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Diese Aktivisten schwimmen mit Haien, damit du aufhörst, sie umzubringen

Paul Wildman und Julie Andersen haben unglaublich schöne Videos mit Haien gefilmt, um uns die Angst vor den Raubtieren zu nehmen.

Haie und Krokodile haben keinen besonders guten Ruf. Ihre Fürsprecher sind dünn gesät. Doch zwei unerschrockene Taucher haben sich mit ihren Kameras auf eine Mission begeben, um uns zu zeigen, dass Haie unersetzlich sind. Paul Wildman und Julie Andersen haben sich der Aufgabe verschrieben, mit dem Mythos aufzuräumen, dass diese beeindruckenden Kreaturen auf Menschenjagd gingen. Sie fotografieren und filmen die Tiere aus nächster Nähe und haben so einzigartiges Filmmaterial geschaffen.

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Andersen, eine ehemalige Werbefachfrau aus Chicago, kündigte 2007 ihre lukrative Stelle, um ihr Leben künftig Haien zu widmen. Sie gründete Shark Angels, eine Organisation, unter deren Namen Wildman und sie die meiste Arbeit als Tierschützer machen. Wildman stammt aus Südafrika und macht unter anderem Filmaufnahmen von Weißen Haien, ganz ohne Käfig.

Foto: Neil Andrea

Obwohl sie in den Medien allgemein als blutrünstige Killer dargestellt werden (denken wir nur an den Weißen Hai), haben Haie überhaupt nichts für Menschenfleisch übrig. Wildman und Andersen haben das bei ihren Filmaufnahmen herausgefunden. Ihr Filmmaterial zeigt deutlich, dass selbst wenn ein Mensch sich vor einem Hai im Wasser baumeln lässt, dieser trotzdem nicht zwangsläufig einen Happen abbeißen wird. Wildman und Andersen haben zahlreiche solcher Filme gedreht und Fotos geschossen, die ihre Ausflüge in die Tiefen des Ozeans zeigen. Dort treffen sie u.a. auf Weiße Haie, Weißspitzen-Hochseehaie, Tigerhaie, Hammerhaie, Walhaie, Bullenhaie und Sandhaie—das Ganze ohne Käfige oder andere Abwehrmaßnahmen. Näher als über ein Buch von Graeme Base werden die meisten von uns nie an Haie oder Krokodile herankommen. Umso beeindruckender sind Wildmans und Andersens Bilder. Das Ziel des Ganzen ist es, Mitgefühl und Verständnis für Haie zu wecken—denn was dem Überleben dieser Tiere hauptsächlich im Weg steht, ist das Bedürfnis des Menschen, sie auszulöschen.

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Jedes Jahr werden über 100 Millionen Haie getötet. Wegen ausgedehnter (und illegaler) Jagdpraktiken ist die Haipopulation in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 95 Prozent geschrumpft. Haie werden aus unterschiedlichen Gründen getötet: für Haifischflossensuppe, wegen ihres Fleisches, ihrer Zähne, ihres Knorpels, der angeblich Krebs heilen soll, für Lebertran, die Kosmetikindustrie und selbst, um als makabere Inneneinrichtung zu dienen. Die vorsorgliche Tötung von Haien scheint außerdem zu einer reflexartigen Reaktion der Regierung geworden zu sein, wann immer ein Schwimmer mit einem Hai zusammenstößt. Der australische Premierminister Tony Abbot und seine Kollegen aus Westaustralien erlangten zweifelhafte Berühmtheit, als sie 20 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt für einen Vier-Jahres-Plan zur Tötung von Haien bereitstellten.

Foto: Daniel Bothelo

„Wir haben in 15 Ländern undercover gedreht und viel aus erster Hand erfahren. Allerdings sind die Menschen nicht für Aufnahmen von blutigen Haitötungen empfänglich”, so Andersen. Deshalb wollen sie die Schönheit der Tiere zeigen und so ein anderes Publikum als die meisten Tierschützer ansprechen.

„Wir glauben, es ist einfacher, die Menschen zu bewegen, indem wir ihnen diese Aufnahmen zeigen, mithilfe derer wir die Sichtweise der Leute ändern und in einen Dialog treten können“, sagt Andersen. „Die Menschen sind dann offener für die Probleme, die das Überleben von Haien bedrohen. Unabhängig davon, ob sie selbst Haie mögen oder nicht, sehen sie trotzdem ein, dass Haie ein unersetzbarer Teil unseres Ökosystems sind.”

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Andersen und Walker auf See. Foto: Allen Walker

Also springen sie ins Wasser, schwimmen so nah wie möglich an die Haie heran … und werden trotzdem nicht gefressen. „Sofern wir nicht gerade unabsichtlich den Jagdinstinkt der Haie oder Krokodile wecken, stellen die Tiere für uns keine Bedrohung dar”, erklärt Andersen.

„Wir behaupten ja keineswegs, dass wir es hier mit Kuscheltieren zu tun haben. Aber solange wir den Tieren bewusst und mit Respekt entgegentreten, können wir auch so nah an sie heran schwimmen”, so Andersen weiter. Und darum geht es Andersen und Wildman: uns verständlich zu machen, dass man Haie nicht als schreckliche Monster sehen muss, die es nur auf uns abgesehen haben.

