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Die Liebschaften eines 24-Jährigen prügelten sich bei dessen Beerdigung, als sie von seiner HIV-Infektion erfuhren

Rumänien hat ein HIV-Problem. Das liegt vor allem an der mangelnden Aufklärung über die Krankheit.

Daniel D.

​ Jeder hat sich doch schon mal gedacht „Mann, ich hoffe, dass sich viele meiner ehemaligen Bettgeschichten bei meiner Beerdigung richtig auf die Fresse geben!", oder? Wieso sterben, wenn man dadurch nicht ein paar Leute so wütend macht, dass sie sich gegenseitig an den Kragen gehen? Wenn nicht zwei heiße Witwen beim Herablassen meines Sarges voneinander erfahren, wofür habe ich dann gelebt? Wenn bei meiner Beerdigung nicht die Fäuste fliegen, dann will ich nicht sterben. Ich habe dann noch nicht genügend Frauen gereizt.

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In Rumänien ist dieses Szenario Wirklichkeit geworden. Letzten Monat wurde der 24-jährige Lothario Daniel D. in der südöstlich liegenden Kleinstadt Segarcea beerdigt. Bei der Beerdigung anwesend waren Dutzende junge Frauen, die um ihren verstorbenen Lover trauerten. Als dann herauskam, dass er an HIV-induzierten Komplikationen gestorben war, schrien plötzlich alle Zeter und Mordio.

Seitdem wurden schon acht Frauen positiv auf HIV getestet. 40 weitere wollen sich angeblich noch testen lassen. Wir reden hier nur über Segarcea. Daniel hatte ein Jahr in Italien gelebt, bevor er nach Hause zurückkehrte, um zu sterben. Die rumänischen Behörden versuchen nun, weitere ehemalige Liebschaften außerhalb des Landes zu finden. Nur noch mal zum Mitschreiben: Daniel D. war erst 24 Jahre alt, als er starb.

Daraufhin hat es in Rumänien viele Schuldzuweisungen gegeben und eine Menge Finger zeigten auf D.s frisches Grab. Vor allem die Medien sind davon überzeugt, dass er jahrelang vorsätzlich gehandelt hat und es sich hier nicht nur um einen ahnungslosen Teenager handelte, der mit vielen Mädels schlief. Der örtliche Arzt, der D.s Erkrankung diagnostizierte, als dieser mit seiner Tochter zusammen war, behauptet, dass D.s Mutter ihn gewarnt habe, die Diagnose offenzulegen, weil sie ihn sonst verklagen würde.

„Ich wusste, dass er bei den Mädchen sehr beliebt war", erzählt der Arzt. „Mir waren jedoch die Hände gebunden."

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Wenn ihr jetzt glaubt, dass man ja nicht einfach rumlaufen und die HIV-Diagnose anderer Leute ausposaunen kann, dann kennt ihr Rumänien schlecht. In den späten 80ern und frühen 90ern wurde das Land von HIV und AIDS zugrunde gerichtet. Das wahre Ausmaß der Epidemie kam erst ans Licht, nachdem Diktator Nicolae Ceaușescu 1989 gestürzt wurde. Doch das Problem war damit nicht gelöst: In den frühen 90ern gab es noch eine Welle von Infektionen und zwar hauptsächlich unter Kindern, die im Krankenhaus behandelt worden waren. Dort nahm man es mit dem Sterilisieren von medizinischen Instrumenten nicht so genau. Diese Probleme—in Verbindung mit einer mächtigen Orthodoxen Kirche—bedeuteten für die Betroffenen, dass sie sich Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung aussetzten, wenn sie offenlegten, dass sie HIV-positiv waren.

In den frühen 90ern waren Ärzte genauso vorsichtig mit Informationen zu HIV-Diagnosen, wie sie es mit menschlichem Blut waren. So kritzelten sie es groß und breit auf Krankenakten und trug auf diese Weise dazu bei, dass teilweise die ganze Nachbarschaft wusste, dass ein Kind HIV-positiv war, bevor es das Kind erfuhr. In Rumänien wird HIV von den meisten fälschlicherweise immer noch als Todesurteil gesehen, sodass diejenigen, die das Virus in sich tragen, gemieden werden.

Das sind natürlich die perfekten Voraussetzungen für eine ausgewachsene HIV-Epidemie, deren prominentestes Opfer Daniel D. ist. Ich habe beim VICE-Büro in Rumänien nachgefragt, um mich zu erkundigen, wie die Öffentlichkeit auf die Nachricht reagiert. Obwohl es aufgrund des Segarcea-Falls viele nach innen gerichtete Analysen gibt, wurde das Hauptproblem nicht angegangen: der quasi nicht-existente Aufklärungsunterricht.

„In Rumänien gibt es manchmal Aufklärungsunterricht in einem Wahlfach, das ‚Gesundheitliche Aufklärung' heißt und für das Eltern ihre Kinder anmelden können", sagte mir Mihai Popescu von VICE Rumänien. „Man lernt etwas über hormonelle Veränderungen, Sexualität, den Schutz vor sexuell-übertragbaren Krankheiten und Erste Hilfe. Nur besucht niemand diesen Kurs."

Was können wir aus dem Segarcea-Fall lernen? Viel, sofern es das Bewusstsein für HIV betrifft. Viele Menschen mit einer HIV-Infektion wissen gar nicht, dass sie infiziert sind. Über 60 Prozent der HIV-Neuinfektionen werden erst spät erkannt. Teilweise erst dann, wenn das Immunsystem bereits geschwächt ist und dadurch klinische Symptome auftreten. Aufklärung ist immer noch der Schlüssel, um die Verbreitung von HIV aufzuhalten, und dabei spielt es keine Rolle, dass eure Kirche euch schief anschaut, wenn ihr euch aufklären lasst.