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Flucht

Totgeburt bei Abschiebung: Schweizer Grenzwächter wurde jetzt verurteilt

Die Anklage warf ihm vor, er habe nicht wegen eines medizinischen Notfalls verspätet in den Feierabend gehen wollen.
Symbolfoto: photog_at | Flickr | CC BY 2.0

Als "Schande von Brig" schrieb der Fall ein trauriges Kapitel Schweizer Flüchtlingsgeschichte: An einem Freitagabend im Juli 2014 überschritt eine syrische Flüchtlingsgruppe die italienisch-schweizerische Grenze, als sie von schweizerischen Grenzbeamten angehalten wurden. Anstatt nach Frankreich weiterzureisen, wurde die Gruppe von den Beamten nach Brig geschickt, wo sie in einem Zug nach Italien zurückgefahren werden sollten. Teil der Gruppe, die abgeschoben werden sollte, war eine schwangere Syrerin. Auf der Fahrt nach Brig beklagte sie sich zunehmend über Schmerzen im Unterleib und Blutungen, doch auch als diese in einem Warteraum in Brig immer schlimmer wurden, sahen die Schweizer Grenzbeamten nicht von der Abschiebung nach Italien ab.

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Damit es die schwangere Syrerin überhaupt in den Zug nach Italien schaffte, mussten Angehörige sie tragen und notdürftig auf Koffern betten. Im Zielort Domodossola angekommen, brach die Syrerin zusammen und verlor später im Spital ihr Kind, wie die NZZ berichtet. Dreieinhalb Jahre später kam es nun zum Prozess gegen den verantwortlichen Grenzbeamten.

Das Militärgericht in Bern folgte den Argumenten der Verteidigung für einen Freispruch nicht und verurteilte ihn. Der beschuldigte Grenzbeamte behauptete, den Ernst der Lage erst beim Transport in den Zug erkannt zu haben. Er habe berechnet, dass die Syrerin in Brig nicht schneller an Hilfe komme, als wenn er sie nach Italien deportieren und dort telefonisch Hilfe organisieren würde.

Die Anklage hingegen warf dem Grenzwächter vor, es fehlte ihm an "jeder Menschlichkeit" und dass der Grenzwächter an einem schönen Freitagabend nicht durch einen medizinischen Notfall verspätet in den Feierabend gehen wollte. Sie forderten bis zu sieben Jahre Haft wegen Tötung. Das Berner Militärgericht sprach den Grenzbeamten wegen fahrlässiger Körperverletzung, versuchten Schwangerschaftsabbruchs und mehrfachem Nichtbefolgens von Dienstvorschriften schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten und einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Franken.

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