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Die Geschichte des Südsudan

Der Park-Ranger

Das größte Problem ist momentan, dass der Südsudan auf eine absolute Katastrophe zusteuert. Die UN schätzt, dass die 3,7 Millionen Einwohner Hungersnöte erwarten müssen, und es gibt keine Boy Bands und Hollywoodstars, die darauf aufmerksam machen.

Fotos von Tim Freccia

Hier in diesem geheimen Busch-Camp hält Riek Machar von einem Plastikstuhl aus Hof, während seine Frau Angelina Teny kocht. Bei unserer Ankunft habe ich ihr einen Kerzenleuchter geschenkt, ein bisschen Zucker, indische Gewürze und Reis—Luxusartikel hier draußen. Besonders die Gewürze haben ihr gefallen. „Ich koche gern“, sagte sie.

Später tischt Teny Nil- und Viktoriabarsch auf, die im nahegelegenen Fluss gefangen wurden. Fisch mit Reis und als Vorspeise Fischsuppe. Machar schenke ich ein Militär-Klappmesser, dass ich selbst designt habe, aber er ist mehr von seinem neuen iPhone und dem Thuraya SatSleeve angetan, mit dem er das Smartphone zu einem Satellitentelefon machen kann. Erste Lektion: Machar ist eher Geek als Soldat.

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Zweite Lektion: Machar mag es, wenn Menschen Dinge für ihn erledigen. Fotograf Tim Freccia nervt es, wie lange Machar braucht, um sein neues Telefon zu aktivieren. Deshalb legt er seine Kamera kurz weg, schnappt sich eins der Satellitentelefone und ruft eine Kundenhotline in Nairobi an, um das Problem zu beheben. So kommen wir auch zur dritten Lektion: Eine Revolution aus der Ferne zu leiten bedarf einiger Satellitentelefone, Internetzugang und einer Menge Sim-Karten.

Die komische Situation vor meinen Augen ist auch eine gute Metapher für die Situation im Südsudan: komplex und unhaltbar. Machar versucht ständig, mit seinen desertierenden Kommandanten in Kontakt zu bleiben und gleichzeitig neue finanzielle Sugar Daddys für seinen aktuellen Bürgerkrieg zu finden. Und es gibt nicht mehr viele solvente Unterstützer. Heutzutage sind diese reichen Visionäre, die es drauf haben, Profit aus dem Elend zu schlagen, selten geworden. Tiny Rowland starb 1998. Gadaffi endete als Leiche, die von seinen ehemaligen Untertanen durch die Straßen geschleift wurde. Mimeiry ist auch schon lange tot, obwohl seine Scharia-Gesetze im Sudan und im Südsudan weiterhin nachhallen. Und der starke Mann Ugandas, Museveni, unterstützt Kiir. Das lässt eine Option für Machar: den 70-jährigen Präsidenten des Sudans, Omar al-Bashir.

Ein Unruhestifter, dem vom Internationalen Strafgerichtshof vorgeworfen wurde, 9 Milliarden Dollar veruntreut zu haben, half Bashir bei den Verhandlungen zum Friedensvertrag von 2005, um an das Öl des Südens zu kommen. Weniger als zehn Jahre später hat Machar den Spieß umgedreht und droht damit, die Ölfelder zu schließen, sollten seine weitreichenden Forderungen nicht erfüllt werden. Es überrascht nicht, dass eine signifikante Menge der Anrufe, für die Machar sich ein paar Schritte entfernt, auf Arabisch stattfinden.

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Machar verbringt den Tag in seiner ordentlichen Uniform unter einem Baum an diesem friedvollen Ort, isst frischen Fisch und lebt ganz ohne Geld. Er wirkt hier eher wie ein freundlicher Park Ranger als ein wütender Rebellenführer im Exil. Die unberührte Natur mit ihren Kranichen, Pelikanen, Störchen, Enten und afrikanischen Fischadlern lässt einen denken, dass die Mission der Rebellen daraus besteht, eben diese zu beschützen—mit Dr. Machar als dem diensthabenden Mitarbeiter, der seinen unwissenden Besuchern vom Informationsschalter (seinem Plastikstuhl) aus die Geschichte und Kultur seines Landes erklärt.

