250.000 Euro Strafe fürs Hassen

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250.000 Euro Strafe fürs Hassen

Ein Facebook-Nutzer muss eine Viertel Million Euro zahlen, wenn er nicht damit aufhört, Dunja Hayali zu beleidigen. Das ist gut, aber trotzdem gibt es auch Kritik an älteren Posts auf ihrer Seite.

Foto: Imago | Hartenfelser

Wenn man den Kommentatoren auf ihrer Facebook-Seite glaubt, ist Dunja Hayali aufgeblasen, peinlich, geschmack- und niveaulos. Sie zerstört Deutschland, ist eine Populistin, Wahrheitsverdreherin, ein Mietmaul, eine Vertreterin der GEZ-Mafia, gehört vergewaltigt, ist eine Amischlampe, die mit ihrer kompletten Familie den Tod verdient. Und das sind nur ein paar Beleidigungen, denen sich die Journalistin ausgesetzt sieht, seit sie über die Flüchtlingssituation in Deutschland und Europa berichtet.

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Etwas Besonderes ist das leider nicht. Unter so ziemlich jedem Artikel oder Beitrag, in dem es um dieses Thema geht und der sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ausspricht, steht so in etwa der gleiche beleidigende Müll. Egal ob auf Facebook, in den Kommentarspalten von Websites oder direkt per Twitter, Facebook-Nachricht oder Mail—überall werden Redaktionen und Autoren permanent beleidigt. Dunja Hayali hat sich allerdings entschieden, offensiv damit umzugehen, und macht eine Menge dieses Hasses öffentlich.

Das ist einerseits großartig, weil es zeigt, auf was für einem erbärmlichen sozialen und intellektuellen Niveau sich „Asylkritiker" befinden, und ist für alle anderen, die aus den verschiedensten Gründen genauso beschimpft werden, ein Beweis dafür, dass sie nicht die einzigen sind, denen es so geht. Andererseits macht sich Hayali auch zu einem größeren Ziel und zieht den Hass von Trollen auf sich, die wahrscheinlich jedes Mal ein bisschen in ihr Höschen kommen, wenn sie Aufmerksamkeit erhalten, die sie eigentlich nicht verdienen.

Dummerweise ist der Traum vom sozialen Internet, in dem Menschen miteinander kommunizieren, diskutieren und Meinungen teilen, mittlerweile eher einer Realität gewichen, in der so in etwa jeder, der dazu in der Lage ist, einen Satz zu bilden, diesen Satz so laut wie möglich und wiederholt brüllt, um idealerweise so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu generieren. Laut einer Studie der OSZE, weisen Social-Media-Nutzer in allen Ländern einen höheren Bildungsgrad auf. Außer in Deutschland. Zur langen Liste der großartigen Leistungen, die dieses Land vollbracht hat, gehört also auch die Erfindung des Deppen-Internets.

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Dunja Hayali macht allerdings mehr gegen den Hass, als ihn nur öffentlich zu machen. Sie hat geklagt und gegen einen Facebook-Nutzer eine einstweilige Verfügung erwirkt, die ihn, sollte er sie nochmal beleidigen, dazu zwingen wird, 250.000 Euro zu zahlen.

Wie sich das auswirken wird, bleibt abzuwarten. Für den durchschnittlichen Troll bleibt die Hetze auf Facebook und woanders ja tendenziell eher ohne Konsequenzen. Selten verlieren Leute ihre Jobs oder werden erfolgreich angezeigt. Und selbst wenn, ist das ein extrem kleiner Tropfen auf einen sehr großen und sehr heißen Stein. In der Praxis heißt das, ich kann mich auf Facebook so benehmen wie ein „Ausländer raus!"-kreischender Zweitklässler, der nicht nur alle anderen mit schokoladenverschmierten Händen antatscht, sondern ihnen auch noch ein paar mal fest gegens Schienbein tritt, wenn sie sich beschweren. Das Schlimmste, das passieren kann, ist die Sperrung des Accounts.

Dass der Hass, der durch jedes dieser Postings durchscheint, und die persönlichen Beleidigungen tatsächlich auch echte Menschen treffen, wird so keinem klar. Für die Asylkritiktrolle ist ihre Hetze allerhöchstens ein „Verbrechen" ohne Opfer. In ihrem Weltbild sind die Leute, die sie angreifen, Vertreter der Lügenpresse oder „Volksverräter". Jedenfalls niemand, der es wert ist, sich deswegen Gedanken zu machen. Das, was sie sagen, halten sie für durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Das Vergewaltigungsdrohungen und Beleidigungen nicht zur Meinungsfreiheit gehören, ist ihnen egal.

