So wirst du eine tolle Freundin – ein Ratgeber von Mädchen für Mädchen

Mädchenfreundschaften sind etwas unglaublich Seltsames, Tolles und unfassbar Intensives. Eine enge Bindung zwischen Frauen fühlt sich ein bisschen so an, als würdest du gefühlsmäßig pausenlos ohne Hose rumlaufen—du musst dir keine Sorgen mehr um irgendeinen kleinen Hautfetzen machen, der lustig in deinem Nasenloch umhertanzt, oder darüber, dass man durch deine Leggings die vagen Umrisse deiner Vulva sehen könnte, denn es ist einfach immer eine da—dein ganz persönlicher Gefühlsbeichtstuhl—, die dir unauffällig Bescheid gibt.

Wenn man dir das Herz aus der Brust gerissen hat, dann kommt deine beste Freundin, hebt es wieder auf und hilft dir dabei, die ganzen kleinen Steinchen davon zu entfernen. Eine gute Freundin hat ein Gespür für den passenden Moment und erscheint ungefragt mit einem großen Becher Eis vor deiner Wohnungstür. Eine gute Freundin ist eine Person, der du mitten in der Nacht die bescheuertsten Sachen sagen kannst wie: „Sei ehrlich, glaubst du, die Leute finden mich trendy?" Und du musst Angst haben, dafür ausgelacht zu werden.

Und so wirst du so eine Freundin:

Ihr steht draußen vor dem Club und dich stresst einfach tierisch, dass alle den Schweiß unter deinen Brüsten sehen können, da die Sonne mittlerweile aufgegangen ist. Die Spatzen haben schon mit ihrem unerträglichen Geschrei angefangen und deine persönliche Enttäuschung über dich selbst und diesen Abend wächst und wächst. Du schaust rüber zu deiner Freundin und sie wirft dir ihren herzerweichendsten Hundeblick zu.

„Tom meint, er hat noch voll viel zu trinken zu Hause", sagt sie mit diesem beinahe bettelnden oder flehenden Unterton. Deine eigene Wohnung befindet sich eigentlich nur eine Straße von hier entfernt, aber aus irgendeinem Grund steht sie total auf diesen Typen mit seine komischen Freunden und will ihn offensichtlich heute noch gerne flachlegen. Das Problem ist nur, sie will nicht alleine zu ihm. Sie kennt ihn ja nicht so gut und dann sind da natürlich noch die ganzen komischen Freunde von ihm.

Also findest du dich um 6 Uhr morgens in einer Neubauwohnung wieder und schaust einem Typen mit unglaublich spitzen Schuhen dabei zu, wie er Lines von einerHangover 2-DVD-Hülle zieht. Im Hintergrund läuft irgendeine öde Spotify-Playlist und Alex, einer der vielen komischen Freunde, nimmt den neuen Trey-Songz-Song zum Anlass, seine Hand auf deinen Rücken zu legen. Du schälst dich also mühsam aus dem braunen Ledersofa und begibst dich in Richtung Klo, wo du dich dann plötzlich dabei ertappst, wie du aufmerksam die Packungsbeilage einer Schachtel Wick Medinait studierst und geistesabwesend das Waschbecken gefühlte 45 Minuten lang mit einem Tuch reinigst. Du hörst Gekicher aus dem Wohnungsflur, gefolgt von einem tiefen Atemzug während Armreifen und Pobacken auf Tapete treffen.

Als Wiedergutmachung wirst du dir am nächsten Tag von ihr erzählen lassen, warum sie den Sex für immer bereuen wird—direkt nachdem sie dir eine kühle Kater-Limo vom Kiosk mitgebracht hat.

Wenn es nur nach dir und deinen besten Freundinnen ginge—die Freundinnen, die jeden Leberfleck an deinem Körper kennen und sich noch daran erinnern, wie du auf Zakynthos in ein Handtuch gekackt hast—dann bräuchte es nur fünf Flaschen Blanchet, eine große Familienpackung Yes-Törtchen und einer ziemlich gemeine aber liebevoll gestaltete Geburtstagskarte. Diejenigen, die dich am besten kennen, haben auch die niedrigsten Erwartungen—d.h. du kannst total zu Justin Biebers Songs abgehen und Händchen halten, während dir alle sagen, dass du die Beste bist und überhaupt das schönste Schlüsselbein von allen hast.

