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Hipster und Bobos raus aus Meidling!

Die Bewegung von Rudi Raclette will Hipstern, Bobos und der Gentrifizierung in Meidling den Kampf ansagen. Dabei kommen einschlägige Parolen und eine Mobilmachung des Volkes zum Einsatz.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Freie Volksrepublik Meidling

​ Seit ich denken kann, lebe ich im zwölften Wiener Gemeindebezirk, von einigen auch „Gottesstaat Meidling" genannt. Dabei ist Meidling ein Paradoxon, dass zwischen den Jahrhunderten schwebt und mit seinen vielen verschiedenen Facetten Elemente aus den frühen 90er Jahren mit modernem Schnickschnack verbindet. Meidling kann grün, bunt und frisch sein aber auch so richtig grässlich grau und dreckig. Obwohl es in Meidling entgegen der öffentlichen Meinung ziemlich ruhig zugeht,—ja, sogar auf der „Phila-Bridge"—macht die zunehmende Gentrifizierung und Verhipsterung einigen Bürgern ziemlich zu schaffen. Mit der Plattform ​„Freie Volksrepublik Meidling" gibt es nun auch ein Sprachrohr für alle, die sich der Boboisierung widersetzen wollen. Dabei will man besonders von selbstgemachtem, organischen Eis, Bobo-Cafés am Meidlinger Markt und Nazi-Hipstern nichts wissen. Dafür wurde auch die Antifa Meidling—die Antifashionistische Aktion—ins Leben gerufen. Weil auch die Gentrifizierung ein viel diskutiertes Thema der FVM ist, habe ich den geistigen Führer und Staatsgründer, Rudi Raclette, kontaktiert und mich anschließend mit Herbert Huber unterhalten, dem Presseattaché der Freien Volksrepublik.

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VICE: Die Freie Volksrepublik Meidling wurde ausgerufen, um sich der drohenden Gentrifizierung Meidlings entgegen zu stellen. Ist Meidling tatsächlich von Gentrifizierung betroffen?
FVM: Zuerst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass sich VICE nach Artikeln wie „​Ich hab mir Kokain durch den Arsch blasen lassen, damit ihr es nicht tun müsst" endlich seriösen Themen widmet. Also zu Ihrer Frage. Ich sage immer: Wehret den Anfängen! Als in der Spittelbreitengasse plötzlich Frauen mit Knödelfrisuren und Oversize-Pullis und Männer mit Vollbärten und Rennrädern—und diese Männer waren keine ortsüblichen Salafisten—auftauchten, war uns klar: Wenn wir jetzt nicht handeln, ist es bald vielleicht schon zu spät.

Das Meidlinger L steht also nicht für ​„Lumb​er​sexuals"?
​ Absolut nicht! Es steht für Liebe, Leidenschaft oder ​Leichenfund in der Längenfeldgasse!

Aber jetzt mal im Ernst. Gentrifizierung, also der Prozess der Aufwertung eines Stadtteils und der darauf folgenden Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten ist doch etwas, was hauptsächlich von Immobilienspekulanten und Stadtentwicklern gepusht wird und nicht von Bobos und Hipstern.
Papperlapp! Schauen Sie: Der Kampf gegen Gentrifizierung ist das absolut legitime Engagement von jungen gebildeten Leuten, die vor 5 Jahren in ein Viertel gezogen sind gegen junge gebildete Leute, die vor einem Jahr in ein Viertel gezogen sind. Um diese Menschen zu mobilisieren müssen wir auf Ressentiments setzen. Und diese politisch korrekte, gebildete Jugend von heute hat nur mehr drei Ressentiments: Gegen Hipster, gegen Bobos und gegen Deutsche.

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Sie glauben also, dass Meidling von Bobos und Hipstern überrannt wird - „angegriffen" wie sie auf Facebook schreiben?
Sie greifen uns mit schweren Waffen an und die internationale Gemeinschaft schaut nur zu. Kommenden Samstag zum Beispiel will ein Typ mit seinem Crêpes-Wagen den Meidlinger Markt erobern. Diesem Palatschinken-Pistolero werden wirs zeigen!

