Sorge um Demokratie und Rechtsstaat
„Verfall der Demokratie" ist für die AfD, dass die Bundesregierung Menschenrechte achtet (Flüchtlingspolitik), auf Atomenergie verzichtet (Atomausstieg) und zur Europäischen Gemeinschaft steht wie vereinbart (Eurorettung).„Die Alternative für Deutschland betrachtet diese Entwicklungen, die mit einem rapiden Verfall unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats einhergehen, mit großer Sorge." (Wahlprogramm B-W, S. 4)
Lasst uns rassistisch und sexistisch sein!
Die AfD will politisch unkorrekt sein und weiß laut diesem Zitat sogar, dass es sehr viele Abwertungen und Diffamierungen gibt, die zwar gesellschaftlich fatal und beschämend, aber nicht strafbar sind. Warum inszeniert sie sich dann nur immer als Tabu-Brecher und lamentiert, die Meinungsfreiheit wäre in Gefahr?„Von Diffamierungen im Zeichen der ‚politischen Korrektheit' lässt sich die AfD nicht einschüchtern, denn sie weiß das Recht und das Grundgesetz auf ihrer Seite." (Wahlprogramm B-W, S. 4)
Was heißt das?
Also, das heißt, für einige Freiheiten, aber längst nicht alle (etwa nicht die Religionsfreiheit der Muslime, vgl. Wahlprogramm B-W, S. 24) – und meint mit Selbstverantwortung auch, Menschen in Notlagen allein zu lassen (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 27) …„Die AfD steht für Freiheit und Selbstverantwortung"
… für Nationalismus mit Schlussstrich-Perspektive auf die Geschichte …„für gesundes Selbstbewusstsein und Heimatliebe"
… für populistische Entscheidungen und Law-and-Order-Politik (vgl. Wahlprogramm B-W, S.15, S. 12-13) …„für direkte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,"
… für eine Realität, in der sie selbst interpretiert, was „ideologiefrei" ist, und gegen Solidarität und Unterstützung etwa von Arbeitslosen (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 27 und Wahlprogramm Sachsen-Anhalt, S. 36) …„für ideologiefreien Realismus und ökonomische Vernunft,"
… für anti-intellektuellen Anti-Modernismus, damit sich bloß nichts ändert (vgl. etwa Wahlprogramm B-W, S. 28, 39).(Zitat von Wahlprogramm B-W, S. 4)„für Bürgersinn und Tradition."
Veränderung der politischen Kultur
Das stimmt! Und zwar in diesem Sinne: Grundrechte und Menschenrechte einschränken oder abschaffen (z.B. für Geflüchtete, die kaum noch eine Chance auf Asyl mehr bekommen sollen, vgl. Wahlprogramm B-W, S. 19/20), Homosexuelle, die nicht mal mehr dort als gleichberechtigt zu Heterosexuellen behandelt werden sollen, wo sie es gerade geschafft haben (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 30).Die AfD möchte mehr Volksentscheide statt parlamentarischer Demokratie oder in anderen Worten: Populistische Entscheidungen für den lautesten Vorschlag aus selbstbezogener Perspektive statt sachlich abgewogene Entscheidungen nach Informationen von VolksvertreterInnen (dieses wird von der AfD „Bevormundungspolitik" genannt) (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 15).„Ein Hauptziel der Alternative für Deutschland ist die Veränderung der politischen Kultur in unserem Land." (Wahlprogramm B-W, S. 4)
Sprech- und Denkverbote
1. Wir wollen rassistisch, sexistisch, intolerant, antimodern, wirtschaftschauvinistisch, sozialdarwinistisch usw. sein, ohne dass uns das jemand vorwirft—sonst sagen wir, der ist selbst ein Nazi, betreibt Zensur oder ähnliches. Rücksichtnahme und Perspektivübernahme fordern wir nur für uns!2. Wir wollen eine 1950er-Jahre-Welt wiederhaben, in der alte, weiße, christliche Männer das Sagen haben, Frauen am Herd stehen, Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion gar nicht hier sind oder wenn, dann offen diskriminiert werden dürfen.3. Wir fordern an dieser Stelle keine Sprechverbote, aber stellen weiter hinten im Wahlprogramm ebensolche aufa. für die Presse (soll angewiesen werden, positiver über Familien schreiben, Wahlprogramm B-W, S. 29),b. den Kulturbetrieb (soll mehr deutsche Werke auf Theaterbühnen bringen, Wahlprogramm Sachsen-Anhalt, S. 20) oder diec. Wissenschaft (sollen gefälligst auf Deutsch schreiben, Wahlprogramm B-W S. 38).„Eine ideologisch motivierte Bevormundungspolitik (…) führt zunehmend zu Sprech- und Denkverboten, zu einem Klima der Repression und Intoleranz in Namen von trügerisch wohlklingenden Begriffen wie ,Vielfalt', ,Buntheit', ,Toleranz' und ,Gleichstellung'." (Wahlprogramm B-W, S. 5)
„Massenzuwanderung als Katastrophe"
Erst mal zum rhetorischen Dampfhammer greifen, so wie Rechtsextreme es aktuell auch tun: „Massen-" klingt gruselig, „Katastrophe" nach Urgewalt. Während man diese Metaphern verarbeitet, fällt vielleicht nicht auf, dass die AfD hier Menschen, die vor Krieg und Diskriminierung aus ihren Heimatländern fliehen, als Zuwanderer bezeichnet—dabei ist völlig unklar, wie viele der Geflüchteten wie lange in Deutschland bleiben werden. Das Asylgesetz sieht jedenfalls (leider) nicht vor, dass Geflüchtete dauerhaft bleiben dürfen, wenn sich die Lage im Heimatland ändert.„Die aktuelle Massenzuwanderung - von Grün-Rot ideologisch vorbereitet, von der Merkel-CDU gefördert und ‚verwaltet' – betrachtet die AfD als Katastrophe für Deutschland (…)." (Wahlprogramm B-W, S. 5)
Schade. Allerdings: Das sagt die AfD. Wirtschaftsexperten und andere Politiker z.B. sehen Zuwanderung eher als Chance.„Die Integrationskraft unseres Landes reicht bei weitem nicht aus, um die derzeitigen Zuwandererzahlen zu bewältigen."
