Sex

Dein Singlesein sollte dich nicht mehr stolz machen

Die Wahrheit hinter #singlenotsorry ist: Du hast noch weniger Sex als Deine Pärchenfreunde und Dein meistangerufener Kontakt heißt Mama.
Trauriger Single neben knutschendem Paar
Foto: imago images | United Archives

Herzlichen Glückwunsch zum Singles’ Day! Heute ist der Tag für uns Singles, unsere Unabhängigkeit, die Freiheit und die ganze Happiness mit 80 Prozent Rabatt auf eine neue Yoga-Leggins oder den hautschonenden Intimhaartrimmer zu feiern. Self-care, Ihr wisst Bescheid: Wir Singles brauchen niemanden, der uns Geschenke macht, die wir nicht brauchen. Wir brauchen überhaupt niemanden, erst recht keine/n Partner/in zum Netflix-Durchschauen. Allein aufs Bilderbuch-Konzert gehen, Soloreise nach Paris, #singlenotsorry.

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Aus dem Single-Shaming ("Bist du allein hier auf der Hochzeit?") ist in den letzten Jahren ein Single-Stolz geworden. Als "self-partnered" bezeichnet sich Emma Watson, und Lizzo ist selbst ihr einziges Soulmate. Galten Alleinstehende bis vor kurzem spätestens ab einem gewissen Alter, in der Regel: 30, als traurige, vereinsamte Gestalten, die zu viel Tee trinken und langsam eine Katzenhaarallergie entwickeln, strahlt der neue happy Single vor Aktivität und Zufriedenheit. Statt Spieleabende mit noch langweiligeren Paaren zu machen, trifft er oder sie glückliche Singlefreunde und wacht einige Partystunden später trotzdem nicht von Morgenmundgeruch auf. Oder höchstens vom eigenen. Irgendwo dazwischen passiert noch ein Haufen verrückter Sex mit schnell wechselnden Partnern oder Partnerinnen, die extrem erfahren und versaut, weil auch alle Singles sind.

Nicht einmal Tinder versucht mehr, uns das perfekte Match zu verkaufen, sondern feiert Singles als die erfüllteren Menschen. Der alte Werbespruch "It starts here" machte ziemlich unsubtil klar, was "es" war: eine Partnerschaft und der Start in ein neues, besseres Beziehungsleben. Jetzt will Tinder niemanden mehr verkuppeln, sondern dass alle für immer Singles (und auf Tinder) bleiben. Slogan: "Single is a terrible thing to waste".

Logisch, solange selbst eine Multimillionärin, UN-Botschafterin und Starschauspielerin wie Emma Watson den gesellschaftlichen Verpartnerungsdruck spürt, brauchen wir noch viel mehr zufriedene Singles als Vorbilder. Einerseits. Andererseits bringt es wenig, das Single-Klischee (einsam, tut alles, um nicht mehr Single zu sein) durch ein übertrieben glorifizierendes Bild (aktiv, erfüllt, happy) zu ersetzen. Denn um mal mit ein paar Mythen aufzuräumen: Viel Sex haben Singles vor allem in Serien, die sich dann Singles anschauen, während sie keinen Sex haben. Mehrmals pro Woche Sex haben laut einer Studie von “Elite Partner" 24 Prozent aller Paare, aber nur fünf Prozent der Single-Frauen und acht Prozent der Single-Männer. Mehr als ein Drittel der 18- bis 29-jährigen Singles hat seit mindestens einem Jahr mit niemandem geschlafen.

Helfen würde also ein bisschen Realismus, denn ohne ihn nerven die superglücklichen Singles im Freundeskreis fast so sehr wie verliebte Dauerhändchenhaltpaare. Verstanden: Alleinsein ist nicht dasselbe wie Einsamkeit, und Singles sind keine bemitleidenswerten Geschöpfe, denen eine Partnerschaft fehlt. Genauso wenig aber bedeuten fünf Jahre Beziehung, dass jemand bloß Angst hat, Single zu sein und lieber eine Sicherheitspartnerschaft führt, deren größter Thrill darin besteht, Samstagmorgen das Marktgemüse im Thermomix zu häckseln.

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