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Wood Pushers

Fuck you, Winter

Überwintern auf dem Skateboard ist nicht immer leicht. Diesen Winter hat sich in Wien diesbezüglich zum Glück einiges getan.

Es ist bereits März, die Temperaturen sind schon lange im zweistelligen Plus-Bereich und wir haben es fast geschafft: Wir müssen die beschissene Fratze des Winters nicht mehr sehen und seine Relikte in Form von Rollsplit und kleinen Steinchen verschwinden zunehmend von den Straßen.
Trotzdem müssen sich die Skater Wiens seit nunmehr fast zehn Jahren alljährlich dieselbe, beschissene Frage stellen: Wohin, wenn lange Unterhosen, Handschuhe und Hauben einfach nichts mehr bringen, weil gestreut ist, der Großstadtschnee sich längst in schwarzen Gatsch verwandelt hat und es einfach nur Scheiße draußen aussieht? Bis vor rund zehn Jahren war diese Frage leicht zu beantworten: Damals gab es das Skatelab, eine riesige alte Remise in der Vorgartenstraße, in der viele Skater Platz fanden und so im Winter ganz gut über die Runden gekommen sind.

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Weil mit den Skatern aber nicht wirklich viel Geld zu holen war, wurde das Skatelab nach und nach zu einer mietbaren Veranstaltungslocation. Zuerst wurde die Halle einen Tag pro Woche für die Skater geschlossen und als die Veranstaltungen immer mehr Kohle abwarfen, war es dann irgendwann soweit, dass sie nur noch einen Tag pro Woche und dann irgendwann gar nicht mehr für Skater geöffnet war. Mittlerweile beherbergt das schöne, alte Gebäude einen großen Supermarkt. Gentrifikation und städtische Verdrängungsmechanismen gibt es eben leider nicht nur in London.

Nachdem das Skatelab geschlossen wurde, blieb engagierten Skatern nichts anders übrig, als im Winter Taschenbillard zu spielen und saufen zu gehen, denn zumindest offiziell gab es in dieser Zeit so gut wie keine Möglichkeiten zu skaten.

Dem Wiener Skate-Urgestein Roman Hackl ist es zu verdanken, dass die Stadt dann im Jahr 2008 eine geförderte Halle namens Skatearea 23 bekam. Leider hat es mit dieser Halle allerdings von Beginn an Probleme gegeben. Warum sonst hätte die Facebook-Gruppe „Eine gscheite Skatehalle für Wien“ derzeit 1.140 Mitglieder? Ich will jetzt nicht undankbar sein und ich bin überzeugt davon, dass die meisten Mitglieder dieser Gruppe froh sind, dass es überhaupt eine Skatearea gibt, aber die Betonung des Namens der Gruppe liegt nun mal klar bei „gscheite“. Dass man es mit der Auswahl der Rampen in so einer Halle nie jedem recht machen kann, liegt auf der Hand, aber im Fall der Skatearea gibt es grundlegende Probleme.

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So liegt die Halle, für die zwei Euro Eintrittsgeld zu entrichten sind, nicht nur am Arsch der Linie U6 an der Station Perfektastraße, sondern war auch bereits von Anfang an viel zu klein, um der Nachfrage die Skater gerecht zu werden. Anstatt sich an diesem Umstand zu erfreuen und nach dem ersten Jahr vielleicht eine größere und zentralere Location zu suchen, argumentierte die Stadt mit Geldmangel und ließ die Halle dort, wo sie iteht. Besonders Schlimm sind aber die Horden an Scooterkids und Skateanfängern, die die Halle belagern.

