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Warum man überhaupt mit Bushido reden sollte

Nach seinem Interview mit Bushido erklärt Marcus Staiger, warum er es für wichtig hält, den Dialog mit Bushido zu suchen.

Bushido und Marcus Staiger im Interview

Irgendwie passt er nicht. Noch immer nicht. Was er sagt, ist nicht das, was man von ihm hören will. Am besten hört man gar nichts. Dass es sich bei Bushido allerdings um ein Phänomen handelt, das sehr wohl von hier kommt und mit dem es lohnt, sich auseinander zu setzen, fällt den wenigsten auf. Das fängt bei der Frage der weiblichen Emanzipation an, geht über die Einstellung zur Homosexualität und hört beim Selbstverständnis eines deutschen Staatsbürgers muslimischen Glaubens auf.

Bushido ist ja nicht deshalb so erfolgreich in dieser Medienwelt, weil er in diesen Fragen ganz exklusive und exotische Ansichten hat. Er ist deshalb so erfolgreich, weil er die Gabe besitzt, das auszusprechen, was vielen Menschen so im Kopf herumwabert. Das kann man scheiße finden, ändert aber leider nichts an der Tatsache, dass es eben so ist. Abgesehen davon ist er selbst durchaus in der Lage, hin und wieder kritisch zu reflektieren, auch wenn er sich in den meisten Fällen auf eine trotzige „Mir doch scheißegal!"-Haltung zurückzieht. Aber auch so etwas kommt an. Vor allem bei seinen Fans—der zieht sein Ding durch.

In seiner neuen Rolle als einigermaßen frisch bekehrter gläubiger Muslim allerdings fällt ihm die Positionierung offensichtlich noch schwer. Das alte Spiel mit den Medien, bestehend aus Provokation und hysterischer Überreaktion, funktioniert nicht mehr ganz so gut, da hier Themen berührt werden, die doch tiefer unter die Haut gehen, als wenn man den ehemaligen Bürgermeister von Berlin als Schwuchtel bezeichnet. Da steht die Zeitungslandschaft Kopf, weil Herr Ferchichi einen Tag nach dem schrecklichen Attentat auf die Redaktion der Zeitschrift Charlie Hebdo einen Paris-Pulli der Firma Nike trägt, versehen mit einem Werbespruch für sein kommendes Album. Selbst wenn man dem Rapper glaubt, dass er den Pulli vollkommen aus Versehen angezogen und das Foto ohne Hintergedanken gepostet haben will, lässt er es, auch nachdem ihm unzählige Menschen nahegebracht haben, dass der Post im besten Fall gedankenlos, im schlechtesten Fall geschmacklos war, unkommentiert und leicht trotzig stehen. Schließlich trägt ja auch der Rap-Kollege Prinz Pi einen solchen Pulli bei seinem Berlin-Konzert und veröffentlicht ein Foto davon auf seinem eigenen Facebook-Profil.

„Da macht keiner einen Aufstand, nur bei mir", denkt sich Bushido und zum Teil hat er ja auch Recht damit, zum Teil aber auch nicht. Dass Prinz Pi den Pulli einfach nur trägt und ohne „Bald geht's wieder rund" postet, ist jetzt wahlweise Korinthenkackerei oder ein wichtiges Detail. Aber dass die Medien auf die Fleischbrocken anspringen, die ihnen Bushido vor die Füße wirft, dürfte ihn nicht überraschen. Er hat sie jahrelang angefüttert und zu einem gewissen Teil lebt er ja auch von ihrer Aufmerksamkeit. Was allerdings seine Rolle als ein sich offen zu seinem Glauben bekennender Muslim angeht, da sieht die Sache dann doch ein wenig anders aus. Das ist der Öffentlichkeit suspekt. Damit kommt sie gar nicht klar. Das ist neu. Da ist ein Typ mit einem Rauschebart, dem Kontakte zur Mafia nachgesagt werden und der zum Beten in die berüchtigte Al-Nur-Moschee geht, die im Verdacht steht, einige bekannte Dschihadisten hervorgebracht zu haben.

Entgegen seiner Rolle als Gangster-Rapper mit Realitätsbezug, die er immer gekonnt zwischen Fiktion und Wirklichkeit anlegen konnte, macht ihm sein neues Ich weit mehr Probleme. Die Vereinbarkeit von echtem Glauben, sexistischen Texten, religiös extremistischen Bekannten und einem Dasein als Familienvater stellt ihn dann doch vor eine Herausforderung. In diesen Fragen wirkt der ansonsten so souveräne Künstler unsicher. So sagte er in einem Teil unseres Gesprächs, dass er sich eine Person wünsche, die ihm einmal ganz grundsätzlich die Grundzüge des Islams erklären könne. Ein Wunsch, der ihn wahrscheinlich mit vielen Jugendlichen verbindet, die ebenfalls aufgeschmissen sind und sich verloren fühlen zwischen fanatischen Fundamentalisten und einer Öffentlichkeit, die sie ablehnt und unter Generalverdacht stellt. Bushidos Lage ist auch in dieser Frage nicht einzigartig, sondern steht exemplarisch für eine ganze Generation, die sich in diesem Land nie richtig willkommen gefühlt hat und nun nach neuen identitätsstiftenden Rollenmodellen sucht.