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Endlich ein Putin für die Schweiz: Toni B.

SVP-NR Toni Bortoluzzi plärrte was davon, dass Homosexuelle verdrehte Hirnlappen haben. Milchbüechli-Mann Florian Vock nutzt seinen Verstand trotzdem.

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Foto: ZH2010 | wikimedia | CC BY 2.0

Es war einmal der kleine Toni, der konnte schon ganz früh das Natürliche vom Unnatürlichen trennen. Er erkannte, dass Homosexuelle einen „Hirnlappen" hätten, „der verkehrt läuft". Milchbüechli-Mann Florian Vock hat diverse Hirnlappen in alle Richtungen und reagiert hier auf den SVP-Gesundheitspolitiker Toni Bortoluzzi.

Grundsätzlich verschwendet sowas Dummes die Zeit von jedem ausser Onlinenews-Praktikanten, die an schwülen Sommertagen ihre Newsplattformen aufpeppen müssen. Aber der kleine Toni ist heute ein ganz grosser und im Parlament der Schweiz gewichtig: Er gibt den Takt an bei der Gesundheits- und Familienpolitik der grössten Schweizer Partei.

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Danke, Toni Bortofuzzi! Zuerst gilt es, zu danken. Es trauen sich nicht mehr viele, öffentlich ihre verschrobene Sexualmoral zu präsentieren. Hierzulande weicht insbesondere die besorgte Mutter mit christlichem Hintergrund auf andere Argumente aus.

Foto: jusoschweiz | Flickr | CC BY 2.0
Konservativ sein heisst meistens, dass der Stock im Arsch das einzige Aufrechte ist. Toni hingegen sagt, was er denkt. Bravo! Und er denkt in einfachen Linien nach dem Motto: Was der Bauer nicht kennt, fickt er nicht.

Selbst Produkt einer heterosexuellen Ehe, hat auch Toni diese Welt mit vier garantiert heterosexuellen Kinderchen beglückt. Das ist seine Welt und über den Tellerrand muss Toni nicht schauen, denn die Küche ist sowieso das Reich seiner Frau. Leichte Irritationen lösten Tonis Aussagen trotzdem aus. Sie klingen wie aus einer anderen Zeit. Schon 1974 schrieben die Homosexuellen Arbeitsgruppen Basel in ihrer Grundsatzerklärung, dass die Homophoben drei argumentativen Taktiken kennen: Widernatürlichkeit, Krankheit, Verbrechen.

Foto: tiseb | Flickr | CC BY 2.0

Toni macht keinen Hehl daraus: Widernatürlich und krank sind wir, ein Verbrechen ist es leider nicht mehr. Böse Moderne – Toni würde lieber wieder in Gotthelfs Zeiten leben, wo ein Mann noch ein Mannsbild war, eine Frau noch eine Mutter wird und ein Kind noch an Polio stirbt.

Oft, und das ist noch viel bedrohlicher, kommen Vorurteile versteckter, so wie in der Club-Sendung zur Sexualaufklärung im Schweizer Fernsehen. Homosexualität wird dann selten widernatürlich, krank oder verbrecherisch genannt. Aber so ist es gemeint.

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Die Argumentation verdichtet sich stets zu einer Angst davor, dass Kinder mit einem nicht-heteronormativen, nicht-christlichen Zugang zur Sexualität konfrontiert werden. Oft geht damit der Verdacht einher, dass insbesondere Schwule in ihrer vermeintlich übersexualisierten und amoralischen Verhaltensweise Kinder missbrauchen.

Foto: Ainlina | wikimedia | [CC BY-SA 3.0](http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html CC BY-SA 3.0)
Das ist natürlich völlig verkehrt: Vielmehr würde gerade ein Sexualaufklärung Kinder vor Missbrauch schützen, weil sie durch Aufklärung und Wissen in eine Position gebracht werden, sich zu wehren. Gerade dort, wo Missbräuche mit Abstand am meisten vorkommen: In der heterosexuellen Familie.

Toni ist anders. Er sagt plump und offen, was er denkt und legt dabei auch offen, wie wenig ihm am Denken liegt. Es reicht, um breit zitiert zu werden und eine Meinung an die Oberfläche der Medienwelt zu spülen, die viel verbreiterter ist, als wir es 2014 erwarten würden.

Foto: Schweizer Parlament | Wikimedia | CC BY 2.0
Darum sollten wir solche Aussagen nicht als wirr abtun. Toni ist kein verwirrter Einzelgänger. Der Wind in der Schweiz hat sich schon längst gekehrt: Religiöse Gruppierungen nehmen den Kampf auf der Strasse auf. Pius-Brüder und Abtreibungsgegner demonstrieren gegen die Selbstbestimmung von Frauen. Und Homosexuelle haben verkehrte Hirnlappen.

Das hat Folgen: Einer von zehn Schwulen unter zwanzig Jahren hat einen Suizidversuch hinter sich. Das ist eine bis zu fünf Mal so hohe Quote wie bei heterosexuellen. Drei von zehn jungen Schwulen haben suizidale Gedanken.

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Auch Toni Bortoluzzi ist daran schuld. Denn es macht einen Unterschied, ob er so eine Meinung hat oder nicht. Nicht nur, weil er politischen Einfluss hat. Sondern weil offene und versteckte Homophobie immer wirkt – auch auf mich.

Wenn ich morgens die Zeitung aufschlage und da lese ich von einem Herrn, der dieses Land gestalten soll – ein Herr, der vielleicht anständige Kinder hat und vielleicht sogar im Zug neben mir sitzt und beim Aussteigen freundlich winkt.

Foto: bigbangmagde | Flickr | CC BY 2.0

Von diesem Herrn lese ich in der Zeitung und er hat eine Meinung über mich, mich persönlich und vieler meiner Freundinnen und Freunde: Was für ein Mensch ich sei. Ob ich fähig bin, Vater zu sein. Ob ich die Ehe zerstören will.

Ob ich krank bin. Und die Zeitungen drucken es und die Journalisten sind der Meinung, es sei völlig in Ordnung, das zu drucken. Das alles fühlt sich nach Unterdrückung an. Das alles erzeugt eine homophobe Stimmung in einer Gesellschaft, wo sich Jugendliche schliesslich töten, weil sie es nicht mehr ertragen. Eine Stimmung, die Toni Bortoluzzi zu veranworten hat.

In diesem Sinne: Einen schönen Pride-Monat! Vielleicht sehen wir uns an der Demonstration für die Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transmenschen und Queers diesen Samstag in Zürich.