Er achtet darauf, den Präsidenten Kiir niemals persönlich anzugreifen, und trotzdem suggeriert er immer wieder, dass der Anführer des Südsudans ein nicht unbedingt besonders heller ehemaliger Soldat mit PTBS ist, der häufig einen über den Durst trinkt und die Regierung aus seinen Lakaien zusammensetzt, mit denen er das Land komplett ausraubt.

Machar, auf der anderen Seite, stellt sich als die ruhige akademische Stimme der Vernunft dar, eine Art Nelson Mandela inmitten des Wahnsinns. Er zuckt nicht mal mit der Wimper, wenn ich ihm Fragen stelle, die seine Selbstbeschreibung als Opfer infrage stellen.

Warum will er den Horror von 1991 wiederholen, als er das Land in gewalttätige ethnische Unruhen und eine riesige Hungersnot gestürzt hat? Seine Antworten sind gut geprobt. Er wälzt die meiste Schuld auf das korrupte Regime von Kiir und sagt, dass Kiir als Präsident Stammesunruhen provoziert und die internationale Gemeinschaft gegen sich aufgebracht hat.

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Das größte Problem ist momentan, dass der Südsudan auf eine absolute Katastrophe zusteuert. Die UN schätzt, dass die 3,7 Millionen Einwohner Hungersnöte erwarten müssen, und es gibt keine Boy Bands und Hollywoodstars, die darauf aufmerksam machen.

Riek Machar und seine Frau Angelina Teny sind das perfekte, in England ausgebildete Power-Paar im Marxisten-Dress, das jetzt als Exilregierung im Busch lebt. Teny liebt Gourmetküche und Machar unterhält seine Besucher gern mit seinem gigantischen Wissen über die Geschichte des Südsudans. Und natürlich führen die beiden, zwischen aus frischen lokalen Zutaten zubereiteten Mahlzeiten und akademischen Diskussionen, einen brutalen Überlebenskampf.

Wie ein betrogener Ehemann hat Machar eine Reihe von Forderungen, die erfüllt werden müssen—oder es passiert was. Er hat seine Forderungen in Telefoninterviews mit Reuters, Al-Jazeera, der BBC und anderen gestellt. Er scheint permanent geschockt über seine Situation zu sein, als sei der ewige ungelöste Streit zwischen ihm und Kiir eine vollkommen neue und unerklärliche Entwicklung. Außerdem scheint Machar zu glauben, dass es Kiir tatsächlich kümmert, was der ehemalige Vizepräsident sagt und denkt. Immer in der Rolle des Intellektuellen spricht er über einen „demokratischen Prozess“, mit dem er eine Art Konsens schaffen will, der die korrupten Elemente zur Verantwortung ziehen soll. Er scheint vergessen zu haben, dass Macht in diesem Land durch Gewalt gewonnen wird. Und dass er seit Monaten im Busch lebt, weil ein Panzer über sein Haus gefahren ist und ihn dabei fast getötet hat.

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Nach unserer Ankunft spreche ich mit Machar über sein derzeitiges Leben. Im Gespräch wirkt er gebildet und witzig. Wir unterhalten bis in den späten Nachmittag hinein.

Als Akademiker und einer der Architekten der Unabhängigkeit des Südsudans ist Machar eine Koryphäe für die Geschichte seines Landes. Er weiß aber nicht, dass ich das weiß, und präsentiert mir deshalb eine Version von Südsudan für Dummies. Laut seiner simplifizierten Version rühren die aktuellen Kämpfe von dem uralten Stigma, dass die Bewohner des Südens Sklaven seien. Die Entdeckung von Öl in ihrem Land war die perfekte Entschuldigung für die sudanesische Regierung, sie zu vertreiben.

