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​Die „beschlagnahmte“ Airbnb-Wohnung in Berlin ist wieder frei

Die Wohnung war von Hartz-4-Aktivisten besetzt worden, um auf die Wohnungsnot in der Stadt aufmerksam zu machen.
Alle Fotos: Matern Boeselager

Die Aktivisten, die erst gestern in eine über Airbnb gemietete Ferienwohnung eingezogen waren, um auf die Wohnungsnot in Berlin aufmerksam zu machen, haben die Wohnung heute morgen wieder geräumt. Die Aktivisten hatten sich dazu entschlossen, nachdem der Vermieter in der Nacht in die Wohnung gekommen war und ihnen mit der Räumung durch die Polizei gedroht hatte.

Am Dienstagmorgen hatte die „Basta! Erwerbslosen-Initiative Berlin" bekannt gemacht, eine Ferienwohnung in der Soldiner Straße im Wedding „beschlagnahmt" zu haben, um „auf die Problematik der Zweckentfremdung von Wohnraum aufmerksam zu machen", wie es auf dem Blog der Initiative heißt. Tatsächlich hatten die Aktivisten die Dachgeschoss-Wohnung ganz regulär über die Ferienwohnungsplattform gemietet, sie dann aber zu einem provisorischen Aktionszentrum umfunktioniert. Interessierte konnten vorbeikommen und sich als potenzielle Mieter eintragen, die Liste sollte dann an die Hausverwaltung übergeben werden—zusammen mit der Forderung, „diese Wohnung neu zu vermieten und die Nutzung als Ferienwohnung umgehend zu beenden".

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Gitta Schalk von Basta! Berlin

Die Initiative wollte vor allem anprangern, dass es zum Beispiel in dieser Ecke bis zu 60 Ferienwohnungen zu mieten gäbe, aber nur zwei Mietangebote für Hartz-4-Beziehende im ganzen Wedding. „In ganz Berlin gibt es 17.000 Ferienwohnungen", erklärte Gitta Schalk gestern in der Wohnung. „Wir haben darauf aufmerksam gemacht, dass zumindest diese Wohnungen in den Wohnungsmarkt wieder übergeben werden könnten. Auch wenn das nicht die Wohnungsnot an und für sich lösen würde, würde das zumindest einigen Leuten sehr spontan helfen."

Um ihren Standpunkt zu unterstreichen, hatten die Aktivisten in der ganzen Wohnung Transparente und Info-Plakate aufgehängt, am Dienstagabend wurden noch eine Beratung abgehalten und ein Film gezeigt.

Die Aktion erhielt einiges an Aufmerksamkeit in der Presse, bevor sie in der Nacht abrupt ein Ende fand: Laut Basta-Aktivisten tauchte der Vermieter plötzlich auf, beschuldigte seinerseits die Basta-Leute der „Zweckentfremdung" seiner Immobilie und drohte damit, die Polizei zu rufen.

Der Vermieter, der seinen Namen nicht unbedingt in der Zeitung lesen will, inseriert im Ganzen 15 Ferienwohnungen über Airbnb. Er hat zwar ein gewisses Verständnis für das Anliegen der Aktivisten, ärgert sich aber trotzdem über die Beschlagnahmung. „Es ist immer irgendwie schick zu sagen, das seien alles illegale Ferienwohnungen, wir machen jetzt eine kleine Hetzjagd auf die." Alle seine Wohnungen seien aber legal als Ferienwohnungen angemeldet. „Das ist immer noch eine ganz normale und legale Tätigkeit. Man kann sich darüber unterhalten, ob das eine schöne Sache ist mit den Ferienwohnungen oder nicht—aber letztendlich ist das doch eine Frage der Wohnungspolitik. 5.000 bis 6.000 Ferienwohnungen sind halt sehr wenige."

Eine Karte der Ferienwohnungen, die Basta in der Umgebung gefunden hat

In Berlin schwelt der Streit um die Ferienwohnungen schon länger, vor allem seit das Portal Airbnb den Anbietern das Geschäft erheblich erleichtert hat. Im Mai 2014 erließ die Stadt eine Verordnung, die die „Zweckentfremdung" von Mietwohnungen—explizit auch als gewerblich betriebene Ferienwohnung—ausdrücklich verbot. Das Bezirksamt des am stärksten betroffenen Bezirks, Mitte, ging daraufhin dazu über, die Daten von Airbnb-Nutzern auszuwerten, und erklärte, es gäbe insgesamt an die 17.000 illegale Ferienwohnungen in Berlin—was allerdings auch alle Angebote einschloss, in denen jemand ein Extra-Zimmer oder seine Wohnung nur für ein paar Wochenenden im Jahr anbot.

Die Stadt hat ihre Offensive erst vor Kurzem weiter intensiviert: Der Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) beschuldigte Airbnb am Dienstag, „zum großen Teil rechtswidrig" zu handeln, und kündigte verschärfte Kontrollen an. Verteidiger der Internetanbieter führen an, dass es unfair sei, die Plattformen für die Wohnungsnot in der Hauptstadt verantwortlich zu machen. „Die überwiegende Zahl unserer Nutzer sind private Leute, die ihren Wohnraum mit Reisenden teilen oder ihre Wohnung vermieten, solange sie selbst im Urlaub sind", erklärte ein Airbnb-Sprecher gegenüber dem WDR. Die Lage ist so komplex, dass der Tagesspiegel dem „Häuserkampf" ein ganzes Multimedia-Dossier gewidmet hat.

Auch wenn sie nur von kurzer Dauer war—die „Beschlagnahmung" im Wedding hat das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Auch wenn die Aktivisten von Basta! selber wissen, dass sie mit ihrer Aktion nicht alle Probleme des Wohnungsmarkts lösen können. „Man kann jetzt hier nicht sagen, damit würde die Obdachlosigkeit beseitigt", erklärt Gitta Schalk. „Aber es ist halt etwas, wo man drauf zeigen und sagen kann: Die Politik könnte hier aktiver werden."