Wenn du aber Menschen außerhalb des eingeschworenen BFF-Kreises einlädst, können Geburtstage für stressbedingten Ausschlag sorgen. Ellen, eine Arbeitsfreundin von deinem Geburtstagskind, hat seit etwa fünf Monaten Schöner Wohnenabonniert und du darfst jetzt deine Mittagspausen damit zubringen, stundenlang in einer WhatsApp-Gruppe ein Geschenk zu überlegen. Im Zuge des unablässigen Stroms passiv-aggressiver Messages willigst du dann irgendwann ein, dich mit 40 Euro an einer geblümten Teekanne von Villeroy und Boch zu beteiligen.

Die nächste Stufe—die eigentliche Party—wird so durchdacht und vielseitig sein, dass du ins Grübeln kommst, ob deine Freundin vielleicht todkrank ist und diese Veranstaltung hier Teil ihrer Bucket-List ist und sich einfach noch niemand getraut hat, dir das zu sagen. Höchstwahrscheinlich wirst du im Laufe des Abends mit Flaschendrehen konfrontiert werden, einen Cosmopolitan mixen lernen oder—im absolut schlimmsten Fall—ein ‚lustiges Tierkostüm' tragen müssen. Und dann kommt das Essen, bei dem du neben die Schulfreundin Vicky gesetzt wirst, die dir pausenlos Zeug über ihr Feldhockeyteam und ihr Riesenkaninchen erzählt—Puffy hatte die letzten Wochen nämlich mit einer fiesen Augenentzündung zu kämpfen. Seit dem Tag, als deine Mutter dir erklärt hat, dass sie sich von deinem Vater trennen wird, hast du nicht mehr so einen beschissenen Abend gehabt, dieser hier kostet dich aber 100 Euro.

Leider wirst du dein Leben lang solche Veranstaltungen besuchen müssen. Du hast bestimmt auch schon die angsteinflößenden Geschichten gestandener Frauen gehört: Gerüchte von 400-Euro-Junggesellinnenabschieden oder Hochzeitswunschlisten ausschließlich bestehend aus Manufactum-Produkten. In ein paar Jahren werden dich deine engsten Freundinnen darum bitten, als Trauzeugin 200 Euro für violette Satinschuhe hinzublätterm, also nimm es mit Fassung und sei dankbar, dass gerade alles noch verhältnismäßig harmlos ist. Wo wir schon dabei sind:

So sehr du beim Teilen der Restaurantrechnung auch aufspringen, einer wildfremden Person einen Teller in die Fresse werfen und „ICH HABE KEINE VERFICKTEN NÜSSCHEN UND OLIVEN BESTELLT" brüllen willst, musst du die Fassung wahren und klein beigeben. Zahl deinen Anteil, denn alles andere würde bedeuten, von deinen Freundinnen zu klauen. Sei nicht die „Hey, warum bestellen wir nicht einfach noch ein paar Pizzabrötchen?"-Person, die beim Bestellen auf Beyoncé und bei der Rechnung auf arme Studentin macht.

Wenn deine Freundin eine Verbündete braucht, musst du jeden rationalen Gedankengang sofort über Bord werfen. „Sabrina ist voll die Schlampe", sagt sie. „Sie meinte, meine Haare würden ‚aufgedonnert' aussehen. Wer zur Hölle sagt so eine Scheiße überhaupt noch?", zetert sie wutentbrannt weiter. „OMG", antwortest du mit gespieltem Entsetzen und während du versuchst, jegliche Hirnaktivität zu unterdrücken. „Was für eine dumme Kuh!"

