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Film

'​Frank' bringt mit Plastikschädel und lieben Verhaltensstörungen nicht nur Musiker zum Lachen

Endlich ist ,Frank' in Österreich angekommen um unsere eingeschlafenen Vorstellungen von Musik ordentlich zu ohrfeigen.
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Stell dir vor, Beck oder Maynard James Keenan von Tool oder auch Buzz Osbourne von den Melvins steht plötzlich vor deiner Tür und braucht dich als Keyboarder für einen Auftritt—noch am selben Abend. Nach einem dicken Angst-Kräpfchen in der Hose würden einige von uns für so eine Chance wahrscheinlich sogar wirklich alles an Alltagsleben liegen und stehen lassen. Ehe du dich versiehst, fliegen dir exzentrische Musikermarotten und absolut schräge Aufnahmetechniken um die Ohren und du bist plötzlich dabei, berühmt zu werden. Und am Ende helfen dir deine großen Helden vielleicht auch einfach, zu erkennen, dass deine Talente doch anderswo liegen.

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Das ist genau die Art von Geschichte, die der Film Frank erzählt. Frank ist ein Typ. Frank hat eine Band. Frank ist Michael Fassbender, der einen Plastikpuppenkopf trägt.

In der Geschichte ist Frank vor allem Lead-Sänger und Mastermind der gleichnamigen Band, die er nicht in bewährter Rockstar-Arschloch-Manier à la Axel Rose führt, sondern vielmehr wie ein geistig verwirrter Guru des schrammelnden Indie-Pops.

Frank ist ein unschuldiger musikalischer Magier, der mit Improv-Texten, einer internationalen Band aus affektierten Schwachsinnigen und herrlich verstimmten Gitarrenakkorden unsere Herzen arhythmisch höher schlagen lässt.

Michael Fassbender hat einiges an Publikumsrespekt und Kritikerlob für seine Darstellung eingeheimst, bei der wir fast gänzlich ohne sein hübsches Gesicht auskommen müssen. Man sollte aber auch erwähnen, dass Mr. Shame für Frank seine geilste Jim Morrison-Beschwörungsstimme ausgepackt hat und dem Wesen des dissonanten Jesus mit der Comic-Rübe eine wunderbar unvorhersehbare und sympathische Leichtigkeit verliehen hat. Eine Verhaltensstörung wird zum Comic Relief und ernste Psychosen zur humorvollen Muse.

Der Film fühlt sich gleichzeitig an wie ein Fiebertraum von Helge Schneider und eine liebesgeständige Hommage an das schizophren bipolare Songwriter-Wunderkind Daniel Johnston. Aber man muss im musikalischen Zugang und Verständnis von Frank auch Größen wie Frank Zappa und Captain Beefheart als reanimiert erkennen. Frank ist ein katalytischer Dirigent, der wie Mike Patton bei Fantomas die Band orgasmisch zum Äußersten anspornt.

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Bildmaterial (c) Filmladen

Bei all diesen Assoziationen war die wahre Blaupause des Chaos-Konzeptkomponisten aber Chris Sievey—ein britischer Musiker und Komödiant, der 1984 mit seiner Kunstfigur Frank Sidebottom bekannt wurde. Der mit einem Keyboard um die Wette jaulende Typ aus Manchester hatte ursprünglich die Idee mit dem liebenswerten Plastikkopf und wird in Frank auch viel direkt zitiert.

Sieveys Originalfigur muss bei den Dreharbeitenwie ein Skurrilitäten-Barometer fungiert haben, wie man nach einer kurzen YouTube-Recherche und im Vergleich mit den Songs in Frank schnell erkennt. Ich persönlich liebe es einfach, über Szenen, Sketches und Dialoge zu lachen, bevor ich überhaupt verstehe, was vor sich geht und worüber genau ich eigentlich gerade lache.

Genau das gilt auch bei Frank: Der Film strotzt vor Liebe für Zufälligkeit. Allgemein ist Liebe für das Abstrakte und Absurde wahrscheinlich eine der Grundbausteine für Humor—und auch für musikalische Innovation. Sievey, der Original-Frank, ist leider kurz vor der Vorproduktion des Films im unerhörten Alter von 54 gestorben.

Sein Vermächtnis ist aber definitiv gesichert. Alle Songs in Frank wurden live von den Schauspielern aufgenommen und gesungen—und zwar während die Kameras liefen. Ein Stück Authentizität, das ich Frank hoch anrechne. Ich liebe die Vorstellung, dass unsere ewig zynische, besserwisserische Generation von einem Typen mit einem Riesenschädel aus Kunststoff etwas über Ehrlichkeit lernen kann.

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Noisey: Wir stellen uns Noise Yoga genau wie eine von Franks Auflockerungsübungen vor

Für mich ist Frank aber nicht nur antipostmoderne Humor-Lehre—er sprengt auch festgefahrene Musikkonventionen wie ein Paukenschlägel, den man aus einem Kanonenrohr auf ein Cello feuert. Die Texte von Frank, der Band, sind nicht deskriptiv, aber formen die schönsten gedanklichen Bilder. Wenn die Worte fehlen, werden einfach welche erfunden—und Bandnamen sind dabei sowieso scheißegal. Der gesamte Soundtrack ist super und zählt eine neue Ära des elektronischen Noise-Folks ein.

Machen wir es wie Frank und verheimlichen nichts mehr, indem wir uns nicht länger von verwirrenden und verunsichernden Gesichtszügen ablenken lassen. Sei emotional, hau deinem Bassisten aufs Maul, aber einigt euch immer auch auf ein Save Word. Sei einfach kein verdammtes Arschloch.

Wie schön, wenn solche Perlen der Cinesphären an unserem Land einmal nicht ohne Vorstellung auf der großen Leinwand vorbeiziehen—gerade weil auch unser Musikvertiakl Noisey sogar im Film vorkommt, als sie aus dem Off darüber reden, dass Frank auf der Höhe des Zeitgeists angekommen ist.

"Would it help if I said my facial expressions out loud? Welcoming smile."

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