Das ist aber alles Geschichte für Machar. Langweilig und irrelevant. Seine Erinnerungen sind selektiv und er lässt unangenehme Dinge aus, die er tun musste, um zu überleben. Er erwähnt nicht, dass er riesige Mengen an Kindern hat verhungern lassen oder seinen Versuch, Garang 1991 zu stürzen, indem er bei der BBC anrief und mitteilte, dass ab sofort Riek Machar das Sagen habe. Er kann sich nur auf eines wirklich konzentrieren: seinen nächsten Bürgerkrieg, der zum wiederholten Male dieses Land leiden lassen wird. Kiir wird wie immer in der Rolle des Bösen sein, Machar ist der Underdog, der für seine Leute kämpft.

„Wenn im Südsudan Frieden herrschen würde, würden der blaue Nil und die Juba-Berge Teil des Landes sein“, fährt er fort. „Ich glaube, der Norden wird müde werden zu kämpfen. Sie gehören doch eigentlich zum Südsudan.“

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Dieses Szenario, in dem Frieden nur herrschen kann, wenn die ölreichen umkämpften Regionen dem Südsudan zugeschlagen werden, würde den Südsudan reicher machen und den Sudan weiter an den Rand rücken. Aber einen Teil von Machars Charme macht es aus, dass er ein Pragmatiker ist. Er macht viele enttäuschte Erwartungen für die derzeitigen Kämpfe verantwortlich.

„Man sieht, dass sie nichts haben“, sagt er und gestikuliert zum Horizont. „Die Menschen im Ölstaat sind noch schlimmer dran. Da ist ein bodenloses Loch in Juba.“ Er erklärt, dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung nichts ändert, während die Reichen in der Hauptstadt in Geländewagen durch die Straßen fahren, immer mehr Land kaufen und Ölgeschäfte an Land ziehen. Andererseits ist Machar zu einer Menge Meetings in Juba in einem Geländewagen vorgefahren und bei vielen dieser Meetings ging es um Öl.

Das hätte alles anders sein sollen, sagt Machar und bezichtigt Kiir und seine Regierung, falsche Versprechungen gemacht zu haben, die die nötigen Entwicklungen im Land verhindert hätten.
„Drei Prozent der Erträge hätten in die Dörfer fließen sollen und zwei Prozent an den Staat“, sagt er. „Der Gouverneur hat alle Verträge in Juba unterschrieben—und die Deals dann an seine eigene Baufirma weitergegeben. In Juba wird entschieden, wer arbeitet und wer nicht. Ich habe für einen lokalen Vertrag geworben. Die meiste Arbeit auf den Ölfeldern ist manuell. Diese Leute hier können ausgebildet werden“, sagt er und deutet auf die Umstehenden. „Aber alles, was den Ölsektor angeht, muss über den Präsidenten laufen.“

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Was ist mit Hilfe von draußen? Verhandlungen mit einer dritten Partei?

Machar sagt mir, dass humanitäre Hilfe auch immer eine politische Agenda hat, egal ob es darum geht, Menschen aus rebellenkontrollierten Gegenden wegzusiedeln oder eine Seite mit Nahrungsmitteln zu versorgen, während man die andere ignoriert. „Die Entwicklungshilfe-Leute sind sehr politisch. Die meisten warten ab, aber einige mischen sich ein.“

Während unserer gesamten Diskussion strömt er Ruhe und Versöhnlichkeit aus. Zuerst ist er sehr darauf bedacht, Kiir nicht direkt zu beleidigen oder zu beschuldigen, wie er es auch schon vorher in verschiedenen Interviews aus seinem Versteck heraus getan hat. Ich frage mich, ob er hofft, mich durch diese Vermeidung von direkten Meinungen, verbunden mit seinem Geschichtsrevisionismus dazu zu bringen, den Präsidenten an seiner statt zu dämonisieren. „John Garang hat mich vor Salva Kiir gewarnt“, sagt er. „Er ist schon mal gegangen und es hat Tage intensiver Verhandlungen gebraucht, um eine neue Vereinbarung zu treffen.“