Nein, nichts davon. Das ist nur rechtspopulistische Panikmache. Nicht die Zahlen machen die Probleme, sondern höchstens die Verweigerung vernünftiger Integrationsmaßnahmen wie Hilfe beim Spracherwerb, Unterbringung in Wohnungen statt Wohnheimen, Bildung für Kinder und Erwachsene und eine schnelle Arbeitserlaubnis.„Bleiben sie unverändert hoch, dann werden Parallelgesellschaften, die Überlastung der Sozialsysteme, schwere Gefährdungen der inneren Sicherheit und soziale Unruhen unweigerlich die Folge sein."
Ah, Rassismus! Neben der erneuten Naturgewalt-Methapher wird hier eine (dabei auch noch in sich außerordentlich diverse) Gruppe, nämlich „Geflüchtete", mit Verallgemeinerung, Abwertung und Kulturrassismus bedacht. Falsch: Es sind alles individuelle Menschen mit eigenen Werten, Vorstellungen und Voraussetzungen, und natürlich können sie in der deutschen Gesellschaft ankommen und klarkommen—und sie wollen es in der Regel auch.„Die AfD fordert mit Nachdruck (…) die unverzügliche Beendigung des Massenzustroms größtenteils nicht integrierbarer, kulturfremder Menschen in unser Land".
Schule: Leistungsorientiert, ohne Durchlässigkeit für sozial Benachteiligte und bitte ohne Behinderte
Die AfD möchte also lieber Elitenförderung nach Nützlichkeitsdenken statt bessere Bildung für alle Kinder (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 33), und statt Inklusion lieber Ausgrenzung von lernbehinderten Kindern— nicht ohne zu sagen, dass das doch viel besser für sie sei.„Der Kampf um den Erhalt bürgerlicher Errungenschaften und Tugenden beginnt in der Schule. Die AfD wendet sich (…) gegen die (…) Planierung unseres leistungsorientierten, mehrgliedrigen Schulsystems zur semi-sozialistischen Gleichmacherei der Gemeinschaftsschulen." (…) „Auch das Konzept der Inklusion sieht die AfD kritisch (…)". (Wahlprogramm B-W, S. 5)
Wer gleichberechtigt wird, entscheide immer noch ich
Also:- Instrumente für Gleichberechtigung von Frauen sind unfair, denn sie gelten ja nicht für Männer!- Wenn die Menschen in traditionellen Ehen und Familien lernen, dass sie auch homo- oder transsexuell sein können, wollen sie das alle—sonst müsste man sich ja keine Sorgen machen, dass deren Gleichstellung die „traditionelle" Ehe gefährden könnte.- Warum gibt es Minderheitenschutz im Grundgesetz nur für Minderheiten?„Die Politik des ,Gender Mainstreaming' mit all ihren Folgeerscheinungen wie Frauenquoten, Gleichstellungsbeauftragen und staatlicher Propaganda für sexuelle Minderheiten lehnt die AfD rigoros ab. Sie setzt sich für den Schutz der traditionellen Ehe und Familie ein und erinnert an das Gebot der Gleichberechtigung in unserem Grundgesetz, dem staatliche verordnete Quoten Hohn sprechen." (Wahlprogramm B-W, S. 6)
Und der ganze Rest
Was vielleicht für potenzielle AfD-Wähler interessant ist:
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse. Antisemitismus, auch in Form von Israelfeindlichkeit, und Rassismus sind ein in Deutschland weit verbreitetes Problem, das noch zu wenig wahrgenommen wird. Dieser gesellschaftlichen Fehlwahrnehmung setzt die Stiftung Aufklärung, Sensibilisierung sowie Beratung und Förderung von lokalen Initiativen entgegen. Die Amadeu Antonio Stiftung hat überall in Deutschland bereits über 950 lokale Initiativen und Projekte in den Bereichen demokratische Jugendkultur, Schule, Opferschutz und Opferhilfe, kommunale Netzwerke sowie Hilfsangebote für Aussteigerinnen und Aussteiger aus der Neonaziszene unterstützt. Wichtigste Aufgabe der Stiftung ist es, die Projekte über eine finanzielle Unterstützung hinaus zu ermutigen, Öffentlichkeit für ihre Situation zu schaffen und sie zu vernetzen.