Vier Tage auf der Westbalkanroute

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Vier Tage auf der Westbalkanroute

Vier Tage lang haben Armin Walcher und Stephan Skrobar die Flüchtlinge auf der Westbalkanroute begleitet, die Stimmung beobachtet und dokumentiert.

Von 5. bis 8. Oktober haben Dokumentarfotograf Armin Walcher und ich die Flüchtlinge auf der Westbalkanroute von Mazedonien bis Kroatien auf ihrer Reise begleitet, die Stimmung beobachtet und dokumentiert.

Wenn es sich natürlich ergeben hat, sind wir in oberflächliche aber auch tiefere Gespräche mit Flüchtlingen, Polizisten, freiwilligen Helfern, Hilfsorganisationen und Einheimischen verfallen. Und diese Situationen haben sich eigentlich ziemlich oft ergeben. Bilder einer interessanten Reise.

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Alle Fotos von Armin Walcher.

Es ist Anfang Oktober. Nicht ganz 1.000 Flüchtlinge haben die mazedonisch-serbische Grenze überquert, sind von serbischer und deutscher Polizei in Empfang genommen worden und hier gerade auf dem Weg nach Miratovac.

Es sind hauptsächlich Familien, die an diesem Dienstag Vormittag aus Mazedonien nach Serbien kommen. Hier Moman (links), sein Bruder Samon (rechts) und ihre Schwester Yasmin.

Miratovac ist ein kleiner Ort im serbisch-mazedonischen Grenzgebiet, ungefähr so groß wie Kirchschlag in der Buckligen Welt. Oder Lilienfeld.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Polizisten und streunende Hunde bellen durch die Gegend. Volunteers helfen, sie putzen, verteilen Wasser und Obst. Die jungen Einheimischen verhökern Taxifahrten. Hier warten Flüchtlinge auf Busse, die sie nach Preševo ins UNHCR Camp bringen.

Debi ist ein gelassener Einheimischer. Sein Alter ist schwer zu schätzen, aber er putzt seit vier Monaten die Straßen von Miratovac. Er erinnert frapant an Beppo, den Straßenkehrer aus ,Momo'.

Rund zehn Stunden später, es geht auf Mitternacht zu. Die heute angekommenen Flüchtlinge sind inzwischen in Preševo registriert worden, nun werden sie in Bussen durch die Nacht bis an die kroatische Grenze gebracht. Die Stimmung bleibt laut und nicht gerade entspannt. Auf dem kleinen Plaza zwischen Camp und Bussen tummeln sich einheimische Jugendliche, es werden Zigaretten verteilt und geraucht, Schuhe und Socken verkauft. Eine Familie legt ihre Kinder unter einen Hendlgrill. Dort ist es wärmer.

Am nächsten Abend. Ähnliches Prozedere, anderes Land. Hier in Tovarnik, Kroatien, läuft alles ein wenig ruhiger und effizienter ab. Untertags sind die Flüchtlinge von Sid (Serbien) nach Bapska (Kroatien) gewandert, und im Camp Opatovac registriert worden.

Die Nacht wird im Zug verbracht, der die Flüchtlinge an die ungarische Grenze bringt. Wieder sind viele Familien dabei, einige haben wir in der vorherigen Nacht in Preševo gesehen.

Die kroatische Polizei ist hilfsbereit, professionell und geizt auch gerade Kindern gegenüber nicht mit Lächeln. Trotzdem vertraut dieser junge Mann lieber seinen Begleitern, die ihn in den Waggon heben. Ihm fehlt ein Bein.

Über vier Stunden dauert es, bis alle Flüchtlinge mit Wasser und Obst versorgt und im Zug sind. An diesem Tag werden es zwischen 1.000 und 1.200 sein, die in 12 Waggons durch Kroatien fahren.

Vor dem Einsteigen werden die Migranten nach Familiensituation und Nationalität unterteilt. Polizei und Flüchtlinge bestätigen, dass diese Maßnahme für eine friedliche Reise notwendig ist.

Kurz vor Abreise wird der Strom angeschalten. Die Waggons leuchten endlich und zeigen Destinationen von vorherigen Reisen an. Der Zug wird Vinkovci nur passieren.

Wäre es nicht schon nach Mitternacht, würden wir wahrscheinlich mit Nour auf ein Bier gehen. Gleich steigt der Jusstudent in den Zug, er möchte weiter in ein Land, in dem bereits sein Bruder lebt. Sein Bruder ist auf seiner Flucht letztes Jahr von der Türkei nach Griechenland geschwommen.

Flüchtlinge winken Journalisten, Journalisten winken Flüchtlingen. Es ist 00:15 Uhr.