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Popkultur

Stadt München forderte Bußgeld, weil TV-Magazin 'Galileo' kein Journalismus sei

"Die gedrehten Videos dienen nicht der aktuellen journalistischen Berichterstattung."
Moderator Aiman Abdallah ermittelt wahrscheinlich schon für 'Galileo Mystery' || Foto: Imago | Mavericks

Wenn Taff, Punkt 12 oder dein lokaler Fernsehsender Dutzende Passanten auf der Straße nach ihrer Meinung zur Bundestagswahl oder lustigen Katzenvideos befragen, ist das manchmal informativ, und soll eigentlich unterhaltsam sein. Aber ist das auch Journalismus? Ein Bußgeld der Stadt München entfacht darüber eine Debatte.

Michael Ganser befragte für die ProSieben-Sendung Ga­li­leo Passanten in einer Münchner Fußgängerzone nach ihrer Meinung zu einem aktuellen Thema. "Ich hatte lediglich meine Kamera auf der Schulter und hatte noch zwei Praktikantinnen von ProSieben dabei, die eine hat die Tonangel gehalten, also das Mikrofon, und die andere hat die Leute gefragt", erklärt Ganser dem Deutschlandfunk. Dann kamen zwei Polizisten und wollten eine Drehgenehmigung sehen. Doch Ganser hatte keine, weil er dachte, dass er sie nicht brauche. Der Leitfaden der Stadt München schreibt für aktuelle journalistischen Berichterstattung keine Drehgenehmigung vor. Die Polizei drohte mit einem Platzverweis und stoppte den Dreh. Das war im August. Jetzt, ein halbes Jahr später, bekam er einen Bußgeldbescheid – er soll 128 Euro zahlen.

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Ganser legte Widerspruch ein und teilte den Bußgeldbescheid auf Twitter. Besonders eine Passage daraus kritisierte der Kameramann: "Die gedrehten Videos dienen nicht der aktuellen journalistischen Berichterstattung, sondern um (sic!) Interviews für ein Infotainmentmagazin, welches regelmäßig erscheint. Die Beiträge sind im Vorfeld bekannt. Es wäre Ihnen deshalb ein leichtes gewesen, die erforderliche Genehmigung vor Beginn der Dreharbeiten einzuholen." Laut Ganser dauere das aber zehn Tage. Zudem habe ihn die Galileo-Redaktion erst morgens mit dem Thema betraut, so der Kameramann zum Deutschlandfunk. Laut Münchner Presse- und Informationsamt dürfen journalistische Aufnahmen im öffentlichen Raum gemacht werden, sofern sie ohne weitere Hilfsmittel wie Scheinwerfer oder Absperrungen stattfinden. Daran hielten sich Ganser und sein Team. Haben hier Polizei und Stadt München also willkürlich entschieden, was "aktuelle journalistische Berichterstattung" ist und was nicht?

Auf eine Anfrage von VICE hat sich das Kreisverwaltungsreferat der Stadt München bisher nicht gemeldet, aber auf Twitter rudert der offizielle Account der Stadt München schon zurück. "Entschuldigung an @sundrio ist bereits raus", schrieben sie unter einem Post des Galileo-Mitarbeiters Sundro Ganser. "Und selbstverständlich sind Magazine wie Galileo auch journalistische Formate", schreibt die bayerische Landeshauptstadt in ihrem Tweet. Dazu veröffentlichte Ganser eine Mail der Stadt München. Darin erklärt der Leiter des Presse- und Informationsamts, dass man bewusst keine abschließenden Kriterien für Art, Format oder Inhalt von "journalistischer Berichterstattung" definiere, da dies im freien Ermessen der Medien stehe. Er habe die zuständige Dienststelle gebeten, den Bußgeldbescheid zurückzunehmen. In dem Schreiben räumte der Leiter aber auch ein, dass es in den städtischen Dienststellen in der Vergangenheit "Arbeitsdefinitionen" davon gab, was journalistische Berichterstattung sei und was nicht. Welche Kriterien das genau sind, verriet er nicht.

Trotz der Entschuldigung warnt Dennis Amour, Geschäftsführer des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV), davor, dass Behörden mit ihrem Verhalten in die Pressefreiheit eingreifen würden. "Nach meiner Auffassung kann es nicht sein, dass Behörden willkürlich Grenzen einziehen, wo es dann darum geht, aktuell von nicht aktuell zu unterscheiden", sagt er dem Deutschlandfunk. "Wie man sieht, ist das auch fast gar nicht möglich."

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