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Diese Verfügung dreht den Spieß um und geht (mit 250.000 Euro gar nichtmal undrastisch) dahin, wo es den meisten Leuten am ehesten wehtut: An den Geldbeutel. Vielleicht ist der Effekt weniger ein pädagogischer, sondern speist sich aus Angst, nicht mehr die nächste Rate vom Bausparvertrag zahlen zu können, das Endresultat ist das gleiche: Zumindest auf der Facebook-Seite von Hayali ist ein Hetzer weniger und es wird sich hoffentlich herumsprechen, dass Handlungen Konsequenzen nach sich ziehen (zugegebenermaßen eine Sache, die man vielleicht schon mit sechs hätte lernen können).

Und jetzt könnte dieser Text zu Ende sein, Hetzer müssten sich damit abfinden, dass ihr Lieblingshobby ein bisschen unsicherer und gegebenenfalls teurer geworden ist, und alle anderen könnten sich fünf Minuten darüber freuen, bevor man den nächsten Blick in irgendeine Kommentarspalte wirft. Ist er aber nicht.

So sehr sich Dunja Hayali für Geflüchtete einsetzt und sich auch außerhalb ihrer Jobs engagiert, so postet sie doch auch Dinge, die wenigstens zweifelhaft sind. Grundsätzlich ist das etwas, das ziemlich schnell passieren kann, aber gerade wenn man als Journalistin arbeitet und sich so engagiert gegen Hass im Internet einsetzt, ist es vielleicht noch schlimmer, wenn man Hass (und wenn es vielleicht auch nur versehentlich ist) trotzdem propagiert und unkommentiert stehen lässt.

Ursprünglich 2014 postet Hayali nämlich leider das auf ihrer Seite.

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Den Text veränderte sie vor einem Tag und gibt jetzt an, dass die Karte nicht ihre Sicht widerspiegelt. Fast zwei Jahre stand dazu hier nur: „Dem Inhalt ist nichts hinzuzufügen." Das stimmt leider nicht, dem Inhalt ist so einiges hinzuzufügen und vor allem eins: Diese Karten sind falsch und ein Teil antiisraelischer Propaganda, die schon seit vielen Jahren immer wieder aufgewärmt durchs Internet geistert, bei der Fakten aus dem Zusammenhang gerissen und schlicht falsch dargestellt werden. Zu genau diesen Karten wurde schon einiges geschrieben, unter anderem auch dieser Text, den Hayali seit gestern ebenfalls unter ihrem Post verlinkt.

Danach gibt es noch ein weiteres Bild, auf das sie ebenfalls im Post oben Bezug nimmt, sie sagt dazu „kids arent born with hate, they are taught to hate. sad. much more than sad"

Und jetzt mal im Ernst: herzallerliebst oder? Ein israelisches und ein palästinensisches Kind, freundschaftlich vereint, alles ganz wundervoll.

Nicht so ganz. Tatsächlich sind die beiden Jungs Teil einer Demo von Neturei Karta, wie man auf diesem Bild, das aus einer etwas anderen Perspektive aufgenommen wurde, sehen kann. Neturei Karta ist eine jüdische ultraorthodoxe Sekte, die nichts weniger will, als Israel von der Landkarte zu tilgen, weil es ihrer religiösen Auffassung widerspricht, dass Israel als Staat überhaupt existieren sollte.

Letzte Woche wurde Dunja Hayali die Goldene Kamera verliehen und sie hielt eine Rede, in der sie über Hass im Netz und seinen Einfluss auf die reale Welt sprach. Unter anderem sagte sie: „Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist." Man kann die Wörter „rassistisch" und „Rassist" aber auch mit „antisemitisch" und „Antisemit" ersetzen.

Hayali hat sich gestern von Antisemitismus distanziert und gerade wegen ihrem Engagement möchte man ihr das glauben. Aber von einer Journalistin, die sich so stark gegen Hass im Internet positioniert und auch deswegen so im Rampenlicht steht, würde man sich doch wünschen, ein bisschen genauer hinzuschauen, was sie postet.