmal nach mehr. Das funktioniert fast immer.


Auch bei VICE: Die Schrippenmutti von Berlin


Wie bekommt man Drinks aufs Haus?
Es gibt da keine Formel, aber ich gebe attraktiven Frauen oder sympathischen Gästen oft mal Kurze aus. Es bringt einiges, wenn man freundlich ist. Arschlöcher, die mit Scheinen wedeln oder mich so behandeln wie ihre Servicekraft, kriegen nichts umsonst und werden auch später bedient. Wenn ich einen Gast total anstrengend finde, mach ich ihm weniger Alkohol in den Drink.

Wie oft schleppst du nach deiner Schicht Frauen ab?
Zu meinen Singlezeiten habe ich häufig Frauen in der Bar abgeschleppt. Alles fing mit Augenkontakt und einem Gratis-Drink an. Dann warteten sie meistens auf mich bis Schichtende. Einmal ging es sogar noch schneller: Da habe ich eine Frau mit ins Lager genommen und die hat mir dann zwischen den Bierfässern einen geblasen. Das machen fast alle Kollegen und Kolleginnen hier so. Als ich noch nicht hier war, wurde hier mal eine Orgie gefeiert. Zwei meiner Kollegen hatten vier Mädels in die Bar mitgenommen und die Fenster mit Zeitungspapier abgeklebt. Dann haben sie es überall hier in der Bar auf den Sofas getrieben.

Anzeige

Sein Chef kommt durch die Tür. "Erzähl mal eine verrückte Story, die dir hier passiert ist", fordert ihn Hannes auf. Der Mann Ende 30 zeigt auf die Bar, an der wir sitzen, und sagt: "Da haben drei Mädels drauf getanzt. Darunter hab ich eine riesige Line über den ganzen Tresen gelegt und gezogen. Wenn diese Mauern sprechen könnten, dann würden sie tagelang erzählen."

Handeln wirklich so viele Barkeeper mit Drogen?
Ich tu das nicht, aber ich kenne einige Barkeeper, die mit Drogen handeln. Das macht Sinn, denn wir werden so oft von Gästen nach Gras und Kokain gefragt. Ich leite die dann weiter an jemanden in der Gegend oder jemanden im Laden, der ihnen das verkauft. Ich habe lange Zeit immer auf Kokain gearbeitet. Ich bin dann mit Kollegen oder Freunden immer ins Lager und habe einige Nasen gelegt. Das ist auch mal ausgeartet, sodass ich nach der Freitagsschicht bis Samstagabend durchgefeiert und dann sofort wieder gearbeitet habe. Danach habe ich wieder bis Sonntagabend gefeiert. Mittlerweile macht mich das aber nervös, wenn ich Drogen während der Schicht nehme. Trotzdem kann man sagen, dass wir Drogen tolerieren, hier darf auch mal nach Mitternacht drinnen gekifft werden.

Hannes’ Chef unterbricht das Gespräch: "Wenn einer nach sieben Longdrinks noch steht, da wissen wir doch, was los ist. Das kannst du ja gar nicht verhindern. Und solange sie das auf Klo nehmen und keinen Stress machen, dann können die gerne was nehmen. Die sollen sogar, dann machen wir mehr Umsatz."

Anzeige

Wie oft kotzt dir jemand in die Bar?
So an jedem fünften Abend. Es gibt öfter Menschen, die meinen, es übertreiben zu müssen. Wir hatten letztens einen Typen hier, der sein erstes Mal Alkohol mit 22 hier zelebriert hat: Nach zwei Tequila und einem Long Island hat er drei Stunden lang unser Klo besetzt. Das ist blöd für die Leute, die kacken oder konsumieren müssen. Mindestens so nervig und häufig wie die Leute, die kotzen, sind aber die Leute, die klauen. Die erwischen wir nie. Außer wenn welche mit zwei oder drei Rosen in der Hand so tun, als ob sie Rosenverkäufer wären. Die werfe ich sofort raus.

Bei welchem Getränk verdient die Bar am meisten?
Mexikaner. Eine Flasche kostet drei Euro und mit zwei Shots für je zwei Euro haben wir die Flasche schon wieder drin. Der wird in letzter Zeit auch immer häufiger getrunken – obwohl das echt eklig schmeckt.

Wie denkst du über diesen "einsamen Typen an der Theke"?
Ich mag die. Hinter diesen Menschen stecken spannende Lebensgeschichten. Hier saß mal einer, der sagte, er sei ein Medium aus der Türkei. Als mir ein Glas auf den Boden fiel, meinte er, ich sei jetzt frei. Letzte Woche kam ein Mädel rein, das ihr Handy hier aufladen wollte. Im Gespräch kam heraus, dass sie auf ihre Freundin wartet, die von der Polizei festgenommen worden war, weil sie betrunken mit einem fremden Fahrrad weggeradelt ist. Nach drei Stunden kam die Freundin noch immer völlig besoffen rein und die beiden haben sich hier nochmal abgeschossen.

Anzeige

Gibst du betrunkenen Kunden manchmal weniger Rückgeld?
Sowas mache ich nicht. Selbst wenn Leute mal bei einer 13-Euro-Rechnung einen Fuffie geben und sagen "Stimmt so", dann frage ich immer nochmal nach. Meistens gibt es dann zum guten Gewissen auch noch gutes Trinkgeld. Es ist aber sehr verbreitet, dass Barkeeper einige Getränke zusätzlich auf die Rechnung hauen. Ich mache das nicht, aber es wäre schon sehr einfach, weil die meisten Gäste ab 20 Euro keinen Überblick mehr haben. Das Einzige, was mal nicht so ehrenhaft von mir war: Ich habe beim Aufräumen einen Geldbeutel gefunden und die Hundert Euro eingesteckt. Als der Gast den leeren Geldbeutel abgeholt hat, hatte ich echt ein schlechtes Gewissen.

Woran erkennst du Tinder-Dates?
Das ist relativ auffällig. Es gibt Frauen und Männer, die an verschiedenen Tagen mit unterschiedlichen Dates herkommen. Da weiß ich schnell, dass die sich bei Tinder kennengelernt haben. Regelmäßig erkenne ich es auch beim Zahlen, weil Tinder-Jungs immer mehr Trinkgeld geben, um ihre Dates zu beeindrucken. Ich merke es aber auch daran, dass die Frauen oft gelangweilt sind und Kontakt zu mir als Barkeeper suchen. Mein Tipp: Die besten Dates sind die, bei denen viel getrunken wird.

Ist es dir egal, wenn du Leute bedienst, die offensichtlich ein Alkoholproblem haben?
Wir haben viele Leute mit Alkoholproblem hier, aber wenn ich sie nicht bediene, dann holen sie sich ihren Drink woanders. Ich gebe Gästen erst nichts mehr, wenn sie zu voll sind. Die werden sonst für die Bar und sich selbst nur unangenehm. Ich habe auch schon mehrere Leute daran gehindert, dass sie noch fahren. Einem habe ich seinen Motorradhelm abgenommen, dem Anderen die Auto-Schlüssel. Beide haben sich am nächsten Tag bei mir bedankt. Als Barkeeper habe ich da auch eine Verantwortung – obwohl ich meistens selber richtig voll bin.

Folge Benedikt auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.