Wie kann man sich die Strukturen der Freien Volksrepublik Meidling vorstellen?
Die Regierung ist der Rat der Volkskommissare, der von unserem Staatsgründer Rudi Raclette geleitet wird. Dieser Rat setzt sich aus den einzelnen Ressorts zusammen, Ministerium für Äußeres, Äußerlichkeiten und äußerst delikate Angelegenheiten, Ministerium für Introspektion, Begleitung und Überwachung, Ministerium für Steuerverklärung & Unschuldsvermutung und so weiter … Offizielles Einreisedokument ist der Stammkundenpass vom Schnitzelhaus. Je mehr Stempel da drinnen sind, desto unkomplizierter ist die Einreise.

Sie haben schon breite Unterstützung in der Bevölkerung, unter anderem über 1000 Likes auf Facebook. Wie soll es weiter gehen? Was sind die nächsten Ziele der Freien Volksrepublik?
Ich bedanke mich für diese Frage! Langweilig wird uns nicht denn auf unserer Agenda steht einiges. Zunächst einmal arbeiten wir an einem Verbot der Propaganda von Gentrifizierung. Wobei ich klar stellen will: Gemäßigte Bobos und Hipster werden nicht verfolgt. Sie können sich ruhig und entspannt fühlen bei uns. Aber bitte lassen sie unsere Kinder in Ruhe! Untersagt werden soll nur das offizielle Zur-Schau-Stellen von einschlägiger Propaganda und Symbolik wie etwa Dreiecken, Äpfeln oder dem Bio-Gütesiegel. Weiters planen wir den Bau eines antifashionistischen Schutzwalles an unseren östlichen und nördlichen Außengrenzen um dem ungeplanten Zustrom von Ostbanden aus Margareten Herr zu werden. Die Bauarbeiten sollen streng bewacht werden, schließlich befürchten wir Störaktionen der Gegenseite. Augenzeugen haben uns berichtet, sie hätten einen leicht bekleideten und leicht angetrunkenen David Hasselhoff im Burger King am Gaudenzdorfer Gürtel gesehen. Er wollte dort angeblich nur einen Burger essen. Doch wir sind misstrauisch. Ganz ehrlich, wenn er glaubt, er kann bei uns hier auch so eine looking for freedom-Scheiße abziehen wie damals in Berlin, dann hat er sich getäuscht.

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Will die FVM auch auf andere Stadtteile expandieren?
Was heißt auf andere Stadtteile? Wir sind mittlerweile ein internationales Phänomen. Eine andere Welt ist Meidling! Nein, ich sage immer, wenn man uns braucht, werden wir da sein. Wir erhalten zum Beispiel immer wieder Hilferufe aus dem benachbarten Rudolfsheim-Fünfhaus. Kein Wunder! Schauen sie sich doch die Situation dort an! Vor zwei Jahren gab es auf dem Reindorfgassenfest noch Grillhendl und Schlager, heute gibt es dort Skero und Clara Lucia. Wobei ich vor zu großem Euphorismus warnen möchte. Aus militärstrategischen Überlegungen können wir Rudolfsheim-Fünfhaus leider nur bis zur Westbahnlinie befreien. Da wir von der FVM keine Bobo-Hipster sind, bewegen wir uns nicht mit dem Fahrrad oder in Öffis, sondern ausschließlich mit Autos durch die Gegend. Da es über die Westbahnlinie mit der Schmelzbrücke aber nur einen einzigen befahrbaren Übergang gibt, sind schnelle Truppenverschiebungen nur schwer möglich. Die Hipster könnten mit Kunst-Installationen, Performances oder Straßenfesten die Brücke relativ leicht blockieren. Außerdem bekommen wir aus Meidling—grüner Tugendterror sei dank—ja auch keine Parkpickerl für unsere Invasions-Fahrzeuge.

Würden solche Aktionen nicht scharf kritisiert werden?
Möglicherweise. Wenn der Gegenwind zu stark wird, sagen wir einfach, dass alles nur Satire ist und immunisieren uns somit gegen jede Kritik. Haha!

Viel Glück damit und vielen Dank.

_Feiert mit Adrian den besten Bezirk der Welt: ​@doktorSanchez_