​Die Flucht nach Lesbos im Winter

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​Die Flucht nach Lesbos im Winter

Der umstrittene Deal der EU mit der Türkei macht die Flucht für Schutzsuchende in der Ägäis nur noch gefährlicher. Unser Fotograf war dort.

Am 29. November beschlossen die EU-Regierungschefs einen „Aktionsplan" mit der Türkei: Für drei Milliarden Euro hilft Ankara der EU bei der Abschottung ihrer Außengrenzen, dafür wurden baldige Visa-Freiheit in Aussicht gestellt und die EU-Beitrittsverhandlungen wieder intensiviert. Dass die Türkei im Gegenzug mit den Hilfsgeldern auch eine bessere Versorgung für Geflüchtete im eigenen Land sicherstellt, wird von zahlreichen KritikerInnen angezweifelt.

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Zwar waren die türkischen Behörden seit der Einigung am Sondergipfel mittels Masseninhaftierungen von Schutzsuchenden und verstärkte Präsenz der Küstenwache darum bemüht Kooperationsbereitschaft zu signalisieren, doch trotz des Wintereinbruchs flüchten noch immer Menschen über die Ägäis nach Griechenland.

Und es zeigen sich die fatalen Konsequenzen für Menschen, die in ihrer Hoffnung auf Sicherheit und ein besseres Leben, jede noch so große Gefahr einzugehen bereit sind. Denn in den vergangenen zwei Wochen versuchten Flüchtende die ohnehin schon gefährliche Überfahrt in Richtung griechischer Inseln, allen voran Lesbos, vermehrt mitten in der Nacht. Dabei verfügen die überfüllten Boote in den allermeisten Fällen über keinerlei Beleuchtung, geschweige denn über nautische Navigationssysteme.

Auch sind Flüchtende, um den Patrouillen der türkischen Küstenwache zu entgehen, nun öfters gezwungen, um ein Vielfaches längere Seerouten, so etwa an die Südküste der Insel Lesbos, zu wählen. Die Preise, die an Schlepper zu bezahlen sind, steigen, wie man mir vor Ort erzählt. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch auf den sonst so beliebten griechischen Ferieninseln mittlerweile der Winter eingekehrt ist.

Temperaturen gegen Null Grad sind in der Nacht keine Seltenheit, im Falle von stürmischem Wetter sind beinahe alle Ankommenden vollkommen durchnässt und stark unterkühlt. Auf Lesbos, wo nach wie vor ein Großteil der in Europa Schutzsuchenden ankommt, sind internationale Rettungsteams und unzählige freiwillige HelferInnen aus aller Welt im Dauereinsatz, gerade weil auch die Ankunft von Booten unvorhersehbar geworden ist.

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Schon in den Sommermonaten war die Flucht per Boot lebensgefährlich. Unzählige Menschen starben dieses Jahr bei ihrer Suche nach Schutz vor Verfolgung und der Hoffnung auf ein Leben in Frieden im Mittelmeer. Durch die veränderten Bedingungen muss nun eine tödliche Tendenz befürchtet werden. Alleine in den ersten zehn Tagen im Dezember starben laut Angaben des „Missing Migrant Projects" 86 Menschen in der östlichen Ägäis, fast genau so viele wie im gesamten November.