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Popkultur

Ein mexikanischer Schamane hat mir von Peyote erzählt

Das Herz der Welt liegt in Wirikuta, Mexiko, und sein Bestehen ist in Gefahr. Deshalb sind Vertreter der Huicholes in die Schweiz gekommen.
Foto von José Andrés Solórzano

Vergangenen Samstag war Schweizer Premiere des Dokumentarfilms Huicholes—The Last Peyote Guardians. Der Film zeigt einen der letzten indigenen Stämme Lateinamerikas, die Huicholes, und den Kampf um ihr heiliges Territorium Wirikuta. Der Stamm bezeichnet sein Gebiet als Herz der Welt und Energiezentrum des Planeten. Deshalb besorgt es die Huicholes auch, dass aktuell Bergbauaktivitäten multinationaler Konzerne ihr heiligstes Gebiet bedrohen, das zugleich Land des Peyote ist. Der Peyote ist ein Kaktus mit halluzinogenen Wirkungen und ist wichtig in Spiritualität und Medizin der Huicholes.

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Anlässlich der Schweizer Premiere kamen der Regisseur Hernán Vilchez und die beiden Schamanen der Huichol-Gemeinschaft Juan José Ramírez „Uxamuire" und sein Sohn Enrique Ramírez, nach Zürich. Ich habe mich mit Juan José über den Peyote-Kaktus und -Konsum unterhalten. Ich musste feststellen, dass ich mir das Leben eines indigenen Stammes sowie die Wirkung dieser Pflanze nicht im Geringsten vorstellen kann.

Alle Fotos zur Verfügung gestellt von José Andrés Solórzano

VICE: Was ist eigentlich ein Schamane?
Juan José Ramírez: Ein Schamane ist ein Mann des Wissens, ein Wissen das besteht, seit die Welt geschaffen wurde. Es ist das Wissen der Vorfahren. Ein Schamane weiss alles über den Planeten Erde und seine Verbindungen. Durch ihn wird dieses Wissen zu einer spirituellen Realität. Man nennt ihn auch Medizinmann.

Wie würdest du einem Westler den Zweck von Peyote erklären?
Jede Peyote-Zeremonie muss von einem Schamanen geleitet werden. Er weiss, wie man die Medizin für einen spirituellen Zweck benutzt. Der Nutzen von Peyote ist es, den spirituellen Körper zu reinigen und in Balance zu bringen. Der Schamane schafft eine Verbindung des Geistes mit Himmel und Erde.

Was für Wirkungen hat Peyote?
Die Alkaloide der Pflanze bewirken eine Verbindung mit dem Himmel und der Erde. Auf diese Weise kann man reisen und das Universum fühlen. Der ganze Körper wird mit der Natur vereinigt. In diesem Moment versteht man die Botschaft der natürlichen Welt auf eine andere Weise. Man wird selbst zur Pflanze, die man konsumiert hat und somit Teil der Umgebung. Man versteht den Baum, den Wind, den Mond, das Feuer. Das gibt einem das Gefühl, Teil von allem zu sein.

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Warum verehren die Huicholes Peyote mehr als andere psychedelische Drogen?
Es ist die Medizin, die in unserem Gebiet wächst. Wir haben auch schon mit Brüdern anderer Gebiete gearbeitet, die ihre eigenen Pflanzen mitgebracht haben und durch den Konsum ihrer Pflanzen ähnliche Situationen erlebt. Man kann zwar verschiedene Visionen haben und andere Botschaften erhalten, aber die Verbindung an sich bleibt dieselbe. Deshalb sind wir offen für die Kollaboration mit anderen Schamanen.

Kann Peyote auch einen positiven Einfluss auf Menschen mit anderem kulturellen und religiösen Hintergrund haben?
Ja, jede Person kann die Energie erhalten.

Wie kann man sich eine Peyote-Zeremonie vorstellen?
Der Zweck einer Zeremonie ist die Balance der involvierten Personen. Diese entsteht durch die Verbindung mit dem Feuer, der Musik, der Bewegung. Das Bindeglied ist die universelle Kraft, welche im Moment der Zeremonie im Gange ist.

Wie konsumiert man Peyote?
Man kann es essen oder auch trinken wie einen Smoothie. Wir gehen zuerst zu einem heiligen Ort, ernten es und passen auf, dass wir nur den Kopf der Pflanze abschneiden, damit die Wurzeln in der Erde bleiben. So wächst es wieder nach. Dann gehen wir zurück zu unserer Gemeinschaft, welche weit entfernt von dem geheiligten Ort ist und benutzen den Peyote dann für unsere Zeremonien.

Stimmt es, dass alle Teilnehmer der Zeremonie Geständnisse über ihre sexuellen Aktivitäten ablegen müssen?
Ja, man muss all seine schlechten Handlungen gestehen, sozusagen seine Maske ablegen um vom Feuer, dem Hirsch, dem Sand, dem Adler und dem Mond zu lernen. Es geht dabei nicht nur um das Geständnis von sexuellen Handlungen, sondern von schlechten Taten und Schuld im Allgemeinen.

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Wie gross ist der Einfluss der Mexikanischen Regierung auf deinen Stamm?
Die Mexikanische Regierung unterstützt die Essenz unserer Kultur nicht, obwohl sie seit unzähligen Generationen besteht. Heutzutage ist die Regierung nicht mehr daran interessiert, die Aufrechterhaltung dieses Wissens zu fördern. Sie beeinflussen uns mit ihren Entscheidungen und Interventionen. Das ist jetzt meine persönliche Meinung, aber ich denke, es ist an der Zeit, zurück zum Ursprung zu finden. Unser Wissen lebt und ich will es für die folgenden Generationen am Leben erhalten.

Was sind die grössten Veränderungen, die dein Stamm seit seinem Ursprung erlebt hat?
Seit 2008 herrscht ein Konflikt um unser heiliges Gebiet Wirikuta. Er startete, als die Mexikanische Regierung beinahe das gesamte Gebiet an transnationale Minenfabriken verkaufen wollte. Damals war eine grosse Dürreperiode, heute regnet es zu viel. Das Gleichgewicht ist also gestört und wir führen es zurück auf die falsche Entscheidung unserer Autoritäten, die Harmonie des heiligen Landes zu stören. Deshalb appellieren wir an die Welt im Allgemeinen und Mexiko im Besonderen, die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Erde zu unterstützen, damit wir wieder alle in Harmonie und Frieden leben können.

HuicholesThe Last Peyote Guardians läuft ab 7. Mai in ausgewählten Kinos in der Schweiz, Deutschland und Österreich.

Nora auf Twitter: @nora_nova_

ViceSwitzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild von José Andrés Solórzano