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Ein #lovestorm für Böhmermann

Sein wirklich peinlicher Auftritt lief aber schon vor dem neuen 'Neo Magazin Royale'—im Mittagsfernsehen.

Wer will ihn nicht am liebsten umarmen? | Foto: imago | Sepp Spiegl

Er ist zurück, und wir lieben ihn. Liebenliebenlieben ihn. Einen Monat mussten die Fans von Jan Böhmermann, auch bekannt als der blasse, dünne Junge, auf die nächste Ausgabe seines Neo Magazins Royal warten. Und sie hießen ihn mit ganz viel Zucker willkommen.

— Stefan Plöchinger (@ploechinger)May 12, 2016

War was?
Der dünne, blasse Junge ist wieder da!!

Viel Spaß uns allen. — teemitzimt (@teemitzimt)May 12, 2016

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Seltsamerweise ging der Candystorm aber erst so richtig los, nachdem ZDF Neo die neue Folge auch im Fernsehen ausgestrahlt hatte. Warten wirklich die meisten Menschen immer noch ab, bis etwas real time ins Programm kommt? Diesmal war die Show nicht schon am Abend vorher, sondern erst ein paar Stunden früher in der Mediathek (das ZDF wollte sich bestimmt die garantiert hohen Einschaltquoten nach der Erdogan-Affäre nicht entgehen lassen). Hat aber anscheinend kaum jemand gemerkt.

Weil die meisten also tatsächlich erst 22:15 Uhr eingeschaltet haben, mussten sie auch noch die fragwürdigen Witze der Wochenshow mitverfolgen, die ausgerechnet an dem Abend gute zehn Minuten überzog. Dann war er wieder da: gewohnter Vorspann, üblicher Anzug, nur einen Rückkehrerbart hat sich Böhmermann zugelegt. Das gehört im Business dazu und deutet Verwandlung an, schon Harald Schmidt und Thomas Gottschalk trugen solch Läuterungsgewächs im Gesicht.

Bei seiner Auszeit mit dem Segway auf dem Jakobsweg hat Böhmermann aber anscheinend nicht viel dazugelernt. Genau richtig, denn die Sendung hatte alles, was den blassen Jungen zum wichtigsten Mann der Comedy-Szene gemacht hat. Gut, das Witzevorlesen am Anfang war ein bisschen lahm. Wer kann schon lachen, wenn einer sagt: Hier kommen jetzt ein paar Witze. Der Spaß daran schlüpfte wieder im Böhmermann-Style um die Ecke: Denn die eher flachen "Kommen X und Y in eine Bar"-Sprüche hatten Zuschauer eingeschickt, und für jeden vorgelesenen gab's 103 Euro—nach Paragraph 103, Majestätsbeleidigung.

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Mehr als solche Anspielungen hörte man den ganzen Abend nicht zur Causa Erdogan. Dafür sprach Abendgast Gregor Gysi (auch ihn kann man ja irgendwie nur mögen) aus, was Böhmermann wahrscheinlich denkt: fieser Erdogan, blöde Merkel, Kunst darf alles! Dass sich der Gastgeber dabei die Ohren zuhielt, kam leider ziemlich alibi-mäßig rüber. Ansonsten alles solide, was bei Böhmermann eigentlich genial heißt: Denn einen neuen Fake gab es auch noch. Aber dazu kommen wir gleich.

Ungefähr zu der Zeit, als Bundestagsabgeordneter Detlef Seif doch tatsächlich das Erdogan-Schmähgedicht im Parlament vorlas, hatte auch der Autor selbst einen eher unrühmlichen Auftritt. Im ZDF-Mittagsmagazin äußerte sich ein steifer Böhmermann zu den letzten Wochen: Er betont immer wieder, was für "ein Künstler" er ist, und wie "der Künstler" Böhmermann sich sehr darüber gefreut hat, dass "das Ding" abgegangen ist—und dass es hier nicht um Meinungs- oder Pressefreiheit geht: "Ich bin kein Journalist, für mich gilt nicht die Pressefreiheit", so Böhmermann. Sondern "die Kunstfreiheit, und die ist viel freier ausgelegt". Das mag er vielleicht glauben. Trotzdem wirkt der Beitrag, als hätte da jemand vom Sender ihm die Worte vor der Rückkehr in den Mund gelegt. Eine Art Absicherung, die sich wahrscheinlich auch vor Gericht verwenden lässt.

Seine Show ist dann jedenfalls wenig künstlerisch. Denn der größte Coup der Sendung ist Journalismus, wie er viel öfter sein sollte: #verafake! Böhmermanns Redaktion hat zwei gefakte Kandidaten in Schwiegertochter gesucht eingeschleust. Robin, 21, Schildkrötensammler und Jungfrau, ist in Wirklichkeit ein 30-jähriger Schauspieler, genauso wie sein angeblicher Vater.

Endlich ist es jemandem gelungen, dem Trash-Sender RTL seine unmenschlichen Praktiken nachzuweisen. Während immer noch kein ehemaliger DSDS-Kandidat über Knebelverträge gesprochen hat und man nur Gerüchte von Verdachtsfälle-Kameramännern hört, wie arme Opfer für 20 Euro direkt vom Jobcenter weggecastet werden, liefert Böhmermann den Beweis für die Schäbigkeit RTLs. Und das ist so gut, dass man am liebsten auf den Rest der Sendung verzichten würde—und stattdessen abendfüllend Fake-Robin in einer Doku zuhören möchte, was er bei Schwiegertochter gesucht so alles erlebt hat.