Ich frage ihn, ob er glaubt, dass seine Rebellion von Erfolg gekrönt sein wird. „Ich wurde von eurer ‚First Group‘ ausgebildet“, sagt er und bezieht sich auf das Kampftraining, das er vor langer Zeit mit Spezialeinheiten der US-Armee gemacht hat. Er hat sogar eine, wenn auch alte, Ausgabe von The US Army/Marine Corps Counterinsurgency Field Manual, einer Anleitung, mit der Aufstände niedergeschlagen werden sollen.

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Die White Army ist eine lose Ansammlung von Nuer mit dem gemeinsamen Ziel der Rache und Plünderung.

Fängt Machar also wieder von vorne an? Startet er wieder eine Rebellion?

„Ich bin kein Rebell. Ich sehe mich als die eigentliche Regierung. Wir wehren uns gegen Salva Kiir … Wir rebellieren gegen nichts. Wir wollen Demokratie.“ Er grinst mich an und gibt mir fast das Gefühl, dass einen neuen Bürgerkrieg anzuzetteln ja auch eine gute Sache sein könnte.

Ich frage ihn, wer seinen Widerstand unterstützt. „Viele“, antwortet er. Ich werde also genauer: Wer gewährt ihm offizielle finanzielle, politische und militärische Unterstützung?

Er besteht darauf, bis jetzt noch keine solchen Unterstützer zu haben, aber er hofft, dieses Dilemma bald zu lösen. „Es gibt kein Geld. Die Ölfirmen haben zugemacht oder ihre Arbeiter abgezogen. Meine Leute sind Freiwillige.“

Ich könnte mir langsam vorstellen, dass seine irgendwie zurückgenommene, passiv-aggressive Art, Fragen zu beantworten, der Grund sein könnte, dass Kiir irgendwann ausgeflippt ist.
Machars geringschätzige Sicht der Dinge erklärt allerdings noch lange nicht die mehr als 500 Morde an Nuer durch Dinka, direkt an dem Tag nach dem Zwischenfall in der präsidialen Kaserne. Er ist natürlich unschuldig und angeblich überrascht über die Gewalt, obwohl es doch gerade sein immer aggressiveres Verhalten gegen Kiir war, das alles heraufbeschworen hat. Machar weiß genau, dass die Rhetorik von Kiir die schlimmen Zeiten von 1991 widerspiegelt, als sich Machar einfach selbst zum Anführer des Südsudans ernannt hat und Garang dazu zwang, ihn zu verfolgen. Damals musste er bis an die äthiopische Grenze fliehen, wo er sich in Panik Khartoum anschloss. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen.

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„Die meiste Gewalt ging gegen die Nuer“, sagt Machar. „Sie sind von Haus zu Haus gezogen und haben Menschen umgebracht. [Kiir] muss dafür zur Verantwortung gezogen werden. Er will ein Dikator sein, aber er ist in einer Demokratie.“

Ich frage, ob er Ähnlichkeiten zu Joseph Kony sieht, dem ehemaligen Gouverneur von Jonglei im Sudan, der jetzt im Busch lebt, von Medienkampagnen heimgesucht und als Staatsfeind gehandelt wird. Machar sieht da keinen Zusammenhang.

„Ich habe Kony sehr, sehr oft getroffen. Er hat eine sehr kom­plexe, fast paranoide Persönlichkeit. Ich habe einen Friedensvertrag mit ihm geschlossen, als er 2006 in den Südsudan kam, und Museveni sollte mir dafür dankbar sein, dass jetzt endlich Frieden in Uganda herrscht.“ Machar erwähnt nicht, dass er für die gleichen Leute in Khartoum gearbeitet hat, die Kony angeheuert hatten, um gegen Uganda zu kämpfen.

