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Drogen

10 Fragen an einen Zollbeamten, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wie trickst man eure Drogenhunde aus? Hast du deine Uniform schon beim Sex getragen? Lässt du manchmal sichergestellte Ware mitgehen?
Symbolfoto: imago | Hartenfelser

Daniel* geht in seinem Beruf vielen Leuten auf die Nerven. Entweder steht man im Stau vor der Schweizer Grenze, weil Daniels Kolleginnen und Kollegen jeden VW-Bus-Fahrer mit Dreadlocks auseinander nehmen. Oder man sitzt im Reisebus auf dem Weg zu einem Techno-Festival und schaut den Drogenhunden dabei zu, wie sie nach Koks und Gras suchen. Oder aber das Lieblingsrestaurant um die Ecke musste schließen, weil Daniel ein paar Schwarzarbeitende festgenommen hat, denn Daniel ist beim Zoll.

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"Ich bin froh, dass ich beim Zoll bin. Es gibt aber viele Stellen, die ziemlich langweilig sind", sagt Daniel. “Da sitzt man dann nur im Büro und macht Papierkram.” Doch er hatte Glück. Im Außendienst trägt er Waffe und Uniform, kontrolliert Unternehmen auf mögliche Schwarzarbeit, durchsucht Villen von mutmaßlichen Steuerhinterziehern und stellt Drogen sicher.

Einmal habe er minderjährige Mädchen aus Osteuropa aus der Zwangsprostitution befreit, sagt Daniel: "Überall lagen Kondome auf dem Boden. Die Mädchen waren verängstigt, eingeschüchtert und total fertig. Nebenan führten wir die Freier ab, die aussahen wie mein Opa." Wir haben Fragen.

Symbolfoto: imago | photothek

VICE: Wie faul kann man als Beamter wirklich sein?
Daniel: Es ist schon ein relaxtes Leben. Ich habe einen sicheren Job und das Gehalt ist in Ordnung mit knapp 2.400 Euro netto. Der Leistungsdruck ist nicht so groß. Gerade bei Ermittlungsbeamten kann man nur schwer nachvollziehen, wie viel wir tatsächlich arbeiten, da jedes Verfahren anders ist. Ich bin viel im Außendienst unterwegs, aber im Innendienst gibt es schon mal Tage, an denen ich so gut wie nichts mache, wenn ich keinen Bock habe. Das würde in der freien Wirtschaft nicht gehen. Im Außendienst geht so etwas natürlich nicht, da muss man stets “on point“ bleiben.

Wie trickst man eure Drogenhunde aus?
Das ist schwierig. Die sind extrem gut und finden wirklich viel. Die Leute verpacken ihre Drogen in Wachs, Alu, tränken sie in Benzin und die Hunde finden es, auch wenn es nur ein paar Gramm sind. Ich würde mich nicht trauen, etwas an einem Hund vorbeizuschmuggeln.

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Fühlst du dich mächtig, weil du eine Uniform und eine Waffe trägst?
Ich bin froh, eine Uniform anzuhaben. Damit die Leute verstehen, dass wir eine Behörde sind mit der man nicht spaßen kann. Die Außenwirkung der Waffe ist sehr wichtig. Wenn die Leute die sehen, merkt man, wie man respektiert wird. Die Kollegen der Steuerfahndung zum Beispiel durchsuchen auch Wohnungen, so wie wir, aber die tragen keine Waffen und haben deswegen oft Probleme, weil sie weniger ernst genommen werden. Zum Glück musste ich meine Waffe bisher noch nie einsetzen und ich hoffe, dass das auch so bleibt.


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Würdest du manchmal gerne wild mit deiner Waffe rumballern?
Ich habe das Glück, dass wir regelmäßig schießen üben. Man kann mit dem Schießtrainer absprechen, welche Übung man machen möchte: einsatzorientiertes Schießen auf bewegte Bilder, Präzisionsschießen, Schießen aus der Deckung und vieles mehr. Das wird natürlich trotzdem noch von den Trainern überwacht, aber es macht einfach Spaß und ich freue mich jedes Mal total drauf.

Hast du deine Uniform schon beim Sex getragen?
Nein, aber die Handschellen schon mal benutzt.

Lässt du manchmal sichergestellte Ware mitgehen?
Nein, das würde ich niemals machen, da versteht die Verwaltung absolut keinen Spaß. Wir stellen Beweismittel immer vor den Augen der Beschuldigten sicher. Trotzdem würde es vermutlich nicht auffallen, wenn man sich ein paar Gramm Gras oder Ähnliches abzwacken würde. Die beschlagnahmten Drogen gehen dann an Chemielabors, werden da geprüft, kommen schließlich in die Asservatenkammer und werden in regelmäßigen Abständen verbrannt.

