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Reichsbürger

Die Anzahl der Reichsbürger hat sich in Bayern verdoppelt

Die Polizei ist derzeit damit beschäftigt, Hunderte von ihnen zu entwaffnen. Aber auch Polizisten selbst sollen in der Szene aktiv sein.
Wappen eines bayerischen Reichsbürgers: imago | ZUMA Press || Polizisten: imago | Robert Michael || Montage: VICE

Bereits zweimal haben Reichsbürger in Bayern auf Polizisten geschossen. Am Nikolaustag dieses Jahres verschanzte sich ein 44-Jähriger in seinem Haus in Dietmannsried. Als er die Sondereinsatzkräfte anrücken sah, gab er mehrere Schüsse ab. Die Beamten blieben unverletzt, der Mann gab am nächsten Morgen auf. Weniger Glück hatte vor einem Jahr ein Beamter des SEK: Der Reichsbürger Wolfgang P. aus Georgensgmünd traf ihn tödlich. Wolfgang P. hatte Markierungen um sein Haus gemalt, die die Grenzen des "Regierungsbezirks Wolfgang" darstellen sollten, im Haus bunkerte er 31 Lang- und Kurzwaffen. Ein Gericht verurteilte ihn im Oktober zu lebenslanger Haft. Beseitigt ist die Gefahr durch Reichsbürger dadurch nicht. Denn die Zahl der Verschwörungstheoretiker und selbsternannten Staatsoberhäupter steigt: Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz geht aktuell von 3.500 Reichsbürgern allein im Freistaat aus. Mehr als doppelt so viele wie noch vor einem Jahr, berichtet die dpa.

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Und es könnten sogar noch mehr sein. Derzeit wird bei 1.200 Menschen überprüft, ob sie der Szene zuzuordnen sind. Die gestiegene Zahl sei vor allem eine Folge der "fortschreitenden Aufhellung der Szene", sagte ein Sprecher des Landesamts. Für ganz Deutschland gehen die Behörden von bis zu 15.000 selbsternannten Reichsbürgern aus.

"Bundesstaat Bayern" nennen einige Reichsbürger das Bundesland, in dem sie leben. Sie erkennen die gesamte BRD nicht an und verlesen auf ihren Treffen Fantasieverfassungen. Und viele von ihnen sind bewaffnet. Das alarmierte die Behörden, die mittlerweile verstärkt gegen die Bewegung vorgehen. In Bayern haben laut Landesinnenministerium noch 247 Reichsbürger "waffenrechtliche Erlaubnis". Und das, obwohl die Entwaffnungen nach den tödlichen Schüssen in Georgensgmünd verstärkt worden sind. So mussten auch bereits 162 der 247 Reichsbürger mit "waffenrechtlicher Erlaubnis" ihre Waffen zurückgeben. 547 Waffen, darunter Gaspistolen sowie Jagd- und Sportgewehre, kamen dabei zusammen. 41 weitere Fälle prüfen die Behörden derzeit noch. In Bayern vollzogen die Beamten in diesem Jahr zudem 82 Razzien gegen die Szene und nahmen dabei über ein Dutzend Personen fest. Manchmal allerdings sind sogar Waffen des Staats in den Händen von Reichsbürgern.

Denn auch in Bayern gibt es Staatsfeinde im Staatsdienst. Das Amtsgericht Ansbach hat Mitte Dezember einem Polizisten die Anklageschrift für ein "waffenrechtliches Delikt" zugestellt. Wegen seiner Nähe zu den Reichsbürgern lief zuvor ein Disziplinarverfahren gegen ihn, das gerade ruht und nach Ende des Prozesses fortgesetzt werden soll.

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Am 18. Dezember dieses Jahres verurteilte das Landgericht Fürth einen weiteren Beamten wegen Waffenbesitzes und Verrat von Dienstgeheimnissen. Er hatte in Datenbanken der Polizei nachgesehen, ob Wolfgang P. schon einen Eintrag hatte – der Schütze aus Georgensgmünd (hatte er nicht). Außerdem habe der Beamte drei Wurfsterne und eine Signalpistole besessen, die er nicht hätte besitzen dürfen.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hatte im Februar mitgeteilt, dass es 15 Disziplinarverfahren gegen Polizisten wegen ihrer Nähe zu Reichsbürgern gebe. Im laufenden Jahr wurden vier Polizisten für ihre Nähe zur Szene bestraft, aktuell laufen noch 14 Verfahren, wie blick nach rechts vom Innenministerium erfuhr. Die Plattform berichtet regelmäßig über rechte und rechtsextreme Umtriebe in Deutschland.

Warum sich gerade in Bayern so viele Menschen zu Reichsbürgern radikalisieren, dafür hat der Verfassungsschutzpräsident des Freistaats, Burkhard Körner, bereits eine Erklärung. Der Bayerischen Staatszeitung sagte er, es handle sich bei der Bewegung vor allem um ein "Phänomen ländlicher Räume". Davon gebe es in Bayern eben viele.

Im benachbarten Sachsen will man nun eine Informationskampagne gegen Reichsbürger und ihre Ideologie erarbeiten. Der neue Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte der Leipziger Volkszeitung: "Das ist ein Krebsgeschwür, das sich da entwickelt." Eine Idee, wie er gegen Reichsbürger vorgehen will, hat er aber noch nicht. Glück für die Sicherheitskräfte in Sachsen: Auf sie hat bislang noch kein Reichsbürger geschossen.

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