FYI.

This story is over 5 years old.

Rechtsextreme

Hamburger Identitäre wollen Vormundschaft für Flüchtlinge übernehmen

"Wir werden mit ihnen über vorhandene falsche Erwartungen an ihr Gastland sprechen", schreiben die Rechtsextremen.
Refugees Welcome? Foto: imago | Christian Mang

Es klingt wie ein schlechter Witz, ist aber offenbar ernst gemeint: Die rechtsextremen Identitären wollen Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge übernehmen. Die Idee dazu kommt vom Hamburger Ableger der Identitären Bewegung (IB), wurde aber auch auf der bundesweiten Webseite veröffentlicht.

Dabei geht es den Identitären natürlich nicht um das Wohl der Flüchtlinge. Denn die IB ist ein wesentlicher Teil der sogenannten "Neuen Rechten", kämpft gegen die vermeintliche Überfremdung der Gesellschaft, unterhält enge Verbindungen zur AfD – und wird vom Verfassungsschutz als "rechtsextrem" bewertet.

Anzeige

Auch in dem neuen Text auf ihrer Website warnen die Verfasser vor der "politisch gewollten Masseneinwanderung". Von dieser Einwanderung, so die Rechten, profitieren vor allem die "Organisationen der Asyllobby" – unter anderem, indem ihre Mitarbeiter Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge übernehmen.


Auch auf VICE: Wie Charlottesville Neonazis Berlin inspiriert hat


Um das zu verhindern, wollen die Rechten sich jetzt selbst einschalten, um "weder das Wohl der geflüchteten Menschen noch das Wohl der Gesellschaft" der sogenannten "Sozialindustrie" zu überlassen. Die ersten Schritte seien schon getan: "Bereits vor einigen Tagen haben sich einige unserer Aktivisten zum Thema Vormundschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von Fachleuten beraten lassen", schreiben sie. "Demnächst werden wir eigene Schulungen hierzu durchführen." Gleichzeitig erwähnt der Text auch die Möglichkeit, sich beim Kinderschutzbund zum Vormund schulen zu lassen.

Was die "Aktivisten" machen wollen, wenn sie ihrem echten Flüchtling gegenübersitzen, erklären sie auch: "Mit ihnen über vorhandene falsche Erwartungen an ihr Gastland sprechen, genauso wie über eine Zusammenführung mit ihrer Familie in ihrer Heimat."

Besonders große Erfolgsaussichten hat dieser Plan wahrscheinlich nicht, denn die entsprechenden Organisationen in Hamburg sind schon gewarnt. "Wir distanzieren uns davon aufs Schärfste", erklärt Sevil Dietzel gegenüber VICE. Dietzel kümmert sich beim Hamburger Kinderschutzbund um Vormundschaften. "Und wir prüfen auch rechtliche Schritte gegen die Verlinkung auf unsere Webseite."

Anzeige

Tatsächlich wird es für einen Identitären nicht einfach, überhaupt in eine Schulung reinzukommen. "Wir prüfen sowieso schon jeden Bewerber", erklärt Dietzel. "Die werden zuallererst zu einem Gespräch unter vier Augen eingeladen. Und dann entscheiden wir, ob die notwendige Haltung und Eignung für das Ehrenamt vorhanden sind." Dabei würde natürlich auch auf die "Haltung" und die Motivation geachtet. "Unser Projekt läuft seit 22 Jahren, und bis jetzt hat es das noch nicht gegeben, dass sich hier jemand eingeschlichen hat."

Selbst wenn die Identitären tatsächlich ihre eigenen Schulungen abhalten sollten, glaubt Dietzel nicht, dass sie damit bei den Richtern durchkommen, die am Ende über die Vormundschaft entscheiden: "Die sind bereits alle informiert und werden ein sehr wachsames Auge darauf haben."

Auch die eigene Klientel scheint von der Idee nicht rundum begeistert zu sein: "Nein! Nach Hause schicken!", kommentiert einer die Ankündigung auf der Facebook-Seite der IB Hamburg. "Ja genau mein Humor", schreibt ein anderer. "Und dann abgestochen werden, wenn ihm was nicht passt." Vielleicht sind die Abwehrreflexe der Facebook-Fans der Identitären so groß, weil sie tatsächlich verstanden haben, wie gefährlich diese Idee eigentlich ist: Echte Flüchtlinge kennenzulernen, das könnte am Ende noch dazu beitragen, dass Vorurteile abgebaut werden.

Folge Matern auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.