Mit genau der gleichen Antwort triffst du auch bei Phrasen wie „Meine Chefin ist voll der Arsch", „Meine Mitbewohnerin füttert nie die Fische" und „Ich glaube, die Freundin meines Bruders klaut meine Haarklammern" immer genau den richtigen Ton. Alternativ kannst du einfach den von ihr gesprochenen Satz zu einer Frage umformulieren und mit immer piepsig werdender Stimme wiederholen—am besten so, dass das letzte Wort nur noch für Fledermausohren wahrnehmbar ist. „Was? Kathi füttert nie die Fische und wie-auch-immer-sie-heißt klaut deine Haarklammern??"

Mit dieser Methode nimmst du noch nicht einmal irgendeine Position ein, du zeigst deiner Freundin aber, dass du ihre Gefühle durchaus ernst nimmst, indem du wie eine totale Vollidiotin redest.

Mittlerweile bist du alt genug, um zu wissen, dass du dich nicht mit Mädels anfreunden solltest, die ihren Instagram-Account mit inspirierenden Zitaten zumüllen oder leise Mariah-Carey-Harmonien summen. Um Frauen, die sich selbst als Schokaholic oder Shopaholic bezeichnen, oder immer wieder behaupten, dass sie „so'n Drama total hassen", auch wenn alle genau wissen, dass diese Person nichts anderes als Drama im Kopf hat, machst du ebenfalls einen großen Bogen.

Du hast, seitdem du mit der Schule fertig bist, wahrscheinlich gemerkt, dass die oben genannten Mädchen genau die sind, die du früher immer für cool gehalten hast. Deine erwachseneren Frauen-Freundinnen sind aber tausendmal besser. Sie sind schlagfertig, lachen laut, verstehen die Abendnachrichten und ihr habt euch noch nie länger als anderthalb Minuten über Nagellack unterhalten. Nichtsdestotrotz hat jedes Mädchen mindestens eine zickige Freundin, die sie, rein technisch gesehen, eigentlich hasst. Ein Mädchen voller grauenvoller Ansichten, die nach Coco Mademoiselleund feinem Leder riecht und sich nicht schämt, in der U-Bahn ernsthaft über Pilates zu reden. Sie ist super heiß und angsteinflößend. Du würdest ihr am liebsten eine reinhauen, aber gleichzeitig wärst du auch gerne ein bisschen wie sie. Da es aber weit und breit niemanden gibt, der deine Teenager-Unsicherheiten so gut versteht wie sie, bringst du es nicht übers Herz, ihre Brunch-Einladungen auszuschlagen.

Es wird bei einer wilden Party passiert sein, dass sie dich zum ersten Mal mit ihrer ganz eigenen, grenzüberschreitenden Art vorgegaukelter Familiarität um den Finger gewickelt hat. Mit weit aufgerissenen Augen und einem eisigen Griff zerrte sie dich weg von deinen männlichen Freunden auf die Toilette. „OMG, ich liebe dein Kleid—es ist un-glaublich", schreit sie dir fast ins Gesicht. „Ich kann gar nicht verstehen, dass wir nicht schon immer Freundinnen waren! OK, wenn ich ehrlich bin, dann hast du mich immer etwas eingeschüchtert. Hey, ich weiß, das ist jetzt voll random, aber hat Freddy jemals irgendwas über mich gesagt?", sagt es und wickelt dich dabei in ihren Arm ein. Nur weil ihr euch gegenseitig auf dem Klo eure Titten gezeigt habt und sie dir diese furchtbare Geschichte erzählt hat, die ihr damals bei ihrer ersten Schuldisco passiert ist, heißt das nicht automatisch, dass ihr BFFs seid. Es heißt nur, dass ihr viele Drogen genommen habt.

In deinem Alter hast du solche Freundinnen nicht nötig, vor allem wenn du schon einen Haufen bester Freundinnen hast, denen du jetzt schon kaum die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringen kannst. Ja, ich weiß, dass sie dich gefragt hat, ob du nicht für ihren Fashion-Blog „Lena Loves" posieren willst, und dass das ganz schön schmeichelnd ist. Aber vergiss nicht: Lena liebt dich nicht so wie deine echten Freundinnen, weil Lena zu echter Liebe nämlich gar nicht fähig ist.