„Kony ist wie eine Katze. Manchmal erschreckt er sich selbt. Ich habe ihn fünf Kilometer vor der Grenze des Sudans getroffen. Ich sagte ihm, dass ich mit Museveni sprechen würde. Ich hatte zwei Lkws mit Lebensmitteln dabei. Ich hatte das Meeting über Vincent Otti [Konys Stellvertreter in der Lord’s Resistance Army] arrangiert. [Kony ordnete die Hinrichtung von] Otti während dieses Treffens an, weil er glaubte er sei bestochen worden.“

„Ich sagte zu Kony: ‚Du darfst nicht mehr weiter stehlen. Entführe keine Kinder mehr oder ich werde gegen dich angehen.‘ Ich gab ihm 25.000 Dollar, damit er Sachen kaufen konnte, ohne zu stehlen. Aber auch ein bisschen, um ihn mit westlichen Waren zu bestechen.“ Er lacht. „Ich habe ihn oft getroffen. Er hat zugestimmt, aber am Ende ist er wieder zurück in den Dschungel gegangen. Die Amerikaner werden ihn in der Gegend nie finden—da ist alles viel zu dicht. Ihre Drohnen versagen da.“

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Machar vergisst leider zu erwähnen, dass seine Allianz mit Kony erst die Lord’s Resistance Army in den Südsudan gebracht hat. Oder dass er 2008 gesagt haben soll, dass die 25.000 Dollar von Kiir kamen.

Unser Gespräch wird ständig vom Klingeln von wenigstens einem der vier Satellitentelefone neben ihm unterbrochen. Die Gespräche, die er am Telefon führt, dann wiederum oft von seinen Untergebenen, die ihm ein weiteres Telefon hinhalten. Er fühlt sich ein bisschen zu wohl in seiner Rolle. Ein Joker, der, wenn er ausgespielt wird, zu extremer Gewalt und Elend führt.

Am Abend wird mir klar, dass Machar in dieser Rolle glücklich ist. Er ist der Chef, macht Deals und schaut nach Norden auf die verwundbaren Ölfelder auf dem Land der Nuer. Er weiß, dass der Sudan sich von der Vision Kiirs verabschieden muss, der dem Süden zugewandt ist und dass der Sudan einen neuen Führer braucht, der sichergehen kann, dass das Öl in den Norden gepumpt wird.

Im Zwielicht verbrennen Dorfbewohner und Flüchtlinge Gras. Rebellenkundschafter, die den ganzen Tag unterwegs waren, kommen langsam wieder zurück ins Camp. Das Feuer schickt grauen Rauch in den Himmel. In der Ferne im Norden glüht der Horizont. Der Südsudan brennt, sowohl in der Realität als auch metaphorisch. Wir schlafen gut.

Sonnenuntergang im Rebellencamp. Der schwache Schein von Grasfeuern mischt sich mit Kochgeräuschen, Gelächter und Wortfetzen aus einem Kurzwellenradio.

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Kürz vor der Dämmerung erwacht das Camp. Die Soldaten schütteln ihre Decken aus, putzen Zähne und machen ihre Betten. Überall werden kleine Feuer zum Kochen entzündet und die Männer fegen drum herum, um frühstücken zu können. Es gibt Sorghumhirse und Tee. Gegen neun hört man Radiorauschen, und es wird versucht, die Nachrichten aus Juba zu hören. Juba hat kein Problem damit, Nachrichten zu erfinden. Genauso wenig wie Machar macht es der Regierung irgendwas aus, westlichen Journalisten ausgedachte Storys über die Zukunft und Gegenwart des Südsudans zu erzählen.

Machar sitzt wieder auf seinem Plastikstuhl und spricht in sein Satelitentelefon. Teny serviert uns ein Frühstück aus gekochtem Kürbis und süßem Tee. Sie ist es gewohnt, sich um Soldaten zu kümmern, und scheint sich in ihrer Rolle wohlzufühlen. Sie ist eine moderne, in London ausgebildete Frau und freut sich über unsere Komplimente für ihr Essen.

