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Flugbegleiter

Warum sind Airlines bei Tattoos immer noch so streng?

Wegen drei kleinen Strichen lehnte die Schweizer Edelweiss Air eine Bewerberin ab.
Collage von VICE Media; Foto links von Aero Icarus | Flickr | CC-BY-SA 2.0; Foto rechts zur Verfügung gestellt

Die Zeiten, in denen Flugbegleiterin ein angesehener Beruf mit einem edlen Image und langen Aufenthalten an Ferienorten war, sind mehrheitlich vorbei. Lange Stopps an Feriendestinationen fielen dem Preisdruck zum Opfer, der Lohn ist tief bei gleichzeitig hoher körperlicher Belastung und Aufstiegschancen gibt es so gut wie keine. Trotzdem ist der Job in der Flugzeugkabine nach wie vor beliebt.

Auch die 27-jährige Cynthia Lind will den Job über den Wolken und bewirbt sich bei der Schweizer Airline Edelweiss Air. Nachdem sie ihre Bewerbung abgeschickt hat, besucht sie eine Infoveranstaltung der Airline für potentielles Kabinenpersonal in Zürich. "Ich war euphorisch und setzte mich deshalb in die erste Reihe und stellte meine Fragen. Im Nachhinein war das wohl ein Fehler", erzählt Cynthia gegenüber VICE ihre Geschichte. Als sie eine Woche später bei der Airline anruft, weil sie wissen möchte, wann die allfällige Ausbildung beginnen würde, wird sie von der Edelweiss-Mitarbeiterin auf ihr ein Zentimeter grosses Tattoo an ihrem Fuss angesprochen: "Noch bevor ich meine erste Frage überhaupt fertig stellen konnte, fragte sie mich ungeniert, ob ich die Dame aus der ersten Reihe mit dem kurzen blonden Haar wäre. Zögernd antwortete ich mit Ja", erzählt Cynthia. Die Edelweiss-Mitarbeiterin gibt ihr dann zu verstehen, dass zum Zeitpunkt der Bewerbung keine Tattoos erlaubt seien und erteilt ihr direkt eine Absage.

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Das ist Cynthia Lind; Foto zur Verfügung gestellt

Weil Cynthia nicht damit gerechnet hat, dass ein so kleines Tattoo heute noch zum Problem werden könnte, versucht sie die Personalabteilung nochmals zu überreden und überlegt sich sogar, ihr Tattoo nur für den Job entfernen zu lassen. Weil das aber eine Unmenge Geld kostet und auffällige Narben nicht ausgeschlossen sind, zieht sie ihre Bewerbung bei der Edelweiss Air zurück. "Für mich gilt das als reine Diskriminierung, wenn so viele qualifizierte Menschen beispielsweise nur wegen einem kleinen Buchstaben auf dem Handgelenk abgelehnt werden", meint Cynthia. Weder ein Abkleben des Tattoos oder das Tragen von Strümpfen war für Edelweiss Air eine Option. Warum sind Airlines heute immer noch so streng, wenn es um Tattoos geht?

Auf Anfrage von VICE erklärt Andreas Meier von der Medienabteilung der Edelweiss Air, dass in der hauseigenen Uniform (Kurzarmhemd, knielanger Jupe, offene Schuhe) sichtbare Tattoos grundsätzlich verboten seien. Auf die Frage hin, warum die Airline heute immer noch auf eine derart konservative Erscheinungsform wert legt, antwortet Edelweiss:

"Das Hauptinteresse einer Airline besteht unter anderem darin, eine gepflegte und einheitliche Crew auf den Flugzeugen zu haben. Dabei ist auch den unterschiedlichen Wertevorstellungen und Ansichten im internationalen Kontext Rechnung zu tragen. Die liberale Art, wie sie in der Schweiz gelebt wird, kann nicht automatisch auf andere Kulturen übertragen werden. Diese Überlegungen leiten uns beim Entscheid, keine sichtbaren Tattoos zu erlauben."

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Diese Richtlinien in naher Zukunft zu überdenken, plant die Airline nicht und möchte auch bei unauffälligen Tattoos ihren strengen Kurs beibehalten. Dass es auch anders geht, zeigt der Blick auf andere Airlines: Die deutsche Lufthansa – die wie Edelweiss auch Ziele auf der ganzen Welt in verschiedenen Kulturen anfliegt – erlaubt gemäss Berichten von Cabin Crew-Mitgliedern bei kleinen, von der Uniform nicht verdeckten Tattoos von bis zu zwei Zentimeter Durchmesser Ausnahmen – auch wenn die Lufthansa diese Praxis offiziell nicht bestätigen möchte. Unter diese pragmatische Lösung wäre wohl Cynthia gefallen. Easyjet geht den simplen Weg und erlaubt einfach auch Frauen das Tragen von Hosen anstatt Röcken und bietet zudem eine langärmelige Version der Uniform an. Werden Tattoos von diesen Kleidungsstücken verdeckt, sind sie für Easyjet kein Problem, erklärt deren PR-Managerin Carinne Heinen auf unsere Nachfrage.

In einer Kampagne im Jahr 2015 warb Airberlin auf Plakaten und Videos mit einem stark tätowierten Model und strebte unter dem Slogan "#notestablishedsince1978" ein jüngeres Image an. Der damalige Airberlin-CEO Stefan Pichler charakterisierte Airberlin als "emotional, progressiv und edgy". Das Absurde daran: Anscheinend ist Airberlin dadurch aber nicht edgy genug geworden, um auch nur kleine Tattoos bei der eigenen Cabin Crew zuzulassen. Bis heute erlaubt die Airline sichtbare Tattoos nur auf ihren Werbeplakaten.

In der heutigen Zeit hat das Reisen mit dem Flugzeug mit dem Glamour alter Zeiten nicht mehr viel gemeinsam. Durch Easyjet und co. sind Flugreisen für jedermann erschwinglich geworden und unterscheiden sich kaum mehr von einer gewöhnlichen Busfahrt. Mit dem gestiegenen Bedürfnis nach weltumspannender Mobilität sind auch die Fluggäste individueller geworden, als sie es noch in der romantisierten Blütezeit der Stewardess des 20. Jahrhunderts waren. Dass die meisten Airlines für Flugbegleiter aber trotzdem noch derart konservative Richtlinien für das Erscheinungsbild haben, macht heute kaum mehr Sinn.

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