Meinung

Uploadfilter: Hört endlich auf, auf Axel Voss herumzuhacken

Denn ein Gespräch mit Voss über Urheberrecht ist möglich, aber sinnlos – wie sein Auftritt bei der re:publica beweist.
Axel Voss bei der re:publica
Axel Voss diskutiert bei der re:publica in Berlin || Fotos: Shirin Siebert

Wird Axel Voss doch noch zugeben, dass seine Reform des Urheberrechts ein riesiger Murks war? Ein Fünkchen Hoffnung haben wohl viele, als sich der EU-Abgeordnete der CDU noch einmal einem Streitgespräch stellt. Auf der 19. Ausgabe der Berliner Digitalkonferenz re:publica will Voss – Wochen nach der finalen Entscheidung des EU-Parlaments – "erklären, dass das eigentlich gar nicht so schlimm wird". Das sagt er am Anfang des Gesprächs auf der Bühne.

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Zehntausende Demonstranten, Millionen Unterzeichner einer Online-Petition und zig Expertinnen, Influencer und Journalistinnen sehen das anders. Die umstrittene Reform ist inzwischen beschlossene Sache. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach Uploadfilter für Plattformen wie YouTube bringen, die das freie Internet, wie wir es kennen, radikal verändern.

Hunderte wollen am heutigen Dienstag live dabei sein, wenn Axel Voss dazu ein weiteres, vielleicht ein letztes Mal, Rede und Antwort steht. Sie streiten sich um Plätze in der ersten Reihe, Nachzügler bekommen nur noch einen Platz auf dem Boden. "Das ist wie Godzilla gegen King Kong!", sagt einer, der ganz vorne einen Platz ergattert hat. Mit "King Kong" meint er wohl Voss' Gesprächspartner, den Netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl, einen der vielen Kritiker der Reform.


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Mit Godzilla und King Kong haben die beiden Männer nichts zu tun. Der Vergleich fasst aber zusammen, was sich viele Zuschauer des Streitgesprächs offenbar auch erhoffen: beste Unterhaltung. Ein Battle zwischen Gut (Beckedahl) und Böse (Voss natürlich). Eine weitere öffentliche Demontage des verschrieenen CDU-Mannes, dem wir die verhassten Uploadfilter zu verdanken haben. Fehlt nur noch, dass jemand Popcorn auspackt.

Kann man Axel Voss das Problem mit einem ausgedruckten Meme erklären?

How can anyone think we would ban memes?

"How can anyone think we would ban memes?" heißt das Meme, das Markus Beckedahl (rechts) zur Diskussion mitgebracht hat

Befürworter der Reform gibt es offenbar keine im Saal, und wenn doch, dann geben sie sich nicht zu erkennen. Zu Beginn sagt Axel Voss, er möchte gerne mal "vernünftig erklären", was die Reform des Urheberrechts wirklich bedeute. "Weil ich das Gefühl habe, man lässt eine Generation in Frustration zurück". Diese Frustration hat Voss vor allem selbst ausgelöst: Denn mehrfach schon hat er in Interviews – mit VICE, Zeit Online und SZ.de klar gemacht: Ihm fehlt der Sachverstand für Netzkultur.

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Genau das und nichts Neues stellt auch Voss' Streitgespräch mit Beckedahl unter Beweis. Wer sich so etwas wie späte Einsicht erhofft hat, wird nach wenigen Minuten enttäuscht. Voss betont zum Beispiel, Memes seien von der Reform geschützt – muss aber eingestehen, dass künftige Filter sogar einen Livestream blockieren könnten, wenn jemand einfach nur ein Facepalm-Meme mit Star Trek-Captain Picard in die Kamera hält. Absurd! Und klar könne man nach der Reform Remixe aus geschütztem Material sogar ohne kreative Eigenleistung hochladen – dabei spricht vieles dafür, dass eine derart laxe Gesetzgebung niemals Realität wird, etwa das TV-Total-Urteil des Bundesgerichtshofs. Voss zeigt, was er schon all die Monate gezeigt hat: Keine Spur von Kompetenz.

Das Publikum kommentiert diese und viele weitere Äußerungen von Voss mit hämischem Gelächter und Zwischenrufen. Die pointierten Einwände von Beckedahl bekommen heftigen Applaus. "Meine Befürchtung ist, dass man mit einer Schrotflinte auf YouTube geschossen, und das halbe internet mit getroffen hat", sagt Beckedahl. Das Publikum jubelt. Um eine konstruktive Debatte geht es längst nicht mehr. Die Generation Social Media suhlt sich Wochen nach der Entscheidung immer noch in ihrer Opferrolle: missverstanden und schlecht behandelt. So sad! Und das ist der Punkt, an dem es unangenehm wird.

Es ist an der Zeit, über Axel Voss hinwegzukommen – und über seine Inkompetenz. Jetzt, nachdem die Reform beschlossen ist, hat Voss recht, wenn er sagt: "Ich kann es auch nicht ändern".

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Ja, er hat eine Murks-Reform durchs Parlament geboxt, die dem Internet massiv schaden wird. Ja, offenkundig begreift er nicht, welche Tragweite seine Reform wirklich hat, und wird es wahrscheinlich auch nie begreifen. Aber es bringt niemanden weiter, das noch ein siebtes und achtes Mal vorzuführen.

Voss macht unmissverständlich deutlich: Seine Arbeit ist beendet. Sein anfängliches Versprechen, etwas "erklären" zu wollen, kann er nicht einlösen. Ein Gespräch mit Axel Voss über Urheberrecht ist möglich, aber sinnlos.

"Ich gehe davon aus, dass der User überhaupt keine Veränderung zu spüren hat", sagt er auf der re:publica-Bühne – und zeigt damit, dass er die Sorgen seiner Kritiker immer noch für nichtig hält. Voss' Haltung zur Reform ist offenbar die eines Sachbearbeiters, der mehr schlecht als recht einen bürokratischen Prozess begleitet hat. Für alles weitere fühlt er sich nicht zuständig. Und all die Probleme, von denen die Kritiker sprechen? Das sei nun Aufgabe der EU-Staaten und der Plattformen, die die Reform in Gesetze gießen und umsetzen müssen. Und wenn es dann immer noch Probleme gebe, so Voss, könne die EU als Gesetzgeber ja nochmal ran.

Wer sich wirklich um die Zukunft des freien Internets sorgt, muss Axel Voss jetzt hinter sich lassen. Noch mehr hämisches Gelächter bringt keinen weiter. Die EU-Staaten haben zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen – dieses Gesetzgebungsverfahren ist der Schauplatz, an dem jetzt diskutiert werden muss. Und vom 23. bis 26. Mai ist Europawahl – das ist für jeden einzelnen die Gelegenheit, aktiv Konsequenzen zu ziehen.

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