Meine Fragen gehen in die gleiche Richtung wie gestern, Machar erzählt mir, dass John Kerry und Susan Rice ihn angerufen haben, um eine diplomatische Einigung mit Kiir voranzutreiben. Diese vorsichtigen Friedensbemühungen erlauben es Machar, langsam vorzugehen. Er braucht Gewehre, Munition, Treibstoff und Männer. Und er braucht einen Sieg, um zu beweisen, dass er es noch drauf hat. Wie in alten Zeiten, plant er Malakal anzugreifen, das Tor zu Juba am Nil. Noch wichtiger für seine Mission ist es, an das Öl zu kommen, dass es in seiner Heimatprovinz gibt. Wenn jemand anders das Öl hat, wird Kiirs Regierung verdorren und sterben. Und trotzdem sagt Machar, dass das Öl „dem Volk“ gehört.

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„Wir versuchen von der Abhängigkeit von internationaler Hilfe wegzukommen. Mit dem Öl verdienen wir 2 Milliarden Dollar pro Jahr und hier leben 13 Millionen Menschen. Wenn wir richtig produzieren, könnte es viel mehr sein.“

Ein heißer Wind fängt an zu wehen, der den Staub über den Boden verteilt. Machar beschließt, mit dem Camp zu einer grüneren Stelle am Fluss zu ziehen, und wir machen eine Pause in unserem Gespräch. Weil ich eine lokale Perspektive auf die Themen haben will, die ich mit Machar erörtert habe, spreche ich den 27-jährigen Amos an.

Eine der wichtigsten Aktionen, die Kiir bei der letzten Runde Skandale durchgeführt hat, war Taban Deng Gai zu feuern, den ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates Unity, den offiziellen Sprecher von Machar (Machot hatte uns gewarnt, nicht über ihn zu gehen) und den Boss von Amos. Das ist der gleiche Taban Deng Gai, der in einem früheren Leben dubiose SPLA-Interessen in dem Camp vertreten hatte, in dem Machot als Baby ausgesetzt wurde. Teny war einst eine erbitterte Gegnerin von Deng Gai, während der Wahlen für den Gouverneursposten in dieser ölgesättigten Gegend. Machot ist mit ihm verwandt. Amos ist sein Leibwächter. Die Weiten Afrikas können manchmal ganz schön eng sein. Feinde werden Verbündete und andersrum.

Amos, der jetzt Lichtjahre davon entfernt ist, seine Mission zu erfüllen, beschreibt für mich das Leben von Deng Gai als Gouverneur von Unity in Juba. „Taban hat vier Escalades. Einer ist gepanzert. Er hat auch vier Suburbans. Er hat einen blauen Lamborghini, ein Geschenk von einem chinesisch-amerikanischen Geschäftsmann, der angeblich Firmen in 97 Ländern hat.“ Deng Gai fährt den Lamborghini nicht mal, weil es außerhalb von Juba einfach keine Straßen gibt.

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Amos denkt, dass das alles dazu gehört. „Wenn man von woanders kommt, bringt man Geschenke mit. Wenn du keine mitbringst, ist das dein Ding. Diejenigen, die Geschenke bringen, bekommen auch Geschenke. Das ist die afrikanische Art.“

Amos erklärt mir, was seiner Meinung nach das größte Problem seines Landes ist: „Das ganze Geld gehört den Nuer. Die Dinka haben keine Bundesstaaten mit Öl. Und deshalb töten sie uns.“ Als ich frage, was er mit „töten“ meint, antwortet er: „Sie gingen in die Universität in Juba und zogen Nuer raus. Sie haben sie auf der Straße in eine Reihe gestellt und sie dann erschossen. Sie verhören dich in der Sprache der Dinka und wenn du nichts sagen kannst, erschießen sie dich.“

En Panzer, der im letzten Bürgerkrieg zurückgelassen wurde und jetzt von Kindern als Klettergerüst benutzt wird.

