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Sex

Ein Schweizer Gericht sagt, das heimliche Ausziehen des Kondoms sei keine Vergewaltigung

In Deutschland würde das Urteil wohl anders ausfallen.

Foto: MIKI Yoshihito | Wikimedia | CC-BY-2.0 Wenn ein Mann beim Sex heimlich das Kondom auszieht, ist das Schändung und nicht Vergewaltigung. So sieht es zumindest das Waadtländer Kantonsgericht im ersten öffentlich bekannten Gerichtsfall zu "Stealthing": Es beurteilte in der zweiten Instanz den Fall einer Schweizerin und eines Franzosen, bei der es zu einvernehmlichem Sex gekommen war, bei dem der Franzose aber verschwiegen hatte, dass er sein Kondom abgestreift hatte. In der ersten Instanz hatte das Strafgericht Lausanne dies als Vergewaltigung gewertet und den Angeklagten zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Strafmass bleibt im Gegensatz zum Delikt gleich. Der Angeklagte schliesst laut der Schweizerischen Depeschenagentur nicht aus, das Urteil bis ans Bundesgericht weiterzuziehen.

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"Stealthing" wird als einvernehmlicher Sex definiert, bei dem der Mann ohne das Wissen der Partnerin oder des Partners das Kondom weglässt. Eine im April 2017 veröffentlichte Untersuchung im Columbia Journal of Gender and Law hat diese Form des sexuellen Missbrauchs und die Gründe dafür genauer beleuchtet. Die Autorin der Studie, Alexandra Brodksy, hat unserer Kollegin bei Broadly ihre Arbeit erläutert: Brodsky, arbeitet am National Women's Law Center und hat Menschen interviewt, die bereits erlebt haben, dass einer ihrer Sexpartner ohne ihr Einverständnis das Kondom ausgezogen hat.

Die Erfahrungen der überwiegend weiblichen Betroffenen sind ganz unterschiedlich. Doch es gibt zwei wiederkehrende Motive, die ihr im Verlauf der Gespräche mit den Opfern immer wieder begegnet sind: "Allem voran haben die Betroffenen natürlich Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft und sexuell übertragbaren Krankheiten", schreibt sie. "Hinzu kommt aber auch, dass sie die Erfahrung, dass ihr Sexpartner das Kondom ohne ihr Einverständnis auszieht, auch ganz unabhängig von den tatsächlichen Folgen als klare Verletzung ihrer körperliche Autonomie und des Vertrauens sehen, das sie irrtümlicherweise in ihren Sexpartner hatten."

Eine Frau erzählte Brodsky: "Am schlimmsten fand ich […] den eklatanten Verstoss gegen unsere Abmachung. Ich habe ihm Grenzen gesetzt und ihm das auch ganz unmissverständlich mitgeteilt." Eine andere Frau verglich ihre Erfahrung mit einer Vergewaltigung und verdeutlicht damit, dass "Stealthing" in den Augen der Opfer durchaus mit anderen Formen von sexuellem Missbrauch gleichzusetzen ist.

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