Ich verstehe Eltern einfach nicht, die sich auch nur eine Sekunde lang in so einer Halle umgesehen haben und ihr achtjähriges Kind dort für einen Nachmittag unbeaufsichtigt „spielen“ lassen. Das ist in etwa damit vergleichbar, als würde man ein Kind auf eine Radrennbahn stellen oder auf ein Fußballfeld schicken, während dort ein Match stattfindet. Das, plus unkontrollierte, in Kinderkopfhöhe fliegende Skateboards. Durch Skateboard-Kurse und Skateboard-only Tage in der Halle wurde versucht, dieses Problem zu beseitigen, doch kann das lediglich eine Symptombehandlung sein—gäbe es eine Halle mit ausreichend Platz, würde ein Anfängerbereich die Kollisionsgefahr für alle Nutzer minimieren.

Im Winter 2013/14 hatte die Wiener Skatecommunity entgültig die Schnauze voll von der Situation und hat sich wieder einmal selbst geholfen. Neben den schon immer gern geskateten Tiefgaragen, halböffentlichen Projekten (wie zum Beispiel der Keller Bowl) und der immer wieder gern geskateten Karlsplatz U-Bahnpassage, gibt es seit heuer neben der Skatearea zwei weitere Alternativen, als Skaterat vernünftig zu überwintern. Der Haken: Beide sind komplett privat finanziert und deshalb nicht gerade billig. Außerdem steht keine davon direkt in Wien, weil das noch viel teurer wäre. Zusätzlich zum Eintrittsgeld könnt ihr also schon mal Kohle für das Zugticket oder die Autofahrt zusammenkratzen.

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Eric Aigner fliegt durch die graue Transitionlandschaft im Einkaufszentrum Bloomfield. Foto: Markus Fanninger, Stp-Skate

Eine dreiviertel Stunde Fahrzeit von Wien entfernt, befindet sich das Einkaufszentrum Bloomfield in Leobersdorf, das—ähnlich wie das Outlet Center Parndorf—das Auge mit halbüberdachten Retortenshoppingstyle beleidigt. In einem der Geschäftslokale befindet sich eine große, ziemlich feine Bowl- und Transitionlandschaft, die ganz in Grau gehalten ist. Pro Session sind pauschal 9 Euro zu entrichten, dafür ist man aber fast immer alleine, muss auf niemanden Rücksicht nehmen und auch nicht ständig auf sein Zeug aufpassen. Kurz gesagt, es gibt weder Scooterkids noch Park-Lurkers.

Insgesamt ist die Halle zwar super zu skaten, doch stoßen einem der Mall-Charme und der lange Anfahrtsweg schon etwas sauer auf. Der einzige Local, den wir hier getroffen haben, glaubt nicht daran, dass sich das Einkaufszentrum lange hier halten wird: „Ich bin mehrmals die Woche hier und sehe mehr Angestellte, als Leute, die einkaufen gehen.“ Wir sind jedenfalls gespannt.

Skatelounge Michelhausen 2014, Foto: Andi Wild

Die Skatelounge in Michelhausen ist ein Zusammenschluss von einer Gruppe Wiener Skater, denen die Winter-Situation in der Stadt zu blöd geworden ist und die sich deshalb gemeinsam eine Halle gemietet haben, um dort ihre eigenen Rampen aufzustellen. Mitglieder erhalten einen Schlüssel und zahlen 50 Euro pro Monat, um die Halle benutzen zu dürfen, dafür anmelden kann man sich über ihre Facebook Seite. Natürlich gibt es auch für Nicht-Schlüsselbesitzer die Möglichkeit, die Halle zu benutzen, allerdings muss man dafür logischerweise jemanden mit Schlüssel kennen und zahlt pauschal einen Fünfer. Die Skateboard Lounge ist mit ihren Curbs und Platz sehr streetlastig konzipiert und hat Fake-Hydranten in US-Höhe.

Das Blutcamp 1447 campiert in der Skatelounge

Abschließend bleibt zu sagen, dass es zwar super ist, dass sich diesen Winter so viel getan hat, allerdings wäre ohne die Eigeninitiative der heimischen Skateszene überhaupt nichts passiert. Hier wäre wieder einmal die Stadt gefragt zu handeln und zumindest der Nachfrage adäquate Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen—dass dies möglich ist, zeigen in Österreich auch viele kleinere Städte.