Während ich mit Amos spreche, bemerke ich, dass Machar einen Anruf annimmt und sich von den Leuten wegbewegt. Er spricht auf Arabisch und wirkt lebendiger und erfreuter als sonst, seine Gesten wirken irgendwie optimistisch. Ich schaue ihm weiter zu, während seine Leibwächter mir böse Blicke zuwerfen.

Als ich mir die brandneuen Waffen in den Händen von Machars Leuten anschaue, frage ich mich, ob Khartoum wieder versucht, sich in diesen Konflikt einzumischen. Machot erzählt mir, dass die sudanesische Regierung Waffen über Machars Rebellen in Akobo abwirft, eine Behauptung, die er von verschiedenen Kommandanten außerhalb von Bor hat. Vielleicht auch der Grund, dass wir nach unserer Ankunft im Südsudan so viele Männer gesehen haben, die Probeschüsse machen. Vielleicht um sicherzugehen, dass die Waffen nach dem Abwurf noch funktionieren. Es könnte auch der Grund für die kleinen Einheiten sein, die auf der anderen Seite des Flusses mit brandneuen und vollen Munitionsgürteln trainierten. Sie posierten stolz für Tim mit ihren neuen Gewehren. Bei ein paar davon, waren die Seriennummern entfernt worden.

Ich frage Machar nach den Waffen, was noch interessanter wird, weil er spekuliert, dass Khartoum keinen Grund hat, die Nuer auszurüsten, weil das wiederum die Rolle des Sudans in den aktuellen Friedensverhandlungen gefährden würde. Aber diese vagen Dementis der sudanesischen Hilfe ändern nichts an der früheren Zusammenarbeit zwischen Machar und der Regierung des Nordens—eine Allianz, die zu viel Blutvergießen unter den Leuten führte, für die er angeblich kämpft.

Später mache ich Bilder vom dösenden Machar in seinem Gartenstuhl. Er mag seine Nickerchen. Sein Leibwächter wirft einen Stein auf mich und Machar erschrickt. Seine Augen sind auf und er winkt seinen Leibwächter weg. Er schläft wieder ein, während eine Ziege den Boden unter seinem Stuhl untersucht.

In unserem Gespräch später versuche ich persönlicher zu werden. Wir sprechen über Traurigkeit und die Vergangenheit. Er erzählt mir, dass das letzte Mal, als er und Teny geweint haben, am 30. Juli 2005 war, als sie in Bor waren, um dem sechsten Jahrestag von Garangs Tod zu gedenken.

Die Reise nach Bor wurde zu einer emotionalen Entschuldigung für die 2.000, am 15. November 1991, ermordeten Menschen aus der Region, die meisten davon Dinka. Es herrschte auch noch Wut über die hemmungslose ethnische Gewalt, die die darauffolgenden Hungersnöte auslösten, die noch viel mehr Dinka-Todesopfer forderten.

Rebecca Nyandeng, die Witwe Garangs, hatte das Meeting organisiert. Sie hatte lange Machars Entscheidung kritisiert, sich von ihrem Mann loszusagen und an der Seite der Regierung von Khartoum zu kämpfen.

Als Machar und Teny vor dem Haus des toten Garang standen, brach der normalerweise immer grinsende Vizepräsident in Tränen aus. „Ich muss die Ereignisse von 1991 auf meine Schultern nehmen“, sagte er. Teny schluchzte und die Menge fing an wehzuklagen.

Worüber Machar weder an jenem Tag noch während meines Besuchs sprach, war sein Verhältnis zu den Anführern der White Army—Männer, die den Weisungen von Göttern folgen und nicht denen aus Satellitentelefonen. Auf Machars Ruf hin hat sich der gewalttätige Mob wieder zusammengerottet und bereitet sich auf den Kampf vor.

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