Die Videos, die Andersen und Wildman gedreht haben, sind beeindruckend. In einem davon, Black Swan, tanzt Andersen neben einem Weißspitzen-Hochseehai im Wasser. Sie bewegt sich mit so einer Leichtigkeit um das Tier herum, dass die Aufnahmen regelrecht unecht wirken. Weißspitzen-Hochseehaie gelten als die gefährlichsten Haie der Welt—und trotzdem wird Andersen nicht angegriffen. Sie erzählte mir, das sei eine der atemberaubendsten Erfahrungen ihres Lebens gewesen, und erklärte, das Ganze wäre zufällig passiert, als sie auf gut Glück ins Wasser gesprungen sind und plötzlich der Hai da war.

In Water Dragon bekommen wir ein über dreieinhalb Meter langes Salzwasserkrokodil in den seichten Gewässern des kleinen Atolls Chinchorro an der Grenze zwischen Mexiko und Belize zu sehen. Das Tier wirkt angesichts der Tatsache, dass gerade ein Taucher mit einer Kamera direkt vor seiner Nase herum schwimmt, unglaublich entspannt. Unter Wasser und in Nahaufnahme sieht das Krokodil seinen Dinosauriervorfahren verblüffend ähnlich. Es wirkt massiver, stärker, majestätischer.

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„Das war meine erste Begegnung mit einem Krokodil im Wasser. Alles lief sehr langsam ab. Ich musste lernen, das Verhalten des Krokodils einzuschätzen. Es hat gedauert, bis wir uns aneinander gewöhnt hatten, aber nachdem das Eis gebrochen war, hat das Krokodil seine Nase direkt auf das Kameraobjektiv gedrückt”, erzählt Wildman über seine Begegnung mit dem Krokodil. Bedrohlich seien die Tiere aber zu keiner Zeit gewesen. Eines der Krokodile habe sich sogar irgendwann umgedreht und Wildman seinen Schwanz auf die Schulter gelegt.

Foto: Paul Wildman

Wildman und Andersen betonen, dass mit dem Aussterben der Haie unser gesamtes Ökosystem zusammenbrechen würde. Diese Kreaturen stehen an der Spitze der Nahrungskette, deshalb ist ihr Überleben für eine gesundes und ausgeglichenes Meeresökosystem auch so wichtig. Wenn das Ökosystem in unseren Ozeanen nachhaltig gestört wird, sieht es für den Rest der Welt auch nicht rosig aus.

„Wenn du dir anschaust, was in den Ökosystemen passiert, aus denen Haie verschwinden, dann läuft dir ein kalter Schauer über den Rücken”, erklärt mir Andersen. Und sie hat Recht damit. Ein Beispiel hierfür ist Chesapeake Bay an der Ostküste Virginias. Die Krebsfischerei dort ist zum Erliegen gekommen, weil alle Krebse von Rochen gefressen werden. Die Rochen können sich nämlich ungestört vermehren, weil die Haie, natürliche Fressfeinde der Rochen, getötet werden. „In der Natur ist nichts überflüssig”, so Andersen weiter. „Leider vergessen wir das zu leicht. Wir glauben, wir könnten einfach in das Ökosystem eingreifen und herausnehmen, was wir wollen.”

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„Haie haben schon fünf große Artensterben überlebt. Wollen wir uns da wirklich einmischen? Viele Menschen wissen das gar nicht—und wenn sie es wissen, ist es ihnen egal”, so Andersen.

Und die Krokodile? Salzwasserkrokodile gelten als mysteriös und blutrünstig. Deshalb haben Wildman und Andersen kürzlich angefangen, ähnliche Filmaufnahmen wie von den Haien auch von den Krokodilen zu machen. Damit hoffen sie, die Raubtiere an der Spitze der Nahrungskette zu demystifizieren. Das ist ein neues Unterfangen für Wildman und Andersen. Ich bin gespannt, wo es sie hinführt.

Foto: Neil Andrea

Wenn sie nicht gerade mit Haien und anderen Raubtieren abtauchen, engagieren sich Wildman und Andersen für ein Verbot von Haifischflossen in Nordamerika und anderen Teilen der Welt. Sie waren an einem Projekt beteiligt, dass letzten Endes zu einem Verbot von Import, Export und Verkauf von Haifischflossen in Toronto in Kanada, führte. Hawaii, Oregon, Delaware, Illinois, Massachusetts, Washington und Kalifornien haben ähnliche Gesetze erlassen.

Wildman und Andersen versuchen außerdem über Bildungsprogramme an Schulen Kindern zu zeigen, wie wichtig Haie sind, um so ein Bewusstsein für die Bedrohung von Haien zu wecken. Diese Programme sind inzwischen so erfolgreich, dass die beiden jetzt über Skype vor Schulklassen in aller Welt sprechen. Der jüngste Teilnehmer am Programm ist Russland. WIldman und Andersen zeigen ihr Filmmaterial und erzählen von ihren Begegnungen mit den Tieren. Ich verstehe jetzt auch, wieso diese Herangehensweise funktioniert. Und das sage ich als jemand, der noch vor kurzem schon beim Anblick eines Fotos von einem Hai fast hyperventiliert hat. Ich muss gestehen, ich wurde bekehrt.