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Tun dir die Leute leid, die du wegen Schwarzarbeit festnimmst?
In unserem Aufgabenbereich nehmen wir häufig Asylbewerber fest. Arme Schweine, die einfach arbeiten wollen, es aber gesetzlich nicht dürfen. Dadurch, dass sie es trotzdem tun, befinden sie sich schnell in einem Strafverfahren und werden deshalb in Abschiebehaft genommen. Das kann ein Mensch sein, der erst vor drei Wochen mit einem Boot ankam, aus dem nur drei Leute überlebt haben. Und jetzt schieben wir ihn wieder ab. Aber wenn wir jemanden einer Straftat überführen, sind mir die Hände gebunden. Wir sind immer in der Gruppe und ich würde meinen Job verlieren, wenn ich jemanden laufen lassen würde.

Es gibt ein paar Personen, die mir im Kopf bleiben. Das sind dann die, bei denen man in den Vernehmungen feststellt, dass sie einfach nur arme Geschöpfe sind, ihr Leben lang unterdrückt wurden und hier in Deutschland zum ersten Mal, nach 20 Jahren oder mehr, ein wenig Glück erfahren haben. Wenn solche Leute in Abschiebehaft gehen, tut mir das oft sehr leid und ich denke noch ein paar Tage darüber nach, wie es dieser Person gehen muss, wenn sie zum Beispiel endgültig im abhebenden Flieger sitzt. Parallel dazu merke ich immer, wie lächerlich meine Alltagsproblemchen im Vergleich dazu sind.

Symbolfoto: imago | photothek

Wie geil findest du es, Leute dranzukriegen, die es deiner Meinung nach verdient haben?
Gerade wenn wir die Häuser von Restaurant- oder Puffbesitzern durchsuchen, können das manchmal ganz schöne Choleriker sein, die sich unfassbar aufregen. Da freut man sich, dass die jetzt höchstwahrscheinlich einen dicken Batzen Geld an den Staat zurückzahlen müssen.

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Vor allem wenn man die krassen Buden von denen sieht. Da gibt es oft tolle Schätze zu finden. Beheizte Pools im Keller, Tresore mit teurem Schmuck, Rolex-Uhren, die mindestens 50.000 Euro kosten und riesige Fuhrparks mit Luxuskarossen. Zuletzt konnte ich aus dem Flur mit dem Aufzug in eine 100-Quadratmeter-Garage fahren, um dort mehrere Mercedes-AMG und einen Ferrari zu durchsuchen.

Macht es dir Spaß, durch private Dinge von anderen Menschen zu wühlen?
Manchmal ist es schon unterhaltsam. Bei einer anderen Hausdurchsuchung habe ich mal einen 60 Zentimeter langen Dildo bei einer älteren Frau gefunden. Ein riesen Teil, so lang wie mein Unterarm. Ich habe den aus dem Schrank gezogen und dachte zuerst, das wäre ein Baseballschläger. Dann habe ich die Spitze gesehen und musste laut lachen. Die Beschuldigte nahm es mit Humor.

Es gibt aber auch weniger amüsante Durchsuchungen. So habe ich mal das Haus eines Restaurantbesitzers durchsucht, der gleichzeitig gedealt hat. Er war total drauf und hat am Ende der Durchsuchung mein privates Leben, also außerhalb des Dienstes, bedroht. Zum Glück habe ich ihn seitdem nicht mehr gesehen, aber ich fahre öfters an seinem Restaurant vorbei. Essen gehe ich da jetzt sicher nicht mehr.

Hast du schon mal einen Laden umgangen, obwohl du wusstest, dass dort Leute illegal arbeiten?
Bei den Kontrollen von Restaurants aus Fernost kann man sich meist sicher sein, dass etwas nicht stimmt. Das hört sich jetzt leider ein bisschen pauschalisierend an, aber gerade bei diesen Restaurants ist es ein Klassiker, dass die Inhaber Verwandte oder Freunde aus der Heimat mit einem Urlaubsvisum nach Deutschland holen, um sie dann in ihren Restaurants zu beschäftigen. Die arbeiten dann gerne unter dem Mindestlohn, auch mal für 3 Euro die Stunde, da sie ja in ihrer Heimat immer noch deutlich schlechter bezahlt werden würden. Die Abarbeitung solcher Fälle ist immer sehr zeitintensiv und wenn es kurz vor Dienstschluss ist, dann umfährt man diese Läden lieber, sonst kommt man ja gar nicht mehr nach Hause. Die Betriebe werden dann aber natürlich in der darauffolgenden Woche kontrolliert.

*Name geändert

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