Es ist deine Pflicht, geheim zu halten, auf welche komischen Männer deine beste Freundin steht—jedenfalls halbwegs geheim. (Mit halbwegs geheim meine ich, dass du schon darüber reden kannst, wenn sich die die erste Flasche Nero D'Avola dem Ende neigt und ihr dabei seid, euch eure peinlichsten Storys zu erzählen.) Mit komischen Männern meine ich nicht irgendwelche älteren Herren, die dir auf den ersten Blick vollkommen asexuell vorkommen, unter gewissen Umständen aber noch als „irgendwie süß" durchgehen könnten. Ich rede hier über ein Faible für Männer wie Nick Nolte oder den neuen Buchhalter in der Firma, der jedes Mal auffällig an seinen Fingern schnüffelt, wenn er vom Klo kommt.

Solche unerklärlichen Neigungen wirst du niemals verstehen oder irgendwie rationalisieren können—ganz egal, wie du es auch drehst und wendest. Dir bleibt aber nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren, weil auch du dich eines Tages zu jemandem hingezogen fühlen wirst, der gleichzeitig dein Herz höher schlagen und die Magensäure in den Rachen schießen lässt.

Ein Snack, den man mit einer Freundin teilen kann, ist eine tolle Sache. Ein Milky Way Crispy Roll oder unter besonderen Umständen auch ein einsames, in Handtaschenkrümeln gewälztes Smint-Bonbon werden den Motor eurer Freundschaft ölen, wie ein Spritzer WD40 eine Spielplatzrutsche. Selbst die alte Mandarine, die du schon seit Tagen in deiner Tasche mit dir rumschleppst, wird großartige Dienste leisten, wenn deine Freundin gerade kurz davor ist, vor lauter Hunger unausstehlich zu werden. Oder auch wenn du eine dieser Freundinnen hast, die eigentlich nie nicht hungrig sind wie meine Freundin Bryony, die auf jede essensrelevante Frage mit einem „Ja, gerne" antwortet.

Bryony hat einmal für eine Wette eine ganze Schüssel grüner Chilis und einen großen Löffel Currypaste gegessen und dann den ganzen Nachmittag über dem Klo gehangen. Vor dem Abendessen fragte ich sie, ob sie einen Schokoriegel möchte. „Ja, gerne", antwortete sie. Sie war einfach nie nicht hungrig.

Aufeinander abgestimmte Perioden und voreinander pinkeln gehören für die meisten Mädchenfreundschaften in den Bereich der Selbstverständlichkeiten. Wirklich auf die Probe gestellt wird eure Beziehung erst, wenn Erbrochenes ins Spiel kommt—nicht zuletzt weil oft der weitere Verlauf des ganzen Abends davon abhängt. Manche Abende sind nun mal hart, laufen aus dem Ruder und irgendwann kotzt jemand in seine Handtasche.

Du kannst jede beliebige Mädchengruppe fragen und jede wird dir mindestens von einem bestimmten Abend erzählen können, der früher geendet ist als geplant, weil jemand Kotze aufwischen, auf Kotze gucken oder Kotze aus den Haaren einer Freunden fummeln musste. Wenn du diejenige bist, der das kleine Malheur passiert, dann mach dich darauf gefasst, dich ungewollt und ungeliebt zu fühlen. „Mein Akku war alle", werden sie sagen. „Ich habe dich nicht mehr gefunden", lügen sie—selbst nachdem sie bei den Klos sprichwörtlich über dich drüber geklettert sind. Andererseits wirst wahrscheinlich auch du schleunigst das Weite suchen, wenn eine torkelnde, sich übergebende Gestalt deinen Weg kreuzt.

Es liegt jetzt an dir, aus dem Schützengraben zu klettern und dich ohne Rücksicht auf Verluste ins Gefecht zu stürzen. Wofür hat man nämlich Freunde, wenn die einen noch nicht mal in die stabile Seitenlage manövrieren können? Natürlich will niemand diese eine legendäre Silvesterparty damit verbringen, neben dem Klo zu hocken und mit Prosecco verklebte Haare aus der Schüssel zu halten, aber, hey, so ist es nun mal gerade. Das ist wahre Freundschaft, verdammt!