Politik

Die sächsische Polizei bittet Hoteliers um Daten rumänischer Gäste

Weil sie Taschendiebe auf dem Highfield-Festival suchten. Sie wehren sich aber dagegen, es "Racial Profiling" zu nennen.
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Hotel: imago images / GEPA | Polizei: imago images / Christian Spicker

Du bist zu Gast in einem Hotel. Während du entspannt im Hotelbett liegst, leitet der Mensch an der Rezeption deine Personendaten an die Polizei weiter. Darum hat die Behörde schriftlich gebeten. Absurde Vorstellung, denkst du? Wenn du den falschen Pass hast und in Sachsen übernachtest, kann dir das wirklich passieren.

Am letzten Wochenende feierten rund 35.000 Besucher und Besucherinnen auf dem Highfield-Festival in der Nähe von Leipzig. Während die Feierwütigen zu Fettes Brot, The Offspring und Thirty Seconds to Mars ausrasteten oder sich auf dem Zeltplatz mit Trichtersaufen und Bier-Pong ins Wachkoma beförderten, bekamen mehrere Hotels und Hostels in der Umgebung des Festivals Post von der Polizei: Im Zuge des Festivals komme es jedes Jahr zu Taschendiebstählen und die Hotelbetreiber und -betreiberinnen könnten dabei helfen, diesem Phänomen Einhalt zu gebieten, heißt es in dem Behördenschreiben. "Sie können die Ermittlungen unterstützen, indem Sie für den o.g. Zeitraum mitteilen, ob rumänische Staatsangehörige [Hervorhebung im Original] in Ihrem Hause ein Zimmer beziehen." Überschrieben ist der Brief mit "Übermittlung von Personendaten". Als Kontaktmöglichkeit, an die die Gastwirtinnen und -wirte sich mit ihren Informationen wenden sollen, ist eine Handynummer angegeben.

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Roma-Verein nennt Polizeipraxis "zutiefst rassistisch"

Am letzten Samstag veröffentlichte die Leipziger Linken-Politikerin Juliane Nagel ein Foto des Polizeischreibens auf Twitter. "Ohmensch Polizei Sachsen. Rassistischer geht's nicht, oder?", kommentiere sie dazu. Nachdem mehrfach Zweifel geäußert wurden, ob es sich bei dem fragwürdigen Schreiben um eine Fälschung handelt, löschte sie den Post. Ein Sprecher der Leipziger Polizei bestätigte VICE jedoch, dass Behördenmitarbeitern den Brief in dieser Form in verschiedenen Unterkünften verteilt haben. Auch auf Twitter bestätigt die Polizei ihr Vorgehen und bezieht sich auf das Sächsische Polizeigesetz und das Sächsische Meldegesetz.

Zwischenzeitlich hat auch Juliane Nagel ihre Kritik an der Polizeiaktion erneuert: "Die Polizei Sachsen betreibt offenen Auges racial profiling, indem sie von der Herkunft eines Menschen auf seine kriminellen Neigungen schließt", schreibt sie in einer Pressemitteilung. Auch wenn es auf dem Highfield-Festival zu organisierten Diebstählen gekommen sei, hätten rumänische Staatsangehörige weiterhin ein Recht auf den Schutz ihrer persönlichen Daten, heißt es weiter.

Auch Gjulner Sejdi, Vorsitzender des sächsischen Roma-Vereins "Romano Sumnal", sieht Menschen aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft unter Generalverdacht gestellt und nennt die Methoden der Leipziger Polizei "zutiefst rassistisch und verachtend". Er fordert in einer Pressemitteilung eine öffentliche Entschuldigung der Leipziger Polizei bei allen Rumäninnen und Rumänen.

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Leipziger Polizei nennt Vorwurf des Racial Profiling unbegründet

Ein Leipziger Polizeisprecher weist diese Kritik gegenüber VICE klar zurück. Wer in dem Schreiben Racial Profiling sehe, habe ihm zufolge "nur sehr wenig Hintergrundwissen zum Kriminalitätsphänomen und zur Tätergruppierung". Er verweist auf "Erkenntnisse aus dem bundesweiten Datenaustausch zu reisenden Tätergruppierungen im Zusammenhang mit Festivalkriminalität". Zudem sei der Vorwurf des Racial Profiling ihm zufolge unbegründet, da das Schreiben nicht bedeute, andere Täter aus dem Blick zu lassen. Sprich: Die Leipziger Polizei fragt zwar bei den Unterkünften explizit nur nach Rumäninnen und Rumänen, obwohl sie weiß, dass potenzielle Taschendiebe auch aus anderen Ländern stammen können.

Das Schreiben sei dem Sprecher zufolge gezielt im näheren Umfeld des Festivals verbreitet worden. Die Kopie des Briefs, die ihren Weg ins Internet fand, stammt allerdings aus einem Hostel im Leipziger Süden, das rund 22 Kilometer vom Veranstaltungsgelände entfernt liegt. In welchem tatsächlichen Umfang zur "Übermittlung von Personendaten" aufgerufen wurde, beantwortet der Polizeisprecher auf VICE-Anfrage nicht. Auf Twitter äußerten mehrere Nutzer zudem datenschutzrechtliche Bedenken, wenn Hotelbetreiber die Personendaten ihrer Gäste an eine Mobilnummer übermitteln sollen.

Ungeachtet der Kritik möchte die Leipziger Polizei diese spezielle Form präventiver Polizeiarbeit fortsetzen. "Anlassbezogen hat die Polizeidirektion Leipzig von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht und wird dies auch künftig tun", kündigt der Leipziger Polizeisprecher gegenüber VICE an.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass es Fragen aufwirft, wenn die Leipziger Polizei versucht, Straftaten im Vorhinein zu verhindern. Im August 2018 bestellte die Polizeidirektion Leipzig einen Studenten per Post zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Die Beamten hatten bei dem 32-jährigen Gras und Pillen gefunden und unterstellten ihm deshalb, es sei "gemäß kriminalpolizeilicher Erfahrung" wahrscheinlich, dass der Student in Zukunft "Delikte der direkten oder indirekten Beschaffungskriminalität" begehen werde. Damals erklärte ein Polizeisprecher, der Beschuldigte könne gerne das Gegenteil beweisen, wenn er mit dieser Einschätzung nicht einverstanden ist.

Dass die Mitglieder seines Roma-Vereins mit der aktuellen Einschätzung der Leipziger Polizei alles andere als einverstanden sind, betont Gjulner Sejdi stellvertretend für zahlreiche Rumäninnen und Rumänen. "Rassismus hat in Behörden nichts zu suchen, auch nicht bei der Polizei", erklärt er.

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