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Der Klugscheißer-Guide zu Flucht und Asyl – Teil 1: Österreich

Damit ihr euch bei der nächsten Diskussion gegen gefährliches Halbwissen zur Wehr setzen könnt, haben wir euch die wichtigsten Schlagwörter zusammengestellt.

Wie ihr die schlimmsten Totschlagargumente gegen Flüchtlinge entkräftigt, haben wir euch schon gezeigt. Wenn euch das noch nicht reicht, haben wir für euch, als verantwortungsvolle Vertreter der Lügenpresse, in diesem ausführlichen Guide eine Auswahl der wichtigsten Schlagwörter im Bereich Flucht und Asylpolitik zusammengestellt, damit ihr euch bei der nächsten Diskussion gegen gefährliches Halbwissen zur Wehr setzen und als wahre Klugscheißer glänzen könnt.

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In diesem Guide widmen wir uns ausschließlich der diesbezüglichen Situation in Österreich. Im zweiten Teil widmen wir uns der Flüchtlingssituation in Europa.

Foto: Jermain Raffington

Ausländer vs. Migranten

Nicht jeder, der aus dem Ausland nach Österreich kommt, ist hier, um Asyl zu suchen. Nach Schätzungen des UNHCR leben Anfang 2014 über 55 Tausend Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Österreich. Weniger als eine Million Menschen ohne österreichischen Pass leben in Österreich (Stand 2012). Laut diesen Zahlen machen Asylwerbende weniger als 6 Prozent der Migrantinnen und Migranten aus. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 2012 sind es 0,65 Prozent.

VICE Media

Demnach ist die größte Zuwanderungsgruppe aus Deutschland. Ob FPÖ und Co. wohl die Deutschen meinen, wenn sie gegen „Wirtschaftsflüchtlinge" wettern? Rumänien, Ungarn, Polen, die Slowakei und Bulgarien sind außerdem genauso Teil der EU wie Deutschland. Die Binnenwanderung der Menschen dieser Nationalitäten ist völlig legal und hat nicht das Geringste mit Flucht zu tun. 2013 entfiel sogar 78 Prozent der Einwanderung auf EU-Binnenmigration.

Als Migrant gilt generell jeder, der seine Heimat verlässt und sich—oft mit der Hoffnung auf die Verbesserung der eigenen Lebensqualität—im Ausland ansiedelt, egal ob er von Spanien nach Österreich zieht, um einen besser bezahlten Job zu finden, oder von Österreich nach Spanien, weil ihm das Wetter dort besser gefällt. Dennoch ist der Begriff nicht unproblematisch: Während ein Österreicher mit türkisch-stämmigen Eltern für seine urösterreichsichen Landsleute immer einen Migrationshintergrund behalten wird, würde niemand auf die Idee kommen, den kanadischen Expat, der sich mit seiner Familie in Wien oder Graz angesiedelt hat, als Migranten zu bezeichnen.

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Foto: Grey Hutton

Asylwerbende vs. Flüchtlinge

Der Status von Asylsuchenden oder -werbenden unterscheidet sich von dem eines Flüchtlings folgendermaßen: Menschen, die Asyl suchen, haben meistens erst einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ihn aber noch nicht bekommen. Oft warten sie darauf, dass ihnen der Flüchtlingsstatus von einer bestimmten Regierung zugeteilt wird.

Flüchtlinge und Kontingentflüchtlinge

Als Flüchtling gilt laut der Genfer Flüchtlingskonvention jeder, der aufgrund seiner „Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" in seinem Heimatland verfolgt wird. Dabei ist es egal, ob die Diskriminierung selbst von staatlichen Akteuren ausgeht oder der Staat die betroffene Person nicht ausreichend vor Diskriminierung und Verfolgung schützt. Recht auf Asyl hat in Österreich, wer politisch verfolgt wird und nicht über einen „sicheren Drittstaat" eingereist ist. In der Praxis können die Behörden jedoch auch Menschen Asyl verweigern, die diese Kriterien erfüllen, aber ihrer Ansicht nach nicht direkt verfolgt werden.

Homosexualität kann zum Beispiel als Asylgrund abgelehnt werden, wenn die betreffende Person nur dann Schwierigkeiten bekäme, wenn sie sich öffentlich outen würde. Auch Armut, Naturkatastrophen und Kriege sind generell kein ausreichender Grund, aus dem jemand Anspruch auf einen längeren Aufenthalt in Österreich hat. Die Ausnahme sind sogenannte Kontingentflüchtlinge, die zumindest theoretisch ein einfacheres Asylverfahren bekommen.

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Asylbewerber und Geduldete

Asylwerbende sind alle Schutzsuchenden, die einen Antrag auf Bleiberecht stellen. Meist beschränkt sich dieser Status auf drei Monate, bis über den Fall in erster Instanz entschieden wurde. Der Bescheid ist oft negativ, woraufhin viele Asylwerbende in Berufung gehen und sich das Verfahren extrem in die Länge ziehen kann.

Wer nicht als Flüchtling oder ausreichend schutzbedürftig anerkannt wird, kann zumindest als Geduldeter in Österreich leben, weil er zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben werden darf oder noch minderjährig ist. Dieser Zustand kann sich über mehrere Jahre hinziehen, wobei die Betroffenen rechtlich sehr viel schlechter gestellt sind als anerkannte Flüchtlinge und es auf dem Arbeitsmarkt bedeutend schwerer haben.

Ebenfalls nicht abgeschoben werden darf jeder, der unter subsidiärem Schutz steht, weil ihm durch eine Abschiebung Tod oder Folter drohen würde, oder weil er schwer krank ist und in seinem Herkunftsland nicht entsprechend medizinisch versorgt werden würde. Ob jemand in Österreich bleiben darf oder nicht, hängt aber auch vor allem davon ab, wie das zuständige Bundesamt den Fall beurteilt.

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

Jeder Antrag auf Asyl in Österreich landet auf dem Schreibtisch eines Mitarbeiters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), das dann darüber entscheidet, ob jemand in Österreich bleiben darf oder nicht. Viele der Anträge werden dabei gar nicht erst inhaltlich bearbeitet—zum Beispiel, wenn nach der Dublin-Verordnung ein anderer europäischer Staat für das Verfahren zuständig ist. Wenn jemand während des Asylverfahrens falsche Angaben macht oder sich in Widersprüche verstrickt, kann das Amt das Schutzgesuch als „offensichtlich unbegründet" einstufen. Im Jahr 2013 wurden mehr als 62 Prozent der Anträge abgelehnt. Asylwerbende aus Pakistan bekommen sogar mit 99 Prozent kein Asyl.

[](Asylantrag als Klimaflüchtling)Motherboard: Asylantrag als Klimaflüchtling.

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Gebietsbeschränkung

Nach der Ankunft in einer Erstaufnahmestelle (wie Traiskirchen) dürfen die Asylwerbenden ebendieses bis zu drei Tage lang nicht verlassen. Nach den ersten Befragungen dürfen sie zwar die Erstaufnahmestelle verlassen, nicht aber den Bezirk. Wenn Asylwerbende gegen die Gebietsbeschränkung verstoßen, können sie in Schubhaft genommen werden. Die Gebietsbeschränkung endet erst dann, wenn das Zulassungsverfahren beendet ist. Damit wird entschieden, ob Österreich für das Asylverfahren zuständig ist oder ein anderes EU-Land das Verfahren durchführen muss.

Asylmissbrauch

Während Menschen wie Heinz-Christian Strache behaupten, jeder abgelehnte Antrag wäre ein Zeichen dafür, dass der Antragssteller oder die Antragstellerin Asylbetrug begehen würde, zeichnet die Realität ein anderes Bild. Obwohl Strache in einer Diskussionsrunde von 80 Prozent „Asybetrügern" spricht, hat der ORF nachgerechnet, dass diese Zahl falsch ist. Tatsächlich wurden im Jahr 2014 39 Prozent der Anträge positiv bewertet—das heißt, dass mehr als ein Drittel der Antragssteller in jedem Fall die Voraussetzungen erfüllen.

Auch in den übrigen Fällen ist die Sachlage nicht immer eindeutig. Davon abgesehen haben nicht nur Kriegsflüchtlinge, sondern auch viele der „Armuts-" oder „Wirtschaftsflüchtlinge" gute Gründe dafür, ihre Heimat zu verlassen—zum Beispiel, wenn sie als Roma in einem „sicheren Herkunftsland" wie Serbien, Bosnien oder Mazedonien diskriminiert, verfolgt und sozial benachteiligt werden.

Wenn euch klugscheißen allein nicht